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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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ja, daß das göttliche sogar verkehrt, und zu
einem Werkzeuge des Bösen und noch tieferer
sittlicher Verderbniß werde gebraucht werden,
dennoch fortfahren in diesem Wirken, lediglich,
um das in uns ausgebrochene göttliche Leben
aufrecht zu erhalten, und in Beziehung auf
eine höhere Ordnung der Dinge in einer künf¬
tigen Welt, in welcher nichts in Gott geschehe¬
nes zu Grunde geht. So waren z. B. die
Apostel, und überhaupt die ersten Christen, durch
ihren Glauben an den Himmel, schon im Leben
gänzlich über die Erde hinweggesezt, und die
Angelegenheiten derselben, der Staat, irdisches
Vaterland, und Nation, waren von ihnen so
gänzlich aufgegeben, daß sie dieselben auch sogar
ihrer Beachtung nicht mehr würdigten. So
möglich dieses nun auch ist, und so leicht auch,
dem Glauben, und so freudig auch man sich
darein ergeben muß, wenn es einmal unabän¬
derlich der Wille Gottes ist, daß wir kein irdi¬
sches Vaterland mehr haben, und hienieden
ausgestoßne, und Knechte seyen: so ist dies
dennoch nicht der natürliche Zustand, und die
Regel des Weltganges, sondern es ist eine
seltne Ausnahme; auch ist es ein sehr verkehr¬

ja, daß das goͤttliche ſogar verkehrt, und zu
einem Werkzeuge des Boͤſen und noch tieferer
ſittlicher Verderbniß werde gebraucht werden,
dennoch fortfahren in dieſem Wirken, lediglich,
um das in uns ausgebrochene goͤttliche Leben
aufrecht zu erhalten, und in Beziehung auf
eine hoͤhere Ordnung der Dinge in einer kuͤnf¬
tigen Welt, in welcher nichts in Gott geſchehe¬
nes zu Grunde geht. So waren z. B. die
Apoſtel, und uͤberhaupt die erſten Chriſten, durch
ihren Glauben an den Himmel, ſchon im Leben
gaͤnzlich uͤber die Erde hinweggeſezt, und die
Angelegenheiten derſelben, der Staat, irdiſches
Vaterland, und Nation, waren von ihnen ſo
gaͤnzlich aufgegeben, daß ſie dieſelben auch ſogar
ihrer Beachtung nicht mehr wuͤrdigten. So
moͤglich dieſes nun auch iſt, und ſo leicht auch,
dem Glauben, und ſo freudig auch man ſich
darein ergeben muß, wenn es einmal unabaͤn¬
derlich der Wille Gottes iſt, daß wir kein irdi¬
ſches Vaterland mehr haben, und hienieden
ausgeſtoßne, und Knechte ſeyen: ſo iſt dies
dennoch nicht der natuͤrliche Zuſtand, und die
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[245/0251] ja, daß das goͤttliche ſogar verkehrt, und zu einem Werkzeuge des Boͤſen und noch tieferer ſittlicher Verderbniß werde gebraucht werden, dennoch fortfahren in dieſem Wirken, lediglich, um das in uns ausgebrochene goͤttliche Leben aufrecht zu erhalten, und in Beziehung auf eine hoͤhere Ordnung der Dinge in einer kuͤnf¬ tigen Welt, in welcher nichts in Gott geſchehe¬ nes zu Grunde geht. So waren z. B. die Apoſtel, und uͤberhaupt die erſten Chriſten, durch ihren Glauben an den Himmel, ſchon im Leben gaͤnzlich uͤber die Erde hinweggeſezt, und die Angelegenheiten derſelben, der Staat, irdiſches Vaterland, und Nation, waren von ihnen ſo gaͤnzlich aufgegeben, daß ſie dieſelben auch ſogar ihrer Beachtung nicht mehr wuͤrdigten. So moͤglich dieſes nun auch iſt, und ſo leicht auch, dem Glauben, und ſo freudig auch man ſich darein ergeben muß, wenn es einmal unabaͤn¬ derlich der Wille Gottes iſt, daß wir kein irdi¬ ſches Vaterland mehr haben, und hienieden ausgeſtoßne, und Knechte ſeyen: ſo iſt dies dennoch nicht der natuͤrliche Zuſtand, und die Regel des Weltganges, ſondern es iſt eine ſeltne Ausnahme; auch iſt es ein ſehr verkehr¬

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/251>, abgerufen am 25.11.2024.