vor der spätern sehr mißlichen Zucht und Ver¬ besserung; Arme aber giebt es unter einem also erzognen Volke gar nicht.
Möchte der Staat, und alle, die densel¬ ben berathen, es wagen, seine eigentliche der¬ malige Lage ins Auge zu fassen, und sie sich zu gestehen; möchte er lebendig einsehen, daß ihm durchaus kein anderer Wirkungskreis übrig gelassen ist, in welchem er als ein wirk¬ licher Staat, ursprünglich und selbstständig, sich bewegen, und etwas beschließen könne, außer diesem, der Erziehung der kommenden Geschlechter; daß, wenn er nicht überhaupt nichts thun will, er nur noch dieses thun kann; daß man aber auch dieses Verdienst ihm un¬ geschmälert und unbeneidet überlassen werde. Daß wir es nicht mehr vermögen, thätigen Widerstand zu leisten, ist, als in die Augen springend, und von jedermann zugestanden, schon früher von uns vorausgesezt worden. Wie können wir nun die Fortdauer unsers da¬ durch verwirkten Daseyns, gegen den Vor¬ wurf der Feigheit, und einer unwürdigen Lie¬ be zum Leben, rechtfertigen? Auf keine an¬
Z
vor der ſpaͤtern ſehr mißlichen Zucht und Ver¬ beſſerung; Arme aber giebt es unter einem alſo erzognen Volke gar nicht.
Moͤchte der Staat, und alle, die denſel¬ ben berathen, es wagen, ſeine eigentliche der¬ malige Lage ins Auge zu faſſen, und ſie ſich zu geſtehen; moͤchte er lebendig einſehen, daß ihm durchaus kein anderer Wirkungskreis uͤbrig gelaſſen iſt, in welchem er als ein wirk¬ licher Staat, urſpruͤnglich und ſelbſtſtaͤndig, ſich bewegen, und etwas beſchließen koͤnne, außer dieſem, der Erziehung der kommenden Geſchlechter; daß, wenn er nicht uͤberhaupt nichts thun will, er nur noch dieſes thun kann; daß man aber auch dieſes Verdienſt ihm un¬ geſchmaͤlert und unbeneidet uͤberlaſſen werde. Daß wir es nicht mehr vermoͤgen, thaͤtigen Widerſtand zu leiſten, iſt, als in die Augen ſpringend, und von jedermann zugeſtanden, ſchon fruͤher von uns vorausgeſezt worden. Wie koͤnnen wir nun die Fortdauer unſers da¬ durch verwirkten Daſeyns, gegen den Vor¬ wurf der Feigheit, und einer unwuͤrdigen Lie¬ be zum Leben, rechtfertigen? Auf keine an¬
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vor der ſpaͤtern ſehr mißlichen Zucht und Ver¬
beſſerung; Arme aber giebt es unter einem alſo
erzognen Volke gar nicht.
Moͤchte der Staat, und alle, die denſel¬
ben berathen, es wagen, ſeine eigentliche der¬
malige Lage ins Auge zu faſſen, und ſie ſich
zu geſtehen; moͤchte er lebendig einſehen, daß
ihm durchaus kein anderer Wirkungskreis
uͤbrig gelaſſen iſt, in welchem er als ein wirk¬
licher Staat, urſpruͤnglich und ſelbſtſtaͤndig,
ſich bewegen, und etwas beſchließen koͤnne,
außer dieſem, der Erziehung der kommenden
Geſchlechter; daß, wenn er nicht uͤberhaupt
nichts thun will, er nur noch dieſes thun kann;
daß man aber auch dieſes Verdienſt ihm un¬
geſchmaͤlert und unbeneidet uͤberlaſſen werde.
Daß wir es nicht mehr vermoͤgen, thaͤtigen
Widerſtand zu leiſten, iſt, als in die Augen
ſpringend, und von jedermann zugeſtanden,
ſchon fruͤher von uns vorausgeſezt worden.
Wie koͤnnen wir nun die Fortdauer unſers da¬
durch verwirkten Daſeyns, gegen den Vor¬
wurf der Feigheit, und einer unwuͤrdigen Lie¬
be zum Leben, rechtfertigen? Auf keine an¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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