Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.Verbr. durch Täuschung eines andern. Eine blosse Lüge ist daher kein Verbrechen,wenn nicht der Andere (wie die Obrigkeit bey- ausdrücklicher Aufforderung der Aussage eines Bürgers) aus besondern Gründen ein Recht auf die Wahrhaftigkeit des Aussagenden hat, oder kein Nachtheil an den Gütern einer Per- son entstanden ist. Daher auch die Unterdrü- ckung eines falschen Documents kein Falsum seyn kann, weil aus einem solchen niemand Rechte abzuleiten vermag. *) §. 448. III. Dolus: die täuschende Handlung des fälschlich für einen Adlichen ausgiebt. schadet nie- manden, aber er verletzt das Recht des Staats, ver- möge welches er fodert, dass niemand sich die Rechte eines höhern Standes beylege, als wem sie wirklich nach den Gesetzen des Staats zukommen. Die Rechtslehrer, welche durchaus einen gestifteten Schaden erfodern, wie Kleinschrod l. c. §. 9. und viele ältere Criminalisten scheinen mir im Grund dasselbe anzunehmen und nur in dem Aus- druck zu irren. *) L. 38. §. 6. D. de poenis. Aus demselben Grund fliesst auch die Entscheidung der L. 1. C. de stellio- natu. Bezahlt der Schuldner den Pfandgläubiger. so hört sein Recht auf die verpfändete Sache auf und ist also durch neue Verpfändung derselben nicht lädirt. **) L. 1. pr. L. 2. 3. D. und L. 20. C. h. t. L. 3. pr-
D. stellionatus. P. G. O. Art. 113. u. 114. in den Wor Verbr. durch Täuſchung eines andern. Eine bloſse Lüge iſt daher kein Verbrechen,wenn nicht der Andere (wie die Obrigkeit bey- ausdrücklicher Aufforderung der Auſſage eines Bürgers) aus beſondern Gründen ein Recht auf die Wahrhaftigkeit des Auſſagenden hat, oder kein Nachtheil an den Gütern einer Per- ſon entſtanden iſt. Daher auch die Unterdrü- ckung eines falſchen Documents kein Falſum ſeyn kann, weil aus einem ſolchen niemand Rechte abzuleiten vermag. *) §. 448. III. Dolus: die täuſchende Handlung des fälſchlich für einen Adlichen ausgiebt. ſchadet nie- manden, aber er verletzt das Recht des Staats, ver- möge welches er fodert, daſs niemand ſich die Rechte eines höhern Standes beylege, als wem ſie wirklich nach den Geſetzen des Staats zukommen. Die Rechtslehrer, welche durchaus einen geſtifteten Schaden erfodern, wie Kleinſchrod l. c. §. 9. und viele ältere Criminaliſten ſcheinen mir im Grund daſſelbe anzunehmen und nur in dem Aus- druck zu irren. *) L. 38. §. 6. D. de poenis. Aus demſelben Grund flieſst auch die Entſcheidung der L. 1. C. de ſtellio- natu. Bezahlt der Schuldner den Pfandgläubiger. ſo hört ſein Recht auf die verpfändete Sache auf und iſt alſo durch neue Verpfändung derſelben nicht lädirt. **) L. 1. pr. L. 2. 3. D. und L. 20. C. h. t. L. 3. pr-
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Verbr. durch Täuſchung eines andern.
Eine bloſse Lüge iſt daher kein Verbrechen,
wenn nicht der Andere (wie die Obrigkeit bey-
ausdrücklicher Aufforderung der Auſſage eines
Bürgers) aus beſondern Gründen ein Recht
auf die Wahrhaftigkeit des Auſſagenden hat,
oder kein Nachtheil an den Gütern einer Per-
ſon entſtanden iſt. Daher auch die Unterdrü-
ckung eines falſchen Documents kein Falſum
ſeyn kann, weil aus einem ſolchen niemand
Rechte abzuleiten vermag. *)
§. 448.
III. Dolus: die täuſchende Handlung
muſste mit dem Bewuſstſeyn dieſer Eigen-
ſchaft und mit dem Bewuſstſeyn der Strafbar-
keit begangen worden ſeyn. Ein culpoſes Fal-
ſum, obgleich an ſich denkbar, widerſpricht
den Geſetzen **). Es mangelt alſo der Begriff
des
**)
*) L. 38. §. 6. D. de poenis. Aus demſelben Grund
flieſst auch die Entſcheidung der L. 1. C. de ſtellio-
natu. Bezahlt der Schuldner den Pfandgläubiger.
ſo hört ſein Recht auf die verpfändete Sache auf
und iſt alſo durch neue Verpfändung derſelben
nicht lädirt.
**) L. 1. pr. L. 2. 3. D. und L. 20. C. h. t. L. 3. pr-
D. ſtellionatus. P. G. O. Art. 113. u. 114. in den
Wor
**) fälſchlich für einen Adlichen ausgiebt. ſchadet nie-
manden, aber er verletzt das Recht des Staats, ver-
möge welches er fodert, daſs niemand ſich die
Rechte eines höhern Standes beylege, als wem ſie
wirklich nach den Geſetzen des Staats zukommen.
Die Rechtslehrer, welche durchaus einen geſtifteten
Schaden erfodern, wie Kleinſchrod l. c. §. 9.
und viele ältere Criminaliſten ſcheinen mir im
Grund daſſelbe anzunehmen und nur in dem Aus-
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