Das war im ganzen das Verhältniß des Urvolks der neuen Welt zum Fortgange der Bildung dieser Welt, daß das erstere durch unvollständige und auf der Oberfläche verblei¬ bende Bestrebungen des Auslandes erst ange¬ regt werde zu tiefern aus seiner eignen Mitte heraus zu entwikelnden Schöpfungen. Da von der Anregung bis zur Schöpfung es ohne Zweifel seine Zeit dauert, so ist klar, daß ein solches Verhältniß Zeiträume herbei führen werde, in welchem das Urvolk fast ganz mit dem Auslande verflossen, und demselben gleich erscheinen müsse, weil es nemlich gerade im Zustande des bloßen Angeregtseyns sich befin¬ det, und die dabei beabsichtigte Schöpfung noch nicht zum Durchbruche gekommen ist. In einem solchen Zeitraume befindet sich nun ge¬ rade jezt Deutschland in Absicht der großen Mehrzahl seiner gebildeten Bewohner, und daher rühren die durch das ganze innere We¬ sen und Leben dieser Mehrzahl verflossenen Er¬ scheinungen der Ausländerei. Die Philosophie, als freies, von allen Fesseln des Glaubens an fremdes Ansehen erledigtes Denken, sey es, wo¬ durch dermalen das Ausland sein Mutterland
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Das war im ganzen das Verhaͤltniß des Urvolks der neuen Welt zum Fortgange der Bildung dieſer Welt, daß das erſtere durch unvollſtaͤndige und auf der Oberflaͤche verblei¬ bende Beſtrebungen des Auslandes erſt ange¬ regt werde zu tiefern aus ſeiner eignen Mitte heraus zu entwikelnden Schoͤpfungen. Da von der Anregung bis zur Schoͤpfung es ohne Zweifel ſeine Zeit dauert, ſo iſt klar, daß ein ſolches Verhaͤltniß Zeitraͤume herbei fuͤhren werde, in welchem das Urvolk faſt ganz mit dem Auslande verfloſſen, und demſelben gleich erſcheinen muͤſſe, weil es nemlich gerade im Zuſtande des bloßen Angeregtſeyns ſich befin¬ det, und die dabei beabſichtigte Schoͤpfung noch nicht zum Durchbruche gekommen iſt. In einem ſolchen Zeitraume befindet ſich nun ge¬ rade jezt Deutſchland in Abſicht der großen Mehrzahl ſeiner gebildeten Bewohner, und daher ruͤhren die durch das ganze innere We¬ ſen und Leben dieſer Mehrzahl verfloſſenen Er¬ ſcheinungen der Auslaͤnderei. Die Philoſophie, als freies, von allen Feſſeln des Glaubens an fremdes Anſehen erledigtes Denken, ſey es, wo¬ durch dermalen das Ausland ſein Mutterland
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[209/0215]
Das war im ganzen das Verhaͤltniß des
Urvolks der neuen Welt zum Fortgange der
Bildung dieſer Welt, daß das erſtere durch
unvollſtaͤndige und auf der Oberflaͤche verblei¬
bende Beſtrebungen des Auslandes erſt ange¬
regt werde zu tiefern aus ſeiner eignen Mitte
heraus zu entwikelnden Schoͤpfungen. Da
von der Anregung bis zur Schoͤpfung es ohne
Zweifel ſeine Zeit dauert, ſo iſt klar, daß ein
ſolches Verhaͤltniß Zeitraͤume herbei fuͤhren
werde, in welchem das Urvolk faſt ganz mit
dem Auslande verfloſſen, und demſelben gleich
erſcheinen muͤſſe, weil es nemlich gerade im
Zuſtande des bloßen Angeregtſeyns ſich befin¬
det, und die dabei beabſichtigte Schoͤpfung
noch nicht zum Durchbruche gekommen iſt. In
einem ſolchen Zeitraume befindet ſich nun ge¬
rade jezt Deutſchland in Abſicht der großen
Mehrzahl ſeiner gebildeten Bewohner, und
daher ruͤhren die durch das ganze innere We¬
ſen und Leben dieſer Mehrzahl verfloſſenen Er¬
ſcheinungen der Auslaͤnderei. Die Philoſophie,
als freies, von allen Feſſeln des Glaubens an
fremdes Anſehen erledigtes Denken, ſey es, wo¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/215>, abgerufen am 22.12.2024.
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