Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

stammter Aberglaube sie begünstigte, und so
wurde sie denn an dieselben gebracht, als ein
zum Römer, das sie nun einmal seyn wollten,
eben auch gehöriges Stük, ohne sonderlichen
Einfluß auf ihr Leben. Daß diese christlichen
Erzieher von der alt Römischen Bildung, und
dem Sprachverständnisse, als dem Behälter
derselben, nicht mehr an diese Neubekehrten
kommen ließen, als mit ihren Absichten sich
vertrug, versteht sich von selbst; und auch hierin
liegt ein Grund des Verfalls und der Ertödtung
der Römischen Sprache in ihrem Munde. Als
späterhin die ächten und unverfälschten Denk¬
male der alten Bildung in die Hände dieser
Völker fielen, und dadurch der Trieb, selbst¬
thätig zu denken, und zu begreifen, in ihnen
angeregt wurde, so mußte, da ihnen theils die¬
ser Trieb neu und frisch war, theils kein ange¬
stammtes Erschrecken vor den Göttern ihm
das Gegengewicht hielt, der Widerspruch eines
blinden Glaubens, und der sonderbaren Dinge,
welche im Verlaufe der Zeiten zu Gegenständen
desselben geworden waren, dieselben weit här¬
ter treffen, denn sogar die Römer, als an diese

M 2

ſtammter Aberglaube ſie beguͤnſtigte, und ſo
wurde ſie denn an dieſelben gebracht, als ein
zum Roͤmer, das ſie nun einmal ſeyn wollten,
eben auch gehoͤriges Stuͤk, ohne ſonderlichen
Einfluß auf ihr Leben. Daß dieſe chriſtlichen
Erzieher von der alt Roͤmiſchen Bildung, und
dem Sprachverſtaͤndniſſe, als dem Behaͤlter
derſelben, nicht mehr an dieſe Neubekehrten
kommen ließen, als mit ihren Abſichten ſich
vertrug, verſteht ſich von ſelbſt; und auch hierin
liegt ein Grund des Verfalls und der Ertoͤdtung
der Roͤmiſchen Sprache in ihrem Munde. Als
ſpaͤterhin die aͤchten und unverfaͤlſchten Denk¬
male der alten Bildung in die Haͤnde dieſer
Voͤlker fielen, und dadurch der Trieb, ſelbſt¬
thaͤtig zu denken, und zu begreifen, in ihnen
angeregt wurde, ſo mußte, da ihnen theils die¬
ſer Trieb neu und friſch war, theils kein ange¬
ſtammtes Erſchrecken vor den Goͤttern ihm
das Gegengewicht hielt, der Widerſpruch eines
blinden Glaubens, und der ſonderbaren Dinge,
welche im Verlaufe der Zeiten zu Gegenſtaͤnden
deſſelben geworden waren, dieſelben weit haͤr¬
ter treffen, denn ſogar die Roͤmer, als an dieſe

M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="179"/>
&#x017F;tammter Aberglaube &#x017F;ie begu&#x0364;n&#x017F;tigte, und &#x017F;o<lb/>
wurde &#x017F;ie denn an die&#x017F;elben gebracht, als ein<lb/>
zum Ro&#x0364;mer, das &#x017F;ie nun einmal &#x017F;eyn wollten,<lb/>
eben auch geho&#x0364;riges Stu&#x0364;k, ohne &#x017F;onderlichen<lb/>
Einfluß auf ihr Leben. Daß die&#x017F;e chri&#x017F;tlichen<lb/>
Erzieher von der alt Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bildung, und<lb/>
dem Sprachver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e, als dem Beha&#x0364;lter<lb/>
der&#x017F;elben, nicht mehr an die&#x017F;e Neubekehrten<lb/>
kommen ließen, als mit ihren Ab&#x017F;ichten &#x017F;ich<lb/>
vertrug, ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t; und auch hierin<lb/>
liegt ein Grund des Verfalls und der Erto&#x0364;dtung<lb/>
der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Sprache in ihrem Munde. Als<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;terhin die a&#x0364;chten und unverfa&#x0364;l&#x017F;chten Denk¬<lb/>
male der alten Bildung in die Ha&#x0364;nde die&#x017F;er<lb/>
Vo&#x0364;lker fielen, und dadurch der Trieb, &#x017F;elb&#x017F;<lb/>
tha&#x0364;tig zu denken, und zu begreifen, in ihnen<lb/>
angeregt wurde, &#x017F;o mußte, da ihnen theils die¬<lb/>
&#x017F;er Trieb neu und fri&#x017F;ch war, theils kein ange¬<lb/>
&#x017F;tammtes Er&#x017F;chrecken vor den Go&#x0364;ttern ihm<lb/>
das Gegengewicht hielt, der Wider&#x017F;pruch eines<lb/>
blinden Glaubens, und der &#x017F;onderbaren Dinge,<lb/>
welche im Verlaufe der Zeiten zu Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben geworden waren, die&#x017F;elben weit ha&#x0364;<lb/>
ter treffen, denn &#x017F;ogar die Ro&#x0364;mer, als an die&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0185] ſtammter Aberglaube ſie beguͤnſtigte, und ſo wurde ſie denn an dieſelben gebracht, als ein zum Roͤmer, das ſie nun einmal ſeyn wollten, eben auch gehoͤriges Stuͤk, ohne ſonderlichen Einfluß auf ihr Leben. Daß dieſe chriſtlichen Erzieher von der alt Roͤmiſchen Bildung, und dem Sprachverſtaͤndniſſe, als dem Behaͤlter derſelben, nicht mehr an dieſe Neubekehrten kommen ließen, als mit ihren Abſichten ſich vertrug, verſteht ſich von ſelbſt; und auch hierin liegt ein Grund des Verfalls und der Ertoͤdtung der Roͤmiſchen Sprache in ihrem Munde. Als ſpaͤterhin die aͤchten und unverfaͤlſchten Denk¬ male der alten Bildung in die Haͤnde dieſer Voͤlker fielen, und dadurch der Trieb, ſelbſt¬ thaͤtig zu denken, und zu begreifen, in ihnen angeregt wurde, ſo mußte, da ihnen theils die¬ ſer Trieb neu und friſch war, theils kein ange¬ ſtammtes Erſchrecken vor den Goͤttern ihm das Gegengewicht hielt, der Widerſpruch eines blinden Glaubens, und der ſonderbaren Dinge, welche im Verlaufe der Zeiten zu Gegenſtaͤnden deſſelben geworden waren, dieſelben weit haͤr¬ ter treffen, denn ſogar die Roͤmer, als an dieſe M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/185
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/185>, abgerufen am 09.11.2024.