Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Kämpfe der Gewissensangst, die ihm sein
kühnes Losreißen von dem ganzen bisherigen
Glauben verursachte, bestanden hatte, sind
alle seine Aeußerungen voll eines Jubels
und Triumphs über die erlangte Freiheit der
Kinder Gottes, welche die Seeligkeit gewiß
nicht mehr außer sich und jenseit des Gra¬
bes suchten, sondern der Ausbruch des un¬
mittelbaren Gefühls derselben waren. Er ist
hierin das Vorbild aller künftigen Zeitalter
geworden, und hat für uns alle vollendet. --
Sehen Sie auch hier einen Grundzug des
deutschen Geistes. Wenn er nur sucht, so
findet er mehr, als er suchte; denn er geräth
hinein in den Strom lebendigen Lebens, das
durch sich selbst fortrinnt, und ihn mit sich
fortreißt.

Dem Pabstthume, dieses nach seiner eig¬
nen Gesinnung genommen, und beurtheilt,
geschahe durch die Weise, wie die Reforma¬
tion dasselbe nahm, ohne Zweifel unrecht.
Die Aeußerungen desselben waren wohl grö߬
tentheils aus der vorliegenden Sprache blind
herausgerissen, asiatisch rednerisch übertrei¬

Kaͤmpfe der Gewiſſensangſt, die ihm ſein
kuͤhnes Losreißen von dem ganzen bisherigen
Glauben verurſachte, beſtanden hatte, ſind
alle ſeine Aeußerungen voll eines Jubels
und Triumphs uͤber die erlangte Freiheit der
Kinder Gottes, welche die Seeligkeit gewiß
nicht mehr außer ſich und jenſeit des Gra¬
bes ſuchten, ſondern der Ausbruch des un¬
mittelbaren Gefuͤhls derſelben waren. Er iſt
hierin das Vorbild aller kuͤnftigen Zeitalter
geworden, und hat fuͤr uns alle vollendet. —
Sehen Sie auch hier einen Grundzug des
deutſchen Geiſtes. Wenn er nur ſucht, ſo
findet er mehr, als er ſuchte; denn er geraͤth
hinein in den Strom lebendigen Lebens, das
durch ſich ſelbſt fortrinnt, und ihn mit ſich
fortreißt.

Dem Pabſtthume, dieſes nach ſeiner eig¬
nen Geſinnung genommen, und beurtheilt,
geſchahe durch die Weiſe, wie die Reforma¬
tion daſſelbe nahm, ohne Zweifel unrecht.
Die Aeußerungen deſſelben waren wohl groͤ߬
tentheils aus der vorliegenden Sprache blind
herausgeriſſen, aſiatiſch redneriſch uͤbertrei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="189"/>
Ka&#x0364;mpfe der Gewi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t, die ihm &#x017F;ein<lb/>
ku&#x0364;hnes Losreißen von dem ganzen bisherigen<lb/>
Glauben verur&#x017F;achte, be&#x017F;tanden hatte, &#x017F;ind<lb/>
alle &#x017F;eine Aeußerungen voll eines Jubels<lb/>
und Triumphs u&#x0364;ber die erlangte Freiheit der<lb/>
Kinder Gottes, welche die Seeligkeit gewiß<lb/>
nicht mehr außer &#x017F;ich und jen&#x017F;eit des Gra¬<lb/>
bes &#x017F;uchten, &#x017F;ondern der Ausbruch des un¬<lb/>
mittelbaren Gefu&#x0364;hls der&#x017F;elben waren. Er i&#x017F;t<lb/>
hierin das Vorbild aller ku&#x0364;nftigen Zeitalter<lb/>
geworden, und hat fu&#x0364;r uns alle vollendet. &#x2014;<lb/>
Sehen Sie auch hier einen Grundzug des<lb/>
deut&#x017F;chen Gei&#x017F;tes. Wenn er nur &#x017F;ucht, &#x017F;o<lb/>
findet er mehr, als er &#x017F;uchte; denn er gera&#x0364;th<lb/>
hinein in den Strom lebendigen Lebens, das<lb/>
durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t fortrinnt, und ihn mit &#x017F;ich<lb/>
fortreißt.</p><lb/>
        <p>Dem Pab&#x017F;tthume, die&#x017F;es nach &#x017F;einer eig¬<lb/>
nen Ge&#x017F;innung genommen, und beurtheilt,<lb/>
ge&#x017F;chahe durch die Wei&#x017F;e, wie die Reforma¬<lb/>
tion da&#x017F;&#x017F;elbe nahm, ohne Zweifel unrecht.<lb/>
Die Aeußerungen de&#x017F;&#x017F;elben waren wohl gro&#x0364;߬<lb/>
tentheils aus der vorliegenden Sprache blind<lb/>
herausgeri&#x017F;&#x017F;en, a&#x017F;iati&#x017F;ch redneri&#x017F;ch u&#x0364;bertrei¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0195] Kaͤmpfe der Gewiſſensangſt, die ihm ſein kuͤhnes Losreißen von dem ganzen bisherigen Glauben verurſachte, beſtanden hatte, ſind alle ſeine Aeußerungen voll eines Jubels und Triumphs uͤber die erlangte Freiheit der Kinder Gottes, welche die Seeligkeit gewiß nicht mehr außer ſich und jenſeit des Gra¬ bes ſuchten, ſondern der Ausbruch des un¬ mittelbaren Gefuͤhls derſelben waren. Er iſt hierin das Vorbild aller kuͤnftigen Zeitalter geworden, und hat fuͤr uns alle vollendet. — Sehen Sie auch hier einen Grundzug des deutſchen Geiſtes. Wenn er nur ſucht, ſo findet er mehr, als er ſuchte; denn er geraͤth hinein in den Strom lebendigen Lebens, das durch ſich ſelbſt fortrinnt, und ihn mit ſich fortreißt. Dem Pabſtthume, dieſes nach ſeiner eig¬ nen Geſinnung genommen, und beurtheilt, geſchahe durch die Weiſe, wie die Reforma¬ tion daſſelbe nahm, ohne Zweifel unrecht. Die Aeußerungen deſſelben waren wohl groͤ߬ tentheils aus der vorliegenden Sprache blind herausgeriſſen, aſiatiſch redneriſch uͤbertrei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/195
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/195>, abgerufen am 25.11.2024.