ihm hätte ich eben so gut, wie an Luther, oder falls es noch andere diesen gleichende gegeben hat, an irgend einem andern, die Grundzüge des deutschen Gemüths darlegen, und den er¬ freuenden Beweis führen können, daß dieses Gemüth in seiner ganzen wunderwirkenden Kraft in dem Umkreise der deutschen Zunge noch bis auf diesen Tag walte. Auch er hat ein mühvolles Leben hindurch, im Kampfe mit allen möglichen Hindernissen, von innen mit eigner hartnäkiger Unklarheit und Unbehol¬ fenheit, und selbst höchst spärlich ausgestattet mit den gewöhnlichsten Hülfsmitteln der ge¬ lehrten Erziehung, äußerlich mit anhalten¬ der Verkennung, gerungen nach einem bloß geahndeten ihm selbst durchaus unbewu߬ ten Ziele, aufrecht gehalten und getrieben durch einen unversiegbaren, und allmäch¬ tigen und deutschen Trieb, die Liebe zu dem armen verwahrlosten Volke. Diese all¬ mächtige Liebe hatte ihn, eben so wie Luthern, nur in einer andern und seiner Zeit angemeßne¬ ren Beziehung, zu ihrem Werkzeuge gemacht, und war das Leben geworden in seinem Leben, sie war der ihm selbst unbekannte feste und unwan¬
ihm haͤtte ich eben ſo gut, wie an Luther, oder falls es noch andere dieſen gleichende gegeben hat, an irgend einem andern, die Grundzuͤge des deutſchen Gemuͤths darlegen, und den er¬ freuenden Beweis fuͤhren koͤnnen, daß dieſes Gemuͤth in ſeiner ganzen wunderwirkenden Kraft in dem Umkreiſe der deutſchen Zunge noch bis auf dieſen Tag walte. Auch er hat ein muͤhvolles Leben hindurch, im Kampfe mit allen moͤglichen Hinderniſſen, von innen mit eigner hartnaͤkiger Unklarheit und Unbehol¬ fenheit, und ſelbſt hoͤchſt ſpaͤrlich ausgeſtattet mit den gewoͤhnlichſten Huͤlfsmitteln der ge¬ lehrten Erziehung, aͤußerlich mit anhalten¬ der Verkennung, gerungen nach einem bloß geahndeten ihm ſelbſt durchaus unbewu߬ ten Ziele, aufrecht gehalten und getrieben durch einen unverſiegbaren, und allmaͤch¬ tigen und deutſchen Trieb, die Liebe zu dem armen verwahrloſten Volke. Dieſe all¬ maͤchtige Liebe hatte ihn, eben ſo wie Luthern, nur in einer andern und ſeiner Zeit angemeßne¬ ren Beziehung, zu ihrem Werkzeuge gemacht, und war das Leben geworden in ſeinem Leben, ſie war der ihm ſelbſt unbekannte feſte und unwan¬
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ihm haͤtte ich eben ſo gut, wie an Luther, oder
falls es noch andere dieſen gleichende gegeben
hat, an irgend einem andern, die Grundzuͤge
des deutſchen Gemuͤths darlegen, und den er¬
freuenden Beweis fuͤhren koͤnnen, daß dieſes
Gemuͤth in ſeiner ganzen wunderwirkenden
Kraft in dem Umkreiſe der deutſchen Zunge noch
bis auf dieſen Tag walte. Auch er hat ein
muͤhvolles Leben hindurch, im Kampfe mit
allen moͤglichen Hinderniſſen, von innen mit
eigner hartnaͤkiger Unklarheit und Unbehol¬
fenheit, und ſelbſt hoͤchſt ſpaͤrlich ausgeſtattet
mit den gewoͤhnlichſten Huͤlfsmitteln der ge¬
lehrten Erziehung, aͤußerlich mit anhalten¬
der Verkennung, gerungen nach einem bloß
geahndeten ihm ſelbſt durchaus unbewu߬
ten Ziele, aufrecht gehalten und getrieben
durch einen unverſiegbaren, und allmaͤch¬
tigen und deutſchen Trieb, die Liebe zu
dem armen verwahrloſten Volke. Dieſe all¬
maͤchtige Liebe hatte ihn, eben ſo wie Luthern,
nur in einer andern und ſeiner Zeit angemeßne¬
ren Beziehung, zu ihrem Werkzeuge gemacht, und
war das Leben geworden in ſeinem Leben, ſie
war der ihm ſelbſt unbekannte feſte und unwan¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/300>, abgerufen am 25.11.2024.
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