Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abschnitt. Menschen begangen werden, der einer höherngesetzgebenden und richtenden Gewalt unter- worfen ist. Auf eine oberherrliche Person, die in keiner Rücksicht als Unterthan einer höhern Staatsgewalt unterworfen ist (Souverain im eigentlichen Sinne), kann der Begriff eines Verbrechens nicht angewendet werden. Denn 1) ihren eignen Criminalgesetzen ist sie nicht unterworfen, weil kein Regent seinen eignen Gesetzen unterworfen ist *); 2) wenn sie den Staat oder das ihr unterworfene Volk beleidigt, so können ihr zwar, unter gewissen Voraus- setzungen, die Bürger auf den Fall der Wie- derholung zur Sicherung ihrer vollkommnen Rechte gegen den Oberherrn Uebel drohen; aber nicht in der Form eines Gesetzes, weil dieses die gesetzgebende Gewalt voraussetzt, die nur dem Oberherrn selbst übertragen ist **). Eine souveraine oberherrliche Person begeht nur Beleidigungen und Läsionen, aber kein Verbrechen. Ueber diese allgemeine Frage: Chr. Fr. Ge. Meister §. 33. In Deutschland ist daher der Kaiser keines began- *) Dagegen Schnaubert Diss. de principe legibus suis obligato. Jen. 1793. Deutsch mit Anmerk. von Hage- meister. **) Feuerbach Anti-Hobbes, 1 Bd. Erf. 1798.
I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt. Menſchen begangen werden, der einer höherngeſetzgebenden und richtenden Gewalt unter- worfen iſt. Auf eine oberherrliche Perſon, die in keiner Rückſicht als Unterthan einer höhern Staatsgewalt unterworfen iſt (Souverain im eigentlichen Sinne), kann der Begriff eines Verbrechens nicht angewendet werden. Denn 1) ihren eignen Criminalgeſetzen iſt ſie nicht unterworfen, weil kein Regent ſeinen eignen Geſetzen unterworfen iſt *); 2) wenn ſie den Staat oder das ihr unterworfene Volk beleidigt, ſo können ihr zwar, unter gewiſſen Voraus- ſetzungen, die Bürger auf den Fall der Wie- derholung zur Sicherung ihrer vollkommnen Rechte gegen den Oberherrn Uebel drohen; aber nicht in der Form eines Geſetzes, weil dieſes die geſetzgebende Gewalt vorausſetzt, die nur dem Oberherrn ſelbſt übertragen iſt **). Eine ſouveraine oberherrliche Perſon begeht nur Beleidigungen und Läſionen, aber kein Verbrechen. Ueber dieſe allgemeine Frage: Chr. Fr. Ge. Meiſter §. 33. In Deutſchland iſt daher der Kaiſer keines began- *) Dagegen Schnaubert Diſſ. de principe legibus ſuis obligato. Jen. 1793. Deutſch mit Anmerk. von Hage- meiſter. **) Feuerbach Anti-Hobbes, 1 Bd. Erf. 1798.
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I. Buch. II. Theil. I. Titel. II. Abſchnitt.
Menſchen begangen werden, der einer höhern
geſetzgebenden und richtenden Gewalt unter-
worfen iſt. Auf eine oberherrliche Perſon,
die in keiner Rückſicht als Unterthan einer
höhern Staatsgewalt unterworfen iſt (Souverain
im eigentlichen Sinne), kann der Begriff eines
Verbrechens nicht angewendet werden. Denn
1) ihren eignen Criminalgeſetzen iſt ſie nicht
unterworfen, weil kein Regent ſeinen eignen
Geſetzen unterworfen iſt *); 2) wenn ſie den
Staat oder das ihr unterworfene Volk beleidigt,
ſo können ihr zwar, unter gewiſſen Voraus-
ſetzungen, die Bürger auf den Fall der Wie-
derholung zur Sicherung ihrer vollkommnen
Rechte gegen den Oberherrn Uebel drohen;
aber nicht in der Form eines Geſetzes, weil
dieſes die geſetzgebende Gewalt vorausſetzt,
die nur dem Oberherrn ſelbſt übertragen iſt **).
Eine ſouveraine oberherrliche Perſon begeht
nur Beleidigungen und Läſionen, aber kein
Verbrechen.
Ueber dieſe allgemeine Frage: Chr. Fr. Ge. Meiſter
de jure quod in delictis perſonarum illuſtrium obtinet.
Goett. 1748. Beleidigung und Verbrechen, Strafe
und bloſse Vertheidigung ſind aber hier durchaus
vermengt, daher dieſe Schrift nirgends befriedigt.
§. 33.
In Deutſchland iſt daher der Kaiſer keines
Verbrechens fähig. Verbrechen können nur
began-
*) Dagegen Schnaubert Diſſ. de principe legibus ſuis
obligato. Jen. 1793. Deutſch mit Anmerk. von Hage-
meiſter.
**) Feuerbach Anti-Hobbes, 1 Bd. Erf. 1798.
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