Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.I. Buch. II Theil. I. Titel. IV. Abschnitt. §. 47. Verletzung eines andern zur Abwendung Buder Diss. de violenta desensione privata. Jen. 1740. -- §. 48. *) Die P. G. O. Art. 139 -- 144. spricht zwar nur von
der schuldlosen Tödung aus Nothwehr. Aber eine voll- kommen begründete extensive Erklärung nöthigt uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver- letzungen auszudehnen. Was von der grössern Verletzung gilt, muss auch von geringeren gelten. Auch ist eine Bestimmung, die nothwendig aus all- gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache fliesst, so lange gültig, als sie nicht durch aus- drückliche positive Gesetze aufgehoben ist. I. Buch. II Theil. I. Titel. IV. Abſchnitt. §. 47. Verletzung eines andern zur Abwendung Buder Diſſ. de violenta deſenſione privata. Jen. 1740. — §. 48. *) Die P. G. O. Art. 139 — 144. ſpricht zwar nur von
der ſchuldloſen Tödung aus Nothwehr. Aber eine voll- kommen begründete extenſive Erklärung nöthigt uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver- letzungen auszudehnen. Was von der gröſsern Verletzung gilt, muſs auch von geringeren gelten. Auch iſt eine Beſtimmung, die nothwendig aus all- gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache flieſst, ſo lange gültig, als ſie nicht durch aus- drückliche poſitive Geſetze aufgehoben iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0064" n="36"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">I. Buch. II Theil. I. Titel. IV. Abſchnitt.</hi> </fw><lb/> <div n="6"> <head>§. 47.</head><lb/> <p>Verletzung eines andern zur Abwendung<lb/> eines rechtswidrigen Angriffs deſſelben iſt eine<lb/> Folge des Rechts der <hi rendition="#g">Selbſtvertheidi-<lb/> gung</hi> (<hi rendition="#i">neceſſariae defenſionis</hi>). Allein da ſich<lb/> der Einzelne im Staat des Rechts der Selbſtver-<lb/> theidigung begeben hat, ſo ſetzt die erlaubte<lb/> Selbſtvertheidigung im Staate voraus, daſs es<lb/> der öffentlichen Macht unmöglich war, das an-<lb/> gegriffene Recht zu ſchützen. Auf dieſen<lb/> Fall konnte ſich die Entäuſſerung der Pri-<lb/> vatgewalt an den Staat nicht erſtrecken. <hi rendition="#i">Der<lb/> Gebrauch eigner Gewalt eines Bürgers zum Schutz<lb/> ſeiner Rechte gegen eine angefangene Beleidigung,<lb/> unter einer Vorauſſetzung, wo der Schutz des<lb/> Staats unmöglich</hi> iſt, heiſst <hi rendition="#g">Nothwehr</hi> (mo-<lb/> deramen inculpatae tutelae, tutela inculpata).<lb/> Eine Verletzung des andern aus Nothwehr iſt<lb/> daher (§. 46. II) kein Verbrechen <note place="foot" n="*)">Die P. G. O. Art. 139 — 144. ſpricht zwar nur von<lb/> der ſchuldloſen <hi rendition="#i">Tödung</hi> aus Nothwehr. Aber eine voll-<lb/> kommen begründete extenſive Erklärung nöthigt<lb/> uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver-<lb/> letzungen auszudehnen. Was von der gröſsern<lb/> Verletzung gilt, muſs auch von geringeren gelten.<lb/> Auch iſt eine Beſtimmung, die nothwendig aus all-<lb/> gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache<lb/> flieſst, ſo lange gültig, als ſie nicht durch aus-<lb/> drückliche poſitive Geſetze aufgehoben iſt.</note>.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Buder</hi> D<hi rendition="#i">iſſ. de violenta deſenſione privata</hi>. Jen. 1740. —<lb/><hi rendition="#g">Quiſtorp</hi> <hi rendition="#i">Diſſ. de homicidio permiſſo, ſpec. de mod.<lb/> inc. tut</hi>. Roſt. 1764. — F. <hi rendition="#g">Knraſius</hi> <hi rendition="#i">Diſſ. de jure<lb/> defenſionis neceſſariae</hi>. Lugd. Bat. 1785.</hi> </p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">§. 48.</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0064]
I. Buch. II Theil. I. Titel. IV. Abſchnitt.
§. 47.
Verletzung eines andern zur Abwendung
eines rechtswidrigen Angriffs deſſelben iſt eine
Folge des Rechts der Selbſtvertheidi-
gung (neceſſariae defenſionis). Allein da ſich
der Einzelne im Staat des Rechts der Selbſtver-
theidigung begeben hat, ſo ſetzt die erlaubte
Selbſtvertheidigung im Staate voraus, daſs es
der öffentlichen Macht unmöglich war, das an-
gegriffene Recht zu ſchützen. Auf dieſen
Fall konnte ſich die Entäuſſerung der Pri-
vatgewalt an den Staat nicht erſtrecken. Der
Gebrauch eigner Gewalt eines Bürgers zum Schutz
ſeiner Rechte gegen eine angefangene Beleidigung,
unter einer Vorauſſetzung, wo der Schutz des
Staats unmöglich iſt, heiſst Nothwehr (mo-
deramen inculpatae tutelae, tutela inculpata).
Eine Verletzung des andern aus Nothwehr iſt
daher (§. 46. II) kein Verbrechen *).
Buder Diſſ. de violenta deſenſione privata. Jen. 1740. —
Quiſtorp Diſſ. de homicidio permiſſo, ſpec. de mod.
inc. tut. Roſt. 1764. — F. Knraſius Diſſ. de jure
defenſionis neceſſariae. Lugd. Bat. 1785.
§. 48.
*) Die P. G. O. Art. 139 — 144. ſpricht zwar nur von
der ſchuldloſen Tödung aus Nothwehr. Aber eine voll-
kommen begründete extenſive Erklärung nöthigt
uns, das Recht der Nothwehr auch auf andere Ver-
letzungen auszudehnen. Was von der gröſsern
Verletzung gilt, muſs auch von geringeren gelten.
Auch iſt eine Beſtimmung, die nothwendig aus all-
gemeinen Gründen d. h. aus der Natur der Sache
flieſst, ſo lange gültig, als ſie nicht durch aus-
drückliche poſitive Geſetze aufgehoben iſt.
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