Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

es scheinen, daß Wissenschaft und Kunst da
seyen, als Mittel für das thätige Leben, als
Zweck. Nun aber ist in dieser Form der Thä¬
tigkeit das Leben selber niemals vollendet, und
zur Einheit geschlossen, sondern es geht fort ins
Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine
solche geschloßne Einheit da seyn, so muß es
also da seyn in einer andern Form. Diese
Form ist nun die des reinen Gedankens, der die
in der dritten Rede beschriebene Religions-Ein¬
sicht giebt; eine Form, die als geschloßne Ein¬
heit mit der Unendlichkeit des Thuns schlecht¬
hin auseinander fällt, und in dem leztern, dem
Thun, niemals vollständig ausgedrückt werden
kann. Beide demnach, der Gedanke, so wie
die Thätigkeit, sind nur in der Erscheinung aus¬
einanderfaltende Formen, jenseit der Erschei¬
nung aber sind sie, eine wie die andere, das¬
selbe Eine absolute Leben; und man kann gar
nicht sagen, daß der Gedanke um des Thuns,
oder das Thun um des Gedankens willen sey,
und also sey, sondern daß beides schlechthin
seyn solle, indem auch in der Erscheinung das
Leben ein vollendetes Ganzes seyn solle, also,
wie es dies ist jenseit aller Erscheinung. In¬

es ſcheinen, daß Wiſſenſchaft und Kunſt da
ſeyen, als Mittel fuͤr das thaͤtige Leben, als
Zweck. Nun aber iſt in dieſer Form der Thaͤ¬
tigkeit das Leben ſelber niemals vollendet, und
zur Einheit geſchloſſen, ſondern es geht fort ins
Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine
ſolche geſchloßne Einheit da ſeyn, ſo muß es
alſo da ſeyn in einer andern Form. Dieſe
Form iſt nun die des reinen Gedankens, der die
in der dritten Rede beſchriebene Religions-Ein¬
ſicht giebt; eine Form, die als geſchloßne Ein¬
heit mit der Unendlichkeit des Thuns ſchlecht¬
hin auseinander faͤllt, und in dem leztern, dem
Thun, niemals vollſtaͤndig ausgedruͤckt werden
kann. Beide demnach, der Gedanke, ſo wie
die Thaͤtigkeit, ſind nur in der Erſcheinung aus¬
einanderfaltende Formen, jenſeit der Erſchei¬
nung aber ſind ſie, eine wie die andere, daſ¬
ſelbe Eine abſolute Leben; und man kann gar
nicht ſagen, daß der Gedanke um des Thuns,
oder das Thun um des Gedankens willen ſey,
und alſo ſey, ſondern daß beides ſchlechthin
ſeyn ſolle, indem auch in der Erſcheinung das
Leben ein vollendetes Ganzes ſeyn ſolle, alſo,
wie es dies iſt jenſeit aller Erſcheinung. In¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="150"/>
es &#x017F;cheinen, daß Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft und Kun&#x017F;t da<lb/>
&#x017F;eyen, als Mittel fu&#x0364;r das tha&#x0364;tige Leben, als<lb/>
Zweck. Nun aber i&#x017F;t in die&#x017F;er Form der Tha&#x0364;¬<lb/>
tigkeit das Leben &#x017F;elber niemals vollendet, und<lb/>
zur Einheit ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern es geht fort ins<lb/>
Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine<lb/>
&#x017F;olche ge&#x017F;chloßne Einheit da &#x017F;eyn, &#x017F;o muß es<lb/>
al&#x017F;o da &#x017F;eyn in einer andern Form. Die&#x017F;e<lb/>
Form i&#x017F;t nun die des reinen Gedankens, der die<lb/>
in der dritten Rede be&#x017F;chriebene Religions-Ein¬<lb/>
&#x017F;icht giebt; eine Form, die als ge&#x017F;chloßne Ein¬<lb/>
heit mit der Unendlichkeit des Thuns &#x017F;chlecht¬<lb/>
hin auseinander fa&#x0364;llt, und in dem leztern, dem<lb/>
Thun, niemals voll&#x017F;ta&#x0364;ndig ausgedru&#x0364;ckt werden<lb/>
kann. Beide demnach, der Gedanke, &#x017F;o wie<lb/>
die Tha&#x0364;tigkeit, &#x017F;ind nur in der Er&#x017F;cheinung aus¬<lb/>
einanderfaltende Formen, jen&#x017F;eit der Er&#x017F;chei¬<lb/>
nung aber &#x017F;ind &#x017F;ie, eine wie die andere, da&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;elbe Eine ab&#x017F;olute Leben; und man kann gar<lb/>
nicht &#x017F;agen, daß der Gedanke um des Thuns,<lb/>
oder das Thun um des Gedankens willen &#x017F;ey,<lb/>
und al&#x017F;o &#x017F;ey, &#x017F;ondern daß beides &#x017F;chlechthin<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;olle, indem auch in der Er&#x017F;cheinung das<lb/>
Leben ein vollendetes Ganzes &#x017F;eyn &#x017F;olle, al&#x017F;o,<lb/>
wie es dies i&#x017F;t jen&#x017F;eit aller Er&#x017F;cheinung. In¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0156] es ſcheinen, daß Wiſſenſchaft und Kunſt da ſeyen, als Mittel fuͤr das thaͤtige Leben, als Zweck. Nun aber iſt in dieſer Form der Thaͤ¬ tigkeit das Leben ſelber niemals vollendet, und zur Einheit geſchloſſen, ſondern es geht fort ins Unendliche. Soll nun doch das Leben als eine ſolche geſchloßne Einheit da ſeyn, ſo muß es alſo da ſeyn in einer andern Form. Dieſe Form iſt nun die des reinen Gedankens, der die in der dritten Rede beſchriebene Religions-Ein¬ ſicht giebt; eine Form, die als geſchloßne Ein¬ heit mit der Unendlichkeit des Thuns ſchlecht¬ hin auseinander faͤllt, und in dem leztern, dem Thun, niemals vollſtaͤndig ausgedruͤckt werden kann. Beide demnach, der Gedanke, ſo wie die Thaͤtigkeit, ſind nur in der Erſcheinung aus¬ einanderfaltende Formen, jenſeit der Erſchei¬ nung aber ſind ſie, eine wie die andere, daſ¬ ſelbe Eine abſolute Leben; und man kann gar nicht ſagen, daß der Gedanke um des Thuns, oder das Thun um des Gedankens willen ſey, und alſo ſey, ſondern daß beides ſchlechthin ſeyn ſolle, indem auch in der Erſcheinung das Leben ein vollendetes Ganzes ſeyn ſolle, alſo, wie es dies iſt jenſeit aller Erſcheinung. In¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/156
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/156>, abgerufen am 22.11.2024.