ben, wir auch hierin keiner Nation nachstehen, so möchten für das Leben wir wohl gefühlt ha¬ ben, daß auch dies noch nicht das Rechte sey, und so lieber das Alte haben stehen lassen wol¬ len, bis das Vollkommne an uns käme, anstatt bloß die alte Mode mit einer neuen eben so hinfälligen Mode zu vertauschen.
Anders die ächt deutsche Staatskunst. Auch sie will Festigkeit, Sicherheit, und Unab¬ hängigkeit von der blinden und schwankenden Natur, und ist hierin mit dem Auslande ganz einverstanden. Nur will sie nicht, wie diese, ein festes und gewisses Ding, als das erste, durch welches der Geist, als das zweite Glied, erst gewiß gemacht werde, sondern sie will gleich von vorn herein, und als das allererste und einige Glied, einen festen und gewissen Geist. Dieser ist für sie die aus sich selbst lebende, und ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der Gesellschaft ordnen und fortbewegen wird. Sie begreift, daß sie diesen Geist nicht durch Straf¬ reden an die schon verwahrloste Erwachsenheit, sondern nur durch Erziehung des noch unver¬ dorbenen Jugend-Alters hervorbringen könne; und zwar will sie mit dieser Erziehung sich nicht,
ben, wir auch hierin keiner Nation nachſtehen, ſo moͤchten fuͤr das Leben wir wohl gefuͤhlt ha¬ ben, daß auch dies noch nicht das Rechte ſey, und ſo lieber das Alte haben ſtehen laſſen wol¬ len, bis das Vollkommne an uns kaͤme, anſtatt bloß die alte Mode mit einer neuen eben ſo hinfaͤlligen Mode zu vertauſchen.
Anders die aͤcht deutſche Staatskunſt. Auch ſie will Feſtigkeit, Sicherheit, und Unab¬ haͤngigkeit von der blinden und ſchwankenden Natur, und iſt hierin mit dem Auslande ganz einverſtanden. Nur will ſie nicht, wie dieſe, ein feſtes und gewiſſes Ding, als das erſte, durch welches der Geiſt, als das zweite Glied, erſt gewiß gemacht werde, ſondern ſie will gleich von vorn herein, und als das allererſte und einige Glied, einen feſten und gewiſſen Geiſt. Dieſer iſt fuͤr ſie die aus ſich ſelbſt lebende, und ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der Geſellſchaft ordnen und fortbewegen wird. Sie begreift, daß ſie dieſen Geiſt nicht durch Straf¬ reden an die ſchon verwahrloſte Erwachſenheit, ſondern nur durch Erziehung des noch unver¬ dorbenen Jugend-Alters hervorbringen koͤnne; und zwar will ſie mit dieſer Erziehung ſich nicht,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="221"/>
ben, wir auch hierin keiner Nation nachſtehen,<lb/>ſo moͤchten fuͤr das Leben wir wohl gefuͤhlt ha¬<lb/>
ben, daß auch dies noch nicht das Rechte ſey,<lb/>
und ſo lieber das Alte haben ſtehen laſſen wol¬<lb/>
len, bis das Vollkommne an uns kaͤme, anſtatt<lb/>
bloß die alte Mode mit einer neuen eben ſo<lb/>
hinfaͤlligen Mode zu vertauſchen.</p><lb/><p>Anders die aͤcht deutſche Staatskunſt.<lb/>
Auch ſie will Feſtigkeit, Sicherheit, und Unab¬<lb/>
haͤngigkeit von der blinden und ſchwankenden<lb/>
Natur, und iſt hierin mit dem Auslande ganz<lb/>
einverſtanden. Nur will ſie nicht, wie dieſe, ein<lb/>
feſtes und gewiſſes Ding, als das erſte, durch<lb/>
welches der Geiſt, als das zweite Glied, erſt<lb/>
gewiß gemacht werde, ſondern ſie will gleich<lb/>
von vorn herein, und als das allererſte und<lb/>
einige Glied, einen feſten und gewiſſen Geiſt.<lb/>
Dieſer iſt fuͤr ſie die aus ſich ſelbſt lebende, und<lb/>
ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der<lb/>
Geſellſchaft ordnen und fortbewegen wird. Sie<lb/>
begreift, daß ſie dieſen Geiſt nicht durch Straf¬<lb/>
reden an die ſchon verwahrloſte Erwachſenheit,<lb/>ſondern nur durch Erziehung des noch unver¬<lb/>
dorbenen Jugend-Alters hervorbringen koͤnne;<lb/>
und zwar will ſie mit dieſer Erziehung ſich nicht,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[221/0227]
ben, wir auch hierin keiner Nation nachſtehen,
ſo moͤchten fuͤr das Leben wir wohl gefuͤhlt ha¬
ben, daß auch dies noch nicht das Rechte ſey,
und ſo lieber das Alte haben ſtehen laſſen wol¬
len, bis das Vollkommne an uns kaͤme, anſtatt
bloß die alte Mode mit einer neuen eben ſo
hinfaͤlligen Mode zu vertauſchen.
Anders die aͤcht deutſche Staatskunſt.
Auch ſie will Feſtigkeit, Sicherheit, und Unab¬
haͤngigkeit von der blinden und ſchwankenden
Natur, und iſt hierin mit dem Auslande ganz
einverſtanden. Nur will ſie nicht, wie dieſe, ein
feſtes und gewiſſes Ding, als das erſte, durch
welches der Geiſt, als das zweite Glied, erſt
gewiß gemacht werde, ſondern ſie will gleich
von vorn herein, und als das allererſte und
einige Glied, einen feſten und gewiſſen Geiſt.
Dieſer iſt fuͤr ſie die aus ſich ſelbſt lebende, und
ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der
Geſellſchaft ordnen und fortbewegen wird. Sie
begreift, daß ſie dieſen Geiſt nicht durch Straf¬
reden an die ſchon verwahrloſte Erwachſenheit,
ſondern nur durch Erziehung des noch unver¬
dorbenen Jugend-Alters hervorbringen koͤnne;
und zwar will ſie mit dieſer Erziehung ſich nicht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/227>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.