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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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festen Leitfaden, und ohne sichere Gewißheit,
blind und träumend herumtappt.

Warum sollten wir denn auch uns scheuen
vor dieser Klarheit? Das Uebel wird durch
die Unbekanntschaft damit nicht kleiner, noch
durch die Erkenntniß größer; es wird nur heil¬
bar durch die leztere; die Schuld aber soll hier
gar nicht vorgerükt werden. Züchtige man
durch bittere Straf-Rede, durch beissenden
Spott, durch schneidende Verachtung die Träg¬
heit und die Selbstsucht, und reize sie, wenn
auch zu nichts besserem, doch wenigstens zum
Hasse und zur Erbitterung gegen den Erinnerer
selbst, als doch auch einer kräftigen Regung,
an, -- so lange die nothwendige Folge, das
Uebel, noch nicht vollendet ist, und von der
Besserung noch Rettung oder Milderung sich
erwarten läßt. Nachdem aber dieses Uebel also
vollendet ist, daß es uns auch die Möglichkeit
auf diese Weise fortzusündigen benimmt, wird
es zweklos, und sieht aus wie Schadenfreude,
gegen die nicht mehr zu begehende Sünde noch
ferner zu schelten; und die Betrachtung fällt
sodann ans dem Gebiete der Sittenlehre in

feſten Leitfaden, und ohne ſichere Gewißheit,
blind und traͤumend herumtappt.

Warum ſollten wir denn auch uns ſcheuen
vor dieſer Klarheit? Das Uebel wird durch
die Unbekanntſchaft damit nicht kleiner, noch
durch die Erkenntniß groͤßer; es wird nur heil¬
bar durch die leztere; die Schuld aber ſoll hier
gar nicht vorgeruͤkt werden. Zuͤchtige man
durch bittere Straf-Rede, durch beiſſenden
Spott, durch ſchneidende Verachtung die Traͤg¬
heit und die Selbſtſucht, und reize ſie, wenn
auch zu nichts beſſerem, doch wenigſtens zum
Haſſe und zur Erbitterung gegen den Erinnerer
ſelbſt, als doch auch einer kraͤftigen Regung,
an, — ſo lange die nothwendige Folge, das
Uebel, noch nicht vollendet iſt, und von der
Beſſerung noch Rettung oder Milderung ſich
erwarten laͤßt. Nachdem aber dieſes Uebel alſo
vollendet iſt, daß es uns auch die Moͤglichkeit
auf dieſe Weiſe fortzuſuͤndigen benimmt, wird
es zweklos, und ſieht aus wie Schadenfreude,
gegen die nicht mehr zu begehende Suͤnde noch
ferner zu ſchelten; und die Betrachtung faͤllt
ſodann ans dem Gebiete der Sittenlehre in

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[26/0032] feſten Leitfaden, und ohne ſichere Gewißheit, blind und traͤumend herumtappt. Warum ſollten wir denn auch uns ſcheuen vor dieſer Klarheit? Das Uebel wird durch die Unbekanntſchaft damit nicht kleiner, noch durch die Erkenntniß groͤßer; es wird nur heil¬ bar durch die leztere; die Schuld aber ſoll hier gar nicht vorgeruͤkt werden. Zuͤchtige man durch bittere Straf-Rede, durch beiſſenden Spott, durch ſchneidende Verachtung die Traͤg¬ heit und die Selbſtſucht, und reize ſie, wenn auch zu nichts beſſerem, doch wenigſtens zum Haſſe und zur Erbitterung gegen den Erinnerer ſelbſt, als doch auch einer kraͤftigen Regung, an, — ſo lange die nothwendige Folge, das Uebel, noch nicht vollendet iſt, und von der Beſſerung noch Rettung oder Milderung ſich erwarten laͤßt. Nachdem aber dieſes Uebel alſo vollendet iſt, daß es uns auch die Moͤglichkeit auf dieſe Weiſe fortzuſuͤndigen benimmt, wird es zweklos, und ſieht aus wie Schadenfreude, gegen die nicht mehr zu begehende Suͤnde noch ferner zu ſchelten; und die Betrachtung faͤllt ſodann ans dem Gebiete der Sittenlehre in

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/32>, abgerufen am 24.11.2024.