stand die Ausgabe das, freilich nicht auf fremdes Ansehen zu glaubende, Uebersinn¬ liche in der Vernunft selbst aufzusuchen, und so erst eigentliche Philosophie zu erschaffen, indem man, wie es seyn sollte, das freie Denken zur Quelle unabhängiger Wahrheit machte. Dahin strebte Leibniz, im Kampfe mit jener ausländischen Philosophie; dies erreichte der eigentliche Stifter der neuen deutschen Philosophie, nicht ohne das Geständniß, durch eine Aeußerung des Auslandes, die inzwi¬ schen tiefer genommen worden, als sie ge¬ meint gewesen, angeregt worden zu seyn. Seitdem ist unter uns die Aufgabe vollstän¬ dig gelößt, und die Philosophie vollendet wor¬ den, welches man indessen sich begnügen muß, zu sagen, bis ein Zeitalter kommt, das es begreift. Dies vorausgesezt, so wäre abermals durch Anregung des durch das Neurömische Ausland hindurch gegangenen Alterthums im Deutschen Mutterlande die Schöpfung eines vorher durchaus nicht dage¬ wesenen neuen erfolgt.
Unter den Augen der Zeitgenossen hat
ſtand die Ausgabe das, freilich nicht auf fremdes Anſehen zu glaubende, Ueberſinn¬ liche in der Vernunft ſelbſt aufzuſuchen, und ſo erſt eigentliche Philoſophie zu erſchaffen, indem man, wie es ſeyn ſollte, das freie Denken zur Quelle unabhaͤngiger Wahrheit machte. Dahin ſtrebte Leibniz, im Kampfe mit jener auslaͤndiſchen Philoſophie; dies erreichte der eigentliche Stifter der neuen deutſchen Philoſophie, nicht ohne das Geſtaͤndniß, durch eine Aeußerung des Auslandes, die inzwi¬ ſchen tiefer genommen worden, als ſie ge¬ meint geweſen, angeregt worden zu ſeyn. Seitdem iſt unter uns die Aufgabe vollſtaͤn¬ dig geloͤßt, und die Philoſophie vollendet wor¬ den, welches man indeſſen ſich begnuͤgen muß, zu ſagen, bis ein Zeitalter kommt, das es begreift. Dies vorausgeſezt, ſo waͤre abermals durch Anregung des durch das Neuroͤmiſche Ausland hindurch gegangenen Alterthums im Deutſchen Mutterlande die Schoͤpfung eines vorher durchaus nicht dage¬ weſenen neuen erfolgt.
Unter den Augen der Zeitgenoſſen hat
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0202"n="196"/>ſtand die Ausgabe das, freilich nicht auf<lb/>
fremdes Anſehen zu glaubende, Ueberſinn¬<lb/>
liche in der Vernunft ſelbſt aufzuſuchen, und<lb/>ſo erſt eigentliche Philoſophie zu erſchaffen,<lb/>
indem man, wie es ſeyn ſollte, das freie<lb/>
Denken zur Quelle unabhaͤngiger Wahrheit<lb/>
machte. Dahin ſtrebte Leibniz, im Kampfe mit<lb/>
jener auslaͤndiſchen Philoſophie; dies erreichte<lb/>
der eigentliche Stifter der neuen deutſchen<lb/>
Philoſophie, nicht ohne das Geſtaͤndniß, durch<lb/>
eine Aeußerung des Auslandes, die inzwi¬<lb/>ſchen tiefer genommen worden, als ſie ge¬<lb/>
meint geweſen, angeregt worden zu ſeyn.<lb/>
Seitdem iſt unter uns die Aufgabe vollſtaͤn¬<lb/>
dig geloͤßt, und die Philoſophie vollendet wor¬<lb/>
den, welches man indeſſen ſich begnuͤgen<lb/>
muß, zu ſagen, bis ein Zeitalter kommt,<lb/>
das es begreift. Dies vorausgeſezt, ſo waͤre<lb/>
abermals durch Anregung des durch das<lb/>
Neuroͤmiſche Ausland hindurch gegangenen<lb/>
Alterthums im Deutſchen Mutterlande die<lb/>
Schoͤpfung eines vorher durchaus nicht dage¬<lb/>
weſenen neuen erfolgt.</p><lb/><p>Unter den Augen der Zeitgenoſſen hat<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0202]
ſtand die Ausgabe das, freilich nicht auf
fremdes Anſehen zu glaubende, Ueberſinn¬
liche in der Vernunft ſelbſt aufzuſuchen, und
ſo erſt eigentliche Philoſophie zu erſchaffen,
indem man, wie es ſeyn ſollte, das freie
Denken zur Quelle unabhaͤngiger Wahrheit
machte. Dahin ſtrebte Leibniz, im Kampfe mit
jener auslaͤndiſchen Philoſophie; dies erreichte
der eigentliche Stifter der neuen deutſchen
Philoſophie, nicht ohne das Geſtaͤndniß, durch
eine Aeußerung des Auslandes, die inzwi¬
ſchen tiefer genommen worden, als ſie ge¬
meint geweſen, angeregt worden zu ſeyn.
Seitdem iſt unter uns die Aufgabe vollſtaͤn¬
dig geloͤßt, und die Philoſophie vollendet wor¬
den, welches man indeſſen ſich begnuͤgen
muß, zu ſagen, bis ein Zeitalter kommt,
das es begreift. Dies vorausgeſezt, ſo waͤre
abermals durch Anregung des durch das
Neuroͤmiſche Ausland hindurch gegangenen
Alterthums im Deutſchen Mutterlande die
Schoͤpfung eines vorher durchaus nicht dage¬
weſenen neuen erfolgt.
Unter den Augen der Zeitgenoſſen hat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/202>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.