Zeit, die es erleben wird, anders denken wird, denn sie.
Ob nun, so streng auch die Glieder dieses Beweises an einander schließen mögen, der¬ selbe auch andere ergreifen, und sie zur Thä¬ tigkeit aufregen werde, hängt zu allererst davon ab, ob es so etwas, wie wir deutsche Eigen¬ thümlichkeit, und deutsche Vaterlandsliebe geschildert haben, überhaupt gebe, und ob diese der Erhaltung und des Strebens dafür werth sey, oder nicht. Daß der -- auswärtige oder einheimische -- Ausländer diese Frage mit Nein beantwortet, versteht sich; aber dieser ist auch nicht mit zur Berathschlagung berufen. Uebrigens ist hiebei anzumerken, daß die Ent¬ scheidung über diese Frage keinesweges auf einer Beweisführung durch Begriffe beruht, welche hierin zwar klar machen, keinesweges aber über wirkliches Daseyn oder Werth Auskunft zu geben vermögen, sondern daß die leztern lediglich durch eines jeglichen unmittelbare Erfahrung an ihm selber bewährt werden können. In einem sol¬ chen Falle mögen Millionen sagen: es sey nicht, so kann dadurch niemals mehr gesagt
Zeit, die es erleben wird, anders denken wird, denn ſie.
Ob nun, ſo ſtreng auch die Glieder dieſes Beweiſes an einander ſchließen moͤgen, der¬ ſelbe auch andere ergreifen, und ſie zur Thaͤ¬ tigkeit aufregen werde, haͤngt zu allererſt davon ab, ob es ſo etwas, wie wir deutſche Eigen¬ thuͤmlichkeit, und deutſche Vaterlandsliebe geſchildert haben, uͤberhaupt gebe, und ob dieſe der Erhaltung und des Strebens dafuͤr werth ſey, oder nicht. Daß der — auswaͤrtige oder einheimiſche — Auslaͤnder dieſe Frage mit Nein beantwortet, verſteht ſich; aber dieſer iſt auch nicht mit zur Berathſchlagung berufen. Uebrigens iſt hiebei anzumerken, daß die Ent¬ ſcheidung uͤber dieſe Frage keinesweges auf einer Beweisfuͤhrung durch Begriffe beruht, welche hierin zwar klar machen, keinesweges aber uͤber wirkliches Daſeyn oder Werth Auskunft zu geben vermoͤgen, ſondern daß die leztern lediglich durch eines jeglichen unmittelbare Erfahrung an ihm ſelber bewaͤhrt werden koͤnnen. In einem ſol¬ chen Falle moͤgen Millionen ſagen: es ſey nicht, ſo kann dadurch niemals mehr geſagt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0293"n="287"/>
Zeit, die es erleben wird, anders denken wird,<lb/>
denn ſie.</p><lb/><p>Ob nun, ſo ſtreng auch die Glieder dieſes<lb/>
Beweiſes an einander ſchließen moͤgen, der¬<lb/>ſelbe auch andere ergreifen, und ſie zur Thaͤ¬<lb/>
tigkeit aufregen werde, haͤngt zu allererſt davon<lb/>
ab, ob es ſo etwas, wie wir deutſche Eigen¬<lb/>
thuͤmlichkeit, und deutſche Vaterlandsliebe<lb/>
geſchildert haben, uͤberhaupt gebe, und ob<lb/>
dieſe der Erhaltung und des Strebens dafuͤr<lb/>
werth ſey, oder nicht. Daß der — auswaͤrtige<lb/>
oder einheimiſche — Auslaͤnder dieſe Frage mit<lb/>
Nein beantwortet, verſteht ſich; aber dieſer iſt<lb/>
auch nicht mit zur Berathſchlagung berufen.<lb/>
Uebrigens iſt hiebei anzumerken, daß die Ent¬<lb/>ſcheidung uͤber dieſe Frage keinesweges auf einer<lb/>
Beweisfuͤhrung durch Begriffe beruht, welche<lb/>
hierin zwar klar machen, keinesweges aber uͤber<lb/>
wirkliches Daſeyn oder Werth Auskunft zu geben<lb/>
vermoͤgen, ſondern daß die leztern lediglich durch<lb/>
eines jeglichen unmittelbare Erfahrung an ihm<lb/>ſelber bewaͤhrt werden koͤnnen. In einem ſol¬<lb/>
chen Falle moͤgen Millionen ſagen: es ſey<lb/>
nicht, ſo kann dadurch niemals mehr geſagt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[287/0293]
Zeit, die es erleben wird, anders denken wird,
denn ſie.
Ob nun, ſo ſtreng auch die Glieder dieſes
Beweiſes an einander ſchließen moͤgen, der¬
ſelbe auch andere ergreifen, und ſie zur Thaͤ¬
tigkeit aufregen werde, haͤngt zu allererſt davon
ab, ob es ſo etwas, wie wir deutſche Eigen¬
thuͤmlichkeit, und deutſche Vaterlandsliebe
geſchildert haben, uͤberhaupt gebe, und ob
dieſe der Erhaltung und des Strebens dafuͤr
werth ſey, oder nicht. Daß der — auswaͤrtige
oder einheimiſche — Auslaͤnder dieſe Frage mit
Nein beantwortet, verſteht ſich; aber dieſer iſt
auch nicht mit zur Berathſchlagung berufen.
Uebrigens iſt hiebei anzumerken, daß die Ent¬
ſcheidung uͤber dieſe Frage keinesweges auf einer
Beweisfuͤhrung durch Begriffe beruht, welche
hierin zwar klar machen, keinesweges aber uͤber
wirkliches Daſeyn oder Werth Auskunft zu geben
vermoͤgen, ſondern daß die leztern lediglich durch
eines jeglichen unmittelbare Erfahrung an ihm
ſelber bewaͤhrt werden koͤnnen. In einem ſol¬
chen Falle moͤgen Millionen ſagen: es ſey
nicht, ſo kann dadurch niemals mehr geſagt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/293>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.