eines häuslichen und stillen Lebens gekrönt sehen. Auf eine Zeitlang mag selbst ein nur vorgebildeter National-Vortheil sie zum Kriege begeistern; wenn die Aufforderung immer auf dieselbe Weise zurükkehrt, verschwindet das Traumbild, und die Fieberkraft, die dasselbe gegeben hat; die Sehnsucht nach ruhiger Ord¬ nung kehrt zurük, und die Frage: für welchen Zwek thue und trage ich denn nun dies alles, erhebt sich. Diese Gefühle alle müßte zuvör¬ derst ein Welt-Eroberer unsrer Zeit austilgen, und in dieses Zeitalter, das durch seine Natur ein Volk von Wilden nicht giebt, mit besonne¬ ner Kunst eins hineinbilden. Aber noch mehr. Dem von Jugend auf an einen gebildeten An¬ bau der Länder, an Wohlstand, und Ordnung gewöhnten Auge, thut, wenn man den Men¬ schen nur ein wenig zur Ruhe kommen läßt, der Anblik derselben allenthalben, wo er ihn an¬ trift, wohl, indem er ihm den Hintergrund sei¬ ner eignen, doch niemals ganz auszurottenden Sehnsucht, darstellt, und es schmerzt ihn selbst, denselben zerstören zu müssen. Auch gegen die¬ ses dem gesellschaftlichen Menschen tief einge¬
eines haͤuslichen und ſtillen Lebens gekroͤnt ſehen. Auf eine Zeitlang mag ſelbſt ein nur vorgebildeter National-Vortheil ſie zum Kriege begeiſtern; wenn die Aufforderung immer auf dieſelbe Weiſe zuruͤkkehrt, verſchwindet das Traumbild, und die Fieberkraft, die daſſelbe gegeben hat; die Sehnſucht nach ruhiger Ord¬ nung kehrt zuruͤk, und die Frage: fuͤr welchen Zwek thue und trage ich denn nun dies alles, erhebt ſich. Dieſe Gefuͤhle alle muͤßte zuvoͤr¬ derſt ein Welt-Eroberer unſrer Zeit austilgen, und in dieſes Zeitalter, das durch ſeine Natur ein Volk von Wilden nicht giebt, mit beſonne¬ ner Kunſt eins hineinbilden. Aber noch mehr. Dem von Jugend auf an einen gebildeten An¬ bau der Laͤnder, an Wohlſtand, und Ordnung gewoͤhnten Auge, thut, wenn man den Men¬ ſchen nur ein wenig zur Ruhe kommen laͤßt, der Anblik derſelben allenthalben, wo er ihn an¬ trift, wohl, indem er ihm den Hintergrund ſei¬ ner eignen, doch niemals ganz auszurottenden Sehnſucht, darſtellt, und es ſchmerzt ihn ſelbſt, denſelben zerſtoͤren zu muͤſſen. Auch gegen die¬ ſes dem geſellſchaftlichen Menſchen tief einge¬
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eines haͤuslichen und ſtillen Lebens gekroͤnt
ſehen. Auf eine Zeitlang mag ſelbſt ein nur
vorgebildeter National-Vortheil ſie zum Kriege
begeiſtern; wenn die Aufforderung immer auf
dieſelbe Weiſe zuruͤkkehrt, verſchwindet das
Traumbild, und die Fieberkraft, die daſſelbe
gegeben hat; die Sehnſucht nach ruhiger Ord¬
nung kehrt zuruͤk, und die Frage: fuͤr welchen
Zwek thue und trage ich denn nun dies alles,
erhebt ſich. Dieſe Gefuͤhle alle muͤßte zuvoͤr¬
derſt ein Welt-Eroberer unſrer Zeit austilgen,
und in dieſes Zeitalter, das durch ſeine Natur
ein Volk von Wilden nicht giebt, mit beſonne¬
ner Kunſt eins hineinbilden. Aber noch mehr.
Dem von Jugend auf an einen gebildeten An¬
bau der Laͤnder, an Wohlſtand, und Ordnung
gewoͤhnten Auge, thut, wenn man den Men¬
ſchen nur ein wenig zur Ruhe kommen laͤßt, der
Anblik derſelben allenthalben, wo er ihn an¬
trift, wohl, indem er ihm den Hintergrund ſei¬
ner eignen, doch niemals ganz auszurottenden
Sehnſucht, darſtellt, und es ſchmerzt ihn ſelbſt,
denſelben zerſtoͤren zu muͤſſen. Auch gegen die¬
ſes dem geſellſchaftlichen Menſchen tief einge¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/431>, abgerufen am 22.11.2024.
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