darum die gebildeten Stände gar keine wahr¬ haft liebende Theilnahme an ihnen, und keinen Trieb haben, ihnen gründlich zu helfen, indem sie eben glauben, daß ihnen, wegen ursprüng¬ licher Ungleichheit, gar nicht zu helfen sey, und daß die Gebildeten vielmehr gereizt werden, dieselben zu brauchen, wie sie sind, und sie also brauchen zu lassen. Auch diese Folge der Er¬ tödtung der Sprache kann beim Beginnen des neuen Volkes durch eine menschenfreundliche Religion, und durch den Mangel an eigner Gewandheit der höhern Stände gemildert wer¬ den, im Fortgange aber wird diese Verach¬ tung des Volkes immer unverholner und grau¬ samer. Mit diesem allgemeinen Grunde des Sicherhebens und Vornehmthuns der gebilde¬ ten Stände hat noch ein besonderer sich verei¬ nigt, welcher, da er auch selbst auf die Deut¬ schen einen sehr verbreiteten Einfluß gehabt, hier nicht übergangen werden darf. Nemlich die Römer, welche anfangs den Griechen ge¬ genüber, sehr unbefangen jenen nachsprechend, sich selbst Barbaren, und ihre eigne Sprache barbarisch nannten, gaben nachher die auf sich geladene Benennung weiter, und fanden bei
den
darum die gebildeten Staͤnde gar keine wahr¬ haft liebende Theilnahme an ihnen, und keinen Trieb haben, ihnen gruͤndlich zu helfen, indem ſie eben glauben, daß ihnen, wegen urſpruͤng¬ licher Ungleichheit, gar nicht zu helfen ſey, und daß die Gebildeten vielmehr gereizt werden, dieſelben zu brauchen, wie ſie ſind, und ſie alſo brauchen zu laſſen. Auch dieſe Folge der Er¬ toͤdtung der Sprache kann beim Beginnen des neuen Volkes durch eine menſchenfreundliche Religion, und durch den Mangel an eigner Gewandheit der hoͤhern Staͤnde gemildert wer¬ den, im Fortgange aber wird dieſe Verach¬ tung des Volkes immer unverholner und grau¬ ſamer. Mit dieſem allgemeinen Grunde des Sicherhebens und Vornehmthuns der gebilde¬ ten Staͤnde hat noch ein beſonderer ſich verei¬ nigt, welcher, da er auch ſelbſt auf die Deut¬ ſchen einen ſehr verbreiteten Einfluß gehabt, hier nicht uͤbergangen werden darf. Nemlich die Roͤmer, welche anfangs den Griechen ge¬ genuͤber, ſehr unbefangen jenen nachſprechend, ſich ſelbſt Barbaren, und ihre eigne Sprache barbariſch nannten, gaben nachher die auf ſich geladene Benennung weiter, und fanden bei
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darum die gebildeten Staͤnde gar keine wahr¬
haft liebende Theilnahme an ihnen, und keinen
Trieb haben, ihnen gruͤndlich zu helfen, indem
ſie eben glauben, daß ihnen, wegen urſpruͤng¬
licher Ungleichheit, gar nicht zu helfen ſey, und
daß die Gebildeten vielmehr gereizt werden,
dieſelben zu brauchen, wie ſie ſind, und ſie alſo
brauchen zu laſſen. Auch dieſe Folge der Er¬
toͤdtung der Sprache kann beim Beginnen des
neuen Volkes durch eine menſchenfreundliche
Religion, und durch den Mangel an eigner
Gewandheit der hoͤhern Staͤnde gemildert wer¬
den, im Fortgange aber wird dieſe Verach¬
tung des Volkes immer unverholner und grau¬
ſamer. Mit dieſem allgemeinen Grunde des
Sicherhebens und Vornehmthuns der gebilde¬
ten Staͤnde hat noch ein beſonderer ſich verei¬
nigt, welcher, da er auch ſelbſt auf die Deut¬
ſchen einen ſehr verbreiteten Einfluß gehabt,
hier nicht uͤbergangen werden darf. Nemlich
die Roͤmer, welche anfangs den Griechen ge¬
genuͤber, ſehr unbefangen jenen nachſprechend,
ſich ſelbſt Barbaren, und ihre eigne Sprache
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/166>, abgerufen am 22.11.2024.
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