Wie es ohne Zweifel wahr ist, daß allent¬ halben, wo eine besondere Sprache angetroffen wird, auch eine besondere Nation vorhanden ist, die das Recht hat, selbstständig ihre Ange¬ legenheiten zu besorgen, und sich selber zu re¬ gieren; so kann man umgekehrt sagen, daß, wie ein Volk aufgehört hat, sich selbst zu re¬ gieren, es eben auch schuldig sey, seine Spra¬ che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬ sammen zu fließen, damit Einheit, innerer Friede, und die gänzliche Vergessenheit der Verhältnisse, die nicht mehr sind, entstehe. Ein nur halbverständiger Anführer einer sol¬ chen Mischung muß hierauf dringen, und wir können uns sicher darauf verlassen, daß in un¬ serm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis diese Verschmelzung erfolgt sey, wird es Ueber¬ setzungen der verstatteten Schulbücher in die Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen, die zu ungeschikt sind, die Sprache des herr¬ schenden Volkes zu lernen, und die eben da¬ durch von allem Einflusse auf die öffentlichen Angelegenheiten sich ausschließen, und sich zur lebenslänglichen Unterwürfigkeit verdammen; auch wird es diesen, die zur Stummheit über
Wie es ohne Zweifel wahr iſt, daß allent¬ halben, wo eine beſondere Sprache angetroffen wird, auch eine beſondere Nation vorhanden iſt, die das Recht hat, ſelbſtſtaͤndig ihre Ange¬ legenheiten zu beſorgen, und ſich ſelber zu re¬ gieren; ſo kann man umgekehrt ſagen, daß, wie ein Volk aufgehoͤrt hat, ſich ſelbſt zu re¬ gieren, es eben auch ſchuldig ſey, ſeine Spra¬ che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬ ſammen zu fließen, damit Einheit, innerer Friede, und die gaͤnzliche Vergeſſenheit der Verhaͤltniſſe, die nicht mehr ſind, entſtehe. Ein nur halbverſtaͤndiger Anfuͤhrer einer ſol¬ chen Miſchung muß hierauf dringen, und wir koͤnnen uns ſicher darauf verlaſſen, daß in un¬ ſerm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis dieſe Verſchmelzung erfolgt ſey, wird es Ueber¬ ſetzungen der verſtatteten Schulbuͤcher in die Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen, die zu ungeſchikt ſind, die Sprache des herr¬ ſchenden Volkes zu lernen, und die eben da¬ durch von allem Einfluſſe auf die oͤffentlichen Angelegenheiten ſich ausſchließen, und ſich zur lebenslaͤnglichen Unterwuͤrfigkeit verdammen; auch wird es dieſen, die zur Stummheit uͤber
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Wie es ohne Zweifel wahr iſt, daß allent¬
halben, wo eine beſondere Sprache angetroffen
wird, auch eine beſondere Nation vorhanden
iſt, die das Recht hat, ſelbſtſtaͤndig ihre Ange¬
legenheiten zu beſorgen, und ſich ſelber zu re¬
gieren; ſo kann man umgekehrt ſagen, daß,
wie ein Volk aufgehoͤrt hat, ſich ſelbſt zu re¬
gieren, es eben auch ſchuldig ſey, ſeine Spra¬
che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬
ſammen zu fließen, damit Einheit, innerer
Friede, und die gaͤnzliche Vergeſſenheit der
Verhaͤltniſſe, die nicht mehr ſind, entſtehe.
Ein nur halbverſtaͤndiger Anfuͤhrer einer ſol¬
chen Miſchung muß hierauf dringen, und wir
koͤnnen uns ſicher darauf verlaſſen, daß in un¬
ſerm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis
dieſe Verſchmelzung erfolgt ſey, wird es Ueber¬
ſetzungen der verſtatteten Schulbuͤcher in die
Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen,
die zu ungeſchikt ſind, die Sprache des herr¬
ſchenden Volkes zu lernen, und die eben da¬
durch von allem Einfluſſe auf die oͤffentlichen
Angelegenheiten ſich ausſchließen, und ſich zur
lebenslaͤnglichen Unterwuͤrfigkeit verdammen;
auch wird es dieſen, die zur Stummheit uͤber
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/401>, abgerufen am 25.11.2024.
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