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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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prägte Wohlwollen, und gegen die Wehmuth
über die Uebel, die der Krieger über die erober¬
ten Länder bringt, muß ein Gegengewicht ge¬
funden werden. Es giebt kein anderes, denn
die Raubsucht. Wird es zum herrschenden An¬
triebe des Kriegers, sich einen Schaz zu machen,
und wird er gewöhnt, bei Verheerung blühen¬
der Länder an nichts anderes mehr zu denken,
denn daran, was er für seine Person bei dem all¬
gemeinen Elende gewinnen könne, so ist zu er¬
warten, daß die Gefühle des Mitleids, und des
Erbarmens in ihm verstummen. Außer je¬
ner barbarischen Rohheit müßte demnach ein
Welt-Eroberer unsrer Zeit die Seinigen auch
noch zur kühlen und besonnenen Raubsucht bil¬
den; er müßte Erpressungen nicht bestrafen,
sondern vielmehr aufmuntern. Auch müßte
die Schande, die natürlich auf der Sache ruht,
erst wegfallen, und Rauben müßte für ein eh¬
renvolles Zeichen eines feinen Verstandes gel¬
ten, zu den Grosthaten gezählt werden, und
den Weg zu allen Ehren und Würden bahnen.
Wo ist eine Nation im neuern Europa also ehr¬
los, daß man sie auf diese Weise abrichten.

praͤgte Wohlwollen, und gegen die Wehmuth
uͤber die Uebel, die der Krieger uͤber die erober¬
ten Laͤnder bringt, muß ein Gegengewicht ge¬
funden werden. Es giebt kein anderes, denn
die Raubſucht. Wird es zum herrſchenden An¬
triebe des Kriegers, ſich einen Schaz zu machen,
und wird er gewoͤhnt, bei Verheerung bluͤhen¬
der Laͤnder an nichts anderes mehr zu denken,
denn daran, was er fuͤr ſeine Perſon bei dem all¬
gemeinen Elende gewinnen koͤnne, ſo iſt zu er¬
warten, daß die Gefuͤhle des Mitleids, und des
Erbarmens in ihm verſtummen. Außer je¬
ner barbariſchen Rohheit muͤßte demnach ein
Welt-Eroberer unſrer Zeit die Seinigen auch
noch zur kuͤhlen und beſonnenen Raubſucht bil¬
den; er muͤßte Erpreſſungen nicht beſtrafen,
ſondern vielmehr aufmuntern. Auch muͤßte
die Schande, die natuͤrlich auf der Sache ruht,
erſt wegfallen, und Rauben muͤßte fuͤr ein eh¬
renvolles Zeichen eines feinen Verſtandes gel¬
ten, zu den Grosthaten gezaͤhlt werden, und
den Weg zu allen Ehren und Wuͤrden bahnen.
Wo iſt eine Nation im neuern Europa alſo ehr¬
los, daß man ſie auf dieſe Weiſe abrichten.

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[426/0432] praͤgte Wohlwollen, und gegen die Wehmuth uͤber die Uebel, die der Krieger uͤber die erober¬ ten Laͤnder bringt, muß ein Gegengewicht ge¬ funden werden. Es giebt kein anderes, denn die Raubſucht. Wird es zum herrſchenden An¬ triebe des Kriegers, ſich einen Schaz zu machen, und wird er gewoͤhnt, bei Verheerung bluͤhen¬ der Laͤnder an nichts anderes mehr zu denken, denn daran, was er fuͤr ſeine Perſon bei dem all¬ gemeinen Elende gewinnen koͤnne, ſo iſt zu er¬ warten, daß die Gefuͤhle des Mitleids, und des Erbarmens in ihm verſtummen. Außer je¬ ner barbariſchen Rohheit muͤßte demnach ein Welt-Eroberer unſrer Zeit die Seinigen auch noch zur kuͤhlen und beſonnenen Raubſucht bil¬ den; er muͤßte Erpreſſungen nicht beſtrafen, ſondern vielmehr aufmuntern. Auch muͤßte die Schande, die natuͤrlich auf der Sache ruht, erſt wegfallen, und Rauben muͤßte fuͤr ein eh¬ renvolles Zeichen eines feinen Verſtandes gel¬ ten, zu den Grosthaten gezaͤhlt werden, und den Weg zu allen Ehren und Wuͤrden bahnen. Wo iſt eine Nation im neuern Europa alſo ehr¬ los, daß man ſie auf dieſe Weiſe abrichten.

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/432>, abgerufen am 22.11.2024.