Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

V. d. Strafgesetzen u. dessen Anwendung.
und Schärfung der Strafe ist ungerecht. Zu
diesen allen muss ein gesetzlicher Grund vor-
handen seyn, der entweder a) in einem aus-
drücklichen Gesetz oder b) in der Natur des
Gesetzes überhaupt zu suchen ist *).

§. 84.

Die verschiedene Beschaffenheit des Straf-
gesetzes bestimmt die Verschiedenheit des
Umfangs der richterlichen Gewalt. Das Ge-
setz kann I. das Strafübel specifisch bestimmen,
welches auf die That folgen soll -- bestimmtes
Strafgesetz
(lex p. determinata). Es kann aber
auch II. ein Uebel drohen, ohne das Uebel
selbst specifisch zu bestimmen -- unbestimmtes
Strafgesetz
(l. p. indeterm.) In diesem Fall droht
es 1) entweder verschiedene Strafen alter-
nativisch -- relativ-unbestimmtes Strafgesetz

(l. p. relative indet.) oder 2) es bestimmt in
keiner Rücksicht die Strafe -- absolut unbe-
stimmtes Strafgesetz
(l. p. absol. indeterminata).

§. 85.

I. Das bestimmte Strafgesetz erklärt die Noth-
wendigkeit, der Verknüpfung eines bestimmten
Uebels mit einer bestimmten Uebertretung.
(§. 84.) Da nun die Sanktion des Gesetzes für
alle unter demselben enthaltenen Fälle gilt
(§. 82.), so kann für eine concrete, einem be-

stimm-
*) Ueber das angebliche Recht des Richters die Strafe
zu erhöhen, um von der Infamie zu befreyen. L.
13. §. 7. D. de his qui notant. infam. L. 10. §. 2.
D. de poenis (L. 4. C. ex quibus caus. infam. L. 15.
pr. D. ad. municip.) -- L. 63. D. de furtis. Vergl.
Kleinschrod syst. Entw. Thl. II. §. 129.
E

V. d. Strafgeſetzen u. deſſen Anwendung.
und Schärfung der Strafe iſt ungerecht. Zu
dieſen allen muſs ein geſetzlicher Grund vor-
handen ſeyn, der entweder a) in einem aus-
drücklichen Geſetz oder b) in der Natur des
Geſetzes überhaupt zu ſuchen iſt *).

§. 84.

Die verſchiedene Beſchaffenheit des Straf-
geſetzes beſtimmt die Verſchiedenheit des
Umfangs der richterlichen Gewalt. Das Ge-
ſetz kann I. das Strafübel ſpecifiſch beſtimmen,
welches auf die That folgen ſoll — beſtimmtes
Strafgeſetz
(lex p. determinata). Es kann aber
auch II. ein Uebel drohen, ohne das Uebel
ſelbſt ſpecifiſch zu beſtimmen — unbeſtimmtes
Strafgeſetz
(l. p. indeterm.) In dieſem Fall droht
es 1) entweder verſchiedene Strafen alter-
nativiſch — relativ-unbeſtimmtes Strafgeſetz

(l. p. relative indet.) oder 2) es beſtimmt in
keiner Rückſicht die Strafe — abſolut unbe-
ſtimmtes Strafgeſetz
(l. p. abſol. indeterminata).

§. 85.

I. Das beſtimmte Strafgeſetz erklärt die Noth-
wendigkeit, der Verknüpfung eines beſtimmten
Uebels mit einer beſtimmten Uebertretung.
(§. 84.) Da nun die Sanktion des Geſetzes für
alle unter demſelben enthaltenen Fälle gilt
(§. 82.), ſo kann für eine concrete, einem be-

ſtimm-
*) Ueber das angebliche Recht des Richters die Strafe
zu erhöhen, um von der Infamie zu befreyen. L.
13. §. 7. D. de his qui notant. infam. L. 10. §. 2.
D. de poenis (L. 4. C. ex quibus cauſ. infam. L. 15.
pr. D. ad. municip.) — L. 63. D. de furtis. Vergl.
Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 129.
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0093" n="65"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">V. d. Strafge&#x017F;etzen u. de&#x017F;&#x017F;en Anwendung.</hi></fw><lb/>
und Schärfung der Strafe i&#x017F;t ungerecht. Zu<lb/>
die&#x017F;en allen mu&#x017F;s ein ge&#x017F;etzlicher Grund vor-<lb/>
handen &#x017F;eyn, der entweder a) in einem aus-<lb/>
drücklichen Ge&#x017F;etz oder b) in der Natur des<lb/>
Ge&#x017F;etzes überhaupt zu &#x017F;uchen i&#x017F;t <note place="foot" n="*)">Ueber das angebliche Recht des Richters die Strafe<lb/>
zu erhöhen, um von der Infamie zu befreyen. L.<lb/>
13. §. 7. D. <hi rendition="#i">de his qui notant. infam</hi>. L. 10. §. 2.<lb/><hi rendition="#i">D. de poenis</hi> (L. 4. C. <hi rendition="#i">ex quibus cau&#x017F;. infam</hi>. L. 15.<lb/><hi rendition="#i">pr. D. ad. municip</hi>.) &#x2014; L. 63. D. <hi rendition="#i">de furtis</hi>. Vergl.<lb/><hi rendition="#g">Klein&#x017F;chrod</hi> <hi rendition="#i">&#x017F;y&#x017F;t. Entw</hi>. Thl. II. §. 129.</note>.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 84.</head><lb/>
                  <p>Die ver&#x017F;chiedene Be&#x017F;chaffenheit des Straf-<lb/>
ge&#x017F;etzes be&#x017F;timmt die Ver&#x017F;chiedenheit des<lb/>
Umfangs der richterlichen Gewalt. Das Ge-<lb/>
&#x017F;etz kann I. das Strafübel &#x017F;pecifi&#x017F;ch be&#x017F;timmen,<lb/>
welches auf die That folgen &#x017F;oll &#x2014; <hi rendition="#i">be&#x017F;timmtes<lb/>
Strafge&#x017F;etz</hi> (<hi rendition="#i">lex p. determinata</hi>). Es kann aber<lb/>
auch II. ein Uebel drohen, ohne das Uebel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;pecifi&#x017F;ch zu be&#x017F;timmen &#x2014; <hi rendition="#i">unbe&#x017F;timmtes<lb/>
Strafge&#x017F;etz</hi> (<hi rendition="#i">l. p. indeterm</hi>.) In die&#x017F;em Fall droht<lb/>
es 1) entweder ver&#x017F;chiedene Strafen <hi rendition="#i">alter-<lb/>
nativi&#x017F;ch &#x2014; relativ-unbe&#x017F;timmtes Strafge&#x017F;etz</hi><lb/>
(<hi rendition="#i">l. p. relative indet</hi>.) oder 2) es be&#x017F;timmt in<lb/>
keiner Rück&#x017F;icht die Strafe &#x2014; <hi rendition="#i">ab&#x017F;olut unbe-<lb/>
&#x017F;timmtes Strafge&#x017F;etz</hi> (<hi rendition="#i">l. p. ab&#x017F;ol. indeterminata</hi>).</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 85.</head><lb/>
                  <p>I. Das <hi rendition="#i">be&#x017F;timmte Strafge&#x017F;etz</hi> erklärt die Noth-<lb/>
wendigkeit, der Verknüpfung eines <hi rendition="#i">be&#x017F;timmten</hi><lb/>
Uebels mit einer be&#x017F;timmten Uebertretung.<lb/>
(§. 84.) Da nun die Sanktion des Ge&#x017F;etzes für<lb/>
alle unter dem&#x017F;elben enthaltenen Fälle gilt<lb/>
(§. 82.), &#x017F;o kann für eine concrete, einem be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;timm-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0093] V. d. Strafgeſetzen u. deſſen Anwendung. und Schärfung der Strafe iſt ungerecht. Zu dieſen allen muſs ein geſetzlicher Grund vor- handen ſeyn, der entweder a) in einem aus- drücklichen Geſetz oder b) in der Natur des Geſetzes überhaupt zu ſuchen iſt *). §. 84. Die verſchiedene Beſchaffenheit des Straf- geſetzes beſtimmt die Verſchiedenheit des Umfangs der richterlichen Gewalt. Das Ge- ſetz kann I. das Strafübel ſpecifiſch beſtimmen, welches auf die That folgen ſoll — beſtimmtes Strafgeſetz (lex p. determinata). Es kann aber auch II. ein Uebel drohen, ohne das Uebel ſelbſt ſpecifiſch zu beſtimmen — unbeſtimmtes Strafgeſetz (l. p. indeterm.) In dieſem Fall droht es 1) entweder verſchiedene Strafen alter- nativiſch — relativ-unbeſtimmtes Strafgeſetz (l. p. relative indet.) oder 2) es beſtimmt in keiner Rückſicht die Strafe — abſolut unbe- ſtimmtes Strafgeſetz (l. p. abſol. indeterminata). §. 85. I. Das beſtimmte Strafgeſetz erklärt die Noth- wendigkeit, der Verknüpfung eines beſtimmten Uebels mit einer beſtimmten Uebertretung. (§. 84.) Da nun die Sanktion des Geſetzes für alle unter demſelben enthaltenen Fälle gilt (§. 82.), ſo kann für eine concrete, einem be- ſtimm- *) Ueber das angebliche Recht des Richters die Strafe zu erhöhen, um von der Infamie zu befreyen. L. 13. §. 7. D. de his qui notant. infam. L. 10. §. 2. D. de poenis (L. 4. C. ex quibus cauſ. infam. L. 15. pr. D. ad. municip.) — L. 63. D. de furtis. Vergl. Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 129. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/93
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/93>, abgerufen am 22.12.2024.