Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

dieselbe sich wendenden Stimmen, zuerst das
Lautwerden, oder durch Verbote die Verbrei¬
tung versagten; so wäre dies ein Beweis, daß
wir schon jezt keine deutsche Schriftstellerei
mehr hätten, und wir wüßten, wie wir mit
den Aussichten auf eine künftige Litteratur da¬
ran wären.

Was könnte es doch seyn, daß diese fürch¬
teten? Etwa, daß dieser und jener derglei¬
chen Stimmen nicht gern hören werde? Sie
würden für ihre zarte Besorgtheit wenigstens
die Zeit übel gewählt haben. Schmähungen
und Herabwürdigungen des Vaterländischen,
abgeschmackte Lobpreisungen des Ausländischen,
können sie ja doch nicht verhindern; seyn sie
doch nicht so strenge gegen ein dazwischen tö¬
nendes vaterländisches Wort! Es ist wohl
möglich, daß nicht alle alles gleich gern hören;
aber dafür können wir zur Zeit nicht sorgen,
uns treibt die Noth, und wir müssen eben sa¬
gen, was diese zu sagen gebietet. Wir ringen
ums Leben; wollen sie, daß wir unsre Schritte
abmessen, damit nicht etwa durch den erregten
Staub irgend ein Staatskleid bestäubt werde?
Wir gehen unter in den Fluthen; sollen wir

dieſelbe ſich wendenden Stimmen, zuerſt das
Lautwerden, oder durch Verbote die Verbrei¬
tung verſagten; ſo waͤre dies ein Beweis, daß
wir ſchon jezt keine deutſche Schriftſtellerei
mehr haͤtten, und wir wuͤßten, wie wir mit
den Ausſichten auf eine kuͤnftige Litteratur da¬
ran waͤren.

Was koͤnnte es doch ſeyn, daß dieſe fuͤrch¬
teten? Etwa, daß dieſer und jener derglei¬
chen Stimmen nicht gern hoͤren werde? Sie
wuͤrden fuͤr ihre zarte Beſorgtheit wenigſtens
die Zeit uͤbel gewaͤhlt haben. Schmaͤhungen
und Herabwuͤrdigungen des Vaterlaͤndiſchen,
abgeſchmackte Lobpreiſungen des Auslaͤndiſchen,
koͤnnen ſie ja doch nicht verhindern; ſeyn ſie
doch nicht ſo ſtrenge gegen ein dazwiſchen toͤ¬
nendes vaterlaͤndiſches Wort! Es iſt wohl
moͤglich, daß nicht alle alles gleich gern hoͤren;
aber dafuͤr koͤnnen wir zur Zeit nicht ſorgen,
uns treibt die Noth, und wir muͤſſen eben ſa¬
gen, was dieſe zu ſagen gebietet. Wir ringen
ums Leben; wollen ſie, daß wir unſre Schritte
abmeſſen, damit nicht etwa durch den erregten
Staub irgend ein Staatskleid beſtaͤubt werde?
Wir gehen unter in den Fluthen; ſollen wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0404" n="398"/>
die&#x017F;elbe &#x017F;ich wendenden Stimmen, zuer&#x017F;t das<lb/>
Lautwerden, oder durch Verbote die Verbrei¬<lb/>
tung ver&#x017F;agten; &#x017F;o wa&#x0364;re dies ein Beweis, daß<lb/>
wir &#x017F;chon jezt keine deut&#x017F;che Schrift&#x017F;tellerei<lb/>
mehr ha&#x0364;tten, und wir wu&#x0364;ßten, wie wir mit<lb/>
den Aus&#x017F;ichten auf eine ku&#x0364;nftige Litteratur da¬<lb/>
ran wa&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Was ko&#x0364;nnte es doch &#x017F;eyn, daß die&#x017F;e fu&#x0364;rch¬<lb/>
teten? Etwa, daß die&#x017F;er und jener derglei¬<lb/>
chen Stimmen nicht gern ho&#x0364;ren werde? Sie<lb/>
wu&#x0364;rden fu&#x0364;r ihre zarte Be&#x017F;orgtheit wenig&#x017F;tens<lb/>
die Zeit u&#x0364;bel gewa&#x0364;hlt haben. Schma&#x0364;hungen<lb/>
und Herabwu&#x0364;rdigungen des Vaterla&#x0364;ndi&#x017F;chen,<lb/>
abge&#x017F;chmackte Lobprei&#x017F;ungen des Ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen,<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ie ja doch nicht verhindern; &#x017F;eyn &#x017F;ie<lb/>
doch nicht &#x017F;o &#x017F;trenge gegen ein dazwi&#x017F;chen to&#x0364;¬<lb/>
nendes vaterla&#x0364;ndi&#x017F;ches Wort! Es i&#x017F;t wohl<lb/>
mo&#x0364;glich, daß nicht alle alles gleich gern ho&#x0364;ren;<lb/>
aber dafu&#x0364;r ko&#x0364;nnen wir zur Zeit nicht &#x017F;orgen,<lb/>
uns treibt die Noth, und wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eben &#x017F;<lb/>
gen, was die&#x017F;e zu &#x017F;agen gebietet. Wir ringen<lb/>
ums Leben; wollen &#x017F;ie, daß wir un&#x017F;re Schritte<lb/>
abme&#x017F;&#x017F;en, damit nicht etwa durch den erregten<lb/>
Staub irgend ein Staatskleid be&#x017F;ta&#x0364;ubt werde?<lb/>
Wir gehen unter in den Fluthen; &#x017F;ollen wir<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0404] dieſelbe ſich wendenden Stimmen, zuerſt das Lautwerden, oder durch Verbote die Verbrei¬ tung verſagten; ſo waͤre dies ein Beweis, daß wir ſchon jezt keine deutſche Schriftſtellerei mehr haͤtten, und wir wuͤßten, wie wir mit den Ausſichten auf eine kuͤnftige Litteratur da¬ ran waͤren. Was koͤnnte es doch ſeyn, daß dieſe fuͤrch¬ teten? Etwa, daß dieſer und jener derglei¬ chen Stimmen nicht gern hoͤren werde? Sie wuͤrden fuͤr ihre zarte Beſorgtheit wenigſtens die Zeit uͤbel gewaͤhlt haben. Schmaͤhungen und Herabwuͤrdigungen des Vaterlaͤndiſchen, abgeſchmackte Lobpreiſungen des Auslaͤndiſchen, koͤnnen ſie ja doch nicht verhindern; ſeyn ſie doch nicht ſo ſtrenge gegen ein dazwiſchen toͤ¬ nendes vaterlaͤndiſches Wort! Es iſt wohl moͤglich, daß nicht alle alles gleich gern hoͤren; aber dafuͤr koͤnnen wir zur Zeit nicht ſorgen, uns treibt die Noth, und wir muͤſſen eben ſa¬ gen, was dieſe zu ſagen gebietet. Wir ringen ums Leben; wollen ſie, daß wir unſre Schritte abmeſſen, damit nicht etwa durch den erregten Staub irgend ein Staatskleid beſtaͤubt werde? Wir gehen unter in den Fluthen; ſollen wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/404
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/404>, abgerufen am 25.11.2024.