Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie es ohne Zweifel wahr ist, daß allent¬
halben, wo eine besondere Sprache angetroffen
wird, auch eine besondere Nation vorhanden
ist, die das Recht hat, selbstständig ihre Ange¬
legenheiten zu besorgen, und sich selber zu re¬
gieren; so kann man umgekehrt sagen, daß,
wie ein Volk aufgehört hat, sich selbst zu re¬
gieren, es eben auch schuldig sey, seine Spra¬
che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬
sammen zu fließen, damit Einheit, innerer
Friede, und die gänzliche Vergessenheit der
Verhältnisse, die nicht mehr sind, entstehe.
Ein nur halbverständiger Anführer einer sol¬
chen Mischung muß hierauf dringen, und wir
können uns sicher darauf verlassen, daß in un¬
serm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis
diese Verschmelzung erfolgt sey, wird es Ueber¬
setzungen der verstatteten Schulbücher in die
Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen,
die zu ungeschikt sind, die Sprache des herr¬
schenden Volkes zu lernen, und die eben da¬
durch von allem Einflusse auf die öffentlichen
Angelegenheiten sich ausschließen, und sich zur
lebenslänglichen Unterwürfigkeit verdammen;
auch wird es diesen, die zur Stummheit über

Wie es ohne Zweifel wahr iſt, daß allent¬
halben, wo eine beſondere Sprache angetroffen
wird, auch eine beſondere Nation vorhanden
iſt, die das Recht hat, ſelbſtſtaͤndig ihre Ange¬
legenheiten zu beſorgen, und ſich ſelber zu re¬
gieren; ſo kann man umgekehrt ſagen, daß,
wie ein Volk aufgehoͤrt hat, ſich ſelbſt zu re¬
gieren, es eben auch ſchuldig ſey, ſeine Spra¬
che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬
ſammen zu fließen, damit Einheit, innerer
Friede, und die gaͤnzliche Vergeſſenheit der
Verhaͤltniſſe, die nicht mehr ſind, entſtehe.
Ein nur halbverſtaͤndiger Anfuͤhrer einer ſol¬
chen Miſchung muß hierauf dringen, und wir
koͤnnen uns ſicher darauf verlaſſen, daß in un¬
ſerm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis
dieſe Verſchmelzung erfolgt ſey, wird es Ueber¬
ſetzungen der verſtatteten Schulbuͤcher in die
Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen,
die zu ungeſchikt ſind, die Sprache des herr¬
ſchenden Volkes zu lernen, und die eben da¬
durch von allem Einfluſſe auf die oͤffentlichen
Angelegenheiten ſich ausſchließen, und ſich zur
lebenslaͤnglichen Unterwuͤrfigkeit verdammen;
auch wird es dieſen, die zur Stummheit uͤber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0401" n="395"/>
        <p>Wie es ohne Zweifel wahr i&#x017F;t, daß allent¬<lb/>
halben, wo eine be&#x017F;ondere Sprache angetroffen<lb/>
wird, auch eine be&#x017F;ondere Nation vorhanden<lb/>
i&#x017F;t, die das Recht hat, &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndig ihre Ange¬<lb/>
legenheiten zu be&#x017F;orgen, und &#x017F;ich &#x017F;elber zu re¬<lb/>
gieren; &#x017F;o kann man umgekehrt &#x017F;agen, daß,<lb/>
wie ein Volk aufgeho&#x0364;rt hat, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu re¬<lb/>
gieren, es eben auch &#x017F;chuldig &#x017F;ey, &#x017F;eine Spra¬<lb/>
che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬<lb/>
&#x017F;ammen zu fließen, damit Einheit, innerer<lb/>
Friede, und die ga&#x0364;nzliche Verge&#x017F;&#x017F;enheit der<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, die nicht mehr &#x017F;ind, ent&#x017F;tehe.<lb/>
Ein nur halbver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Anfu&#x0364;hrer einer &#x017F;ol¬<lb/>
chen Mi&#x017F;chung muß hierauf dringen, und wir<lb/>
ko&#x0364;nnen uns &#x017F;icher darauf verla&#x017F;&#x017F;en, daß in un¬<lb/>
&#x017F;erm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis<lb/>
die&#x017F;e Ver&#x017F;chmelzung erfolgt &#x017F;ey, wird es Ueber¬<lb/>
&#x017F;etzungen der ver&#x017F;tatteten Schulbu&#x0364;cher in die<lb/>
Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen,<lb/>
die zu unge&#x017F;chikt &#x017F;ind, die Sprache des herr¬<lb/>
&#x017F;chenden Volkes zu lernen, und die eben da¬<lb/>
durch von allem Einflu&#x017F;&#x017F;e auf die o&#x0364;ffentlichen<lb/>
Angelegenheiten &#x017F;ich aus&#x017F;chließen, und &#x017F;ich zur<lb/>
lebensla&#x0364;nglichen Unterwu&#x0364;rfigkeit verdammen;<lb/>
auch wird es die&#x017F;en, die zur Stummheit u&#x0364;ber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0401] Wie es ohne Zweifel wahr iſt, daß allent¬ halben, wo eine beſondere Sprache angetroffen wird, auch eine beſondere Nation vorhanden iſt, die das Recht hat, ſelbſtſtaͤndig ihre Ange¬ legenheiten zu beſorgen, und ſich ſelber zu re¬ gieren; ſo kann man umgekehrt ſagen, daß, wie ein Volk aufgehoͤrt hat, ſich ſelbſt zu re¬ gieren, es eben auch ſchuldig ſey, ſeine Spra¬ che aufzugeben, und mit den Ueberwindern zu¬ ſammen zu fließen, damit Einheit, innerer Friede, und die gaͤnzliche Vergeſſenheit der Verhaͤltniſſe, die nicht mehr ſind, entſtehe. Ein nur halbverſtaͤndiger Anfuͤhrer einer ſol¬ chen Miſchung muß hierauf dringen, und wir koͤnnen uns ſicher darauf verlaſſen, daß in un¬ ſerm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis dieſe Verſchmelzung erfolgt ſey, wird es Ueber¬ ſetzungen der verſtatteten Schulbuͤcher in die Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen, die zu ungeſchikt ſind, die Sprache des herr¬ ſchenden Volkes zu lernen, und die eben da¬ durch von allem Einfluſſe auf die oͤffentlichen Angelegenheiten ſich ausſchließen, und ſich zur lebenslaͤnglichen Unterwuͤrfigkeit verdammen; auch wird es dieſen, die zur Stummheit uͤber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/401
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/401>, abgerufen am 25.11.2024.