Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
Blos wider Willen der Vorgesetzten aber wird
an der Braut kein raptus begangen *). Wer
eine noch nicht mit ihm Verlobte, wider ih-
ren, oder ihrer Vorgesetzten Willen zur Voll-
ziehung einer Ehe entführt, selbst wenn die
Eltern aus nichtigen Gründen die Ehe ver-
weigern, ist um so gewisser dieses Verbrechens
schuldig, da die Gesetze schon die Entfüh-
rung einer Braut, auf welche doch der Ver-
führer schon Rechte hat, für ein Ver-
brechen erklären **). Ob der Verbrecher
seine Absicht erreicht hat, darauf kommt es
nicht an ***).

§. 297.

Die Entführung kann begangen werden
I. von einer Mannsperson an einer Weibsper-
son und zwar 1) entweder an einer ehrbaren
Weibsperson (persona honesta), oder 2) an ei-
ner unehrbaren Weibsperson, d. h. einer sol-
chen, die als Hure lebt, II. von einer Manns-
person an einer Mannsperson ****) und von
einer Weibsperson an einer Weibsperson +)

zur
*) Wegen der Worte: per vim.
**) Nach andern, soll in diesem Fall blos das Verbre-
chen der Selbsthülfe statt finden. cf. Grolman
C. R. W. §. 386. Anm. 1).
***) Boehmer ad b. Art. §. 6.
****) L. 6. D. ad L. Iul. de vi publ.
+) Ganz aus demselben Grund, aus welchem die Ent-
führvne einer Mannsperson von einer Mannsperson
Verbrechen ist.

II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Blos wider Willen der Vorgeſetzten aber wird
an der Braut kein raptus begangen *). Wer
eine noch nicht mit ihm Verlobte, wider ih-
ren, oder ihrer Vorgeſetzten Willen zur Voll-
ziehung einer Ehe entführt, ſelbſt wenn die
Eltern aus nichtigen Gründen die Ehe ver-
weigern, iſt um ſo gewiſſer dieſes Verbrechens
ſchuldig, da die Geſetze ſchon die Entfüh-
rung einer Braut, auf welche doch der Ver-
führer ſchon Rechte hat, für ein Ver-
brechen erklären **). Ob der Verbrecher
ſeine Abſicht erreicht hat, darauf kommt es
nicht an ***).

§. 297.

Die Entführung kann begangen werden
I. von einer Mannsperſon an einer Weibsper-
ſon und zwar 1) entweder an einer ehrbaren
Weibsperſon (perſona honeſta), oder 2) an ei-
ner unehrbaren Weibsperſon, d. h. einer ſol-
chen, die als Hure lebt, II. von einer Manns-
perſon an einer Mannsperſon ****) und von
einer Weibsperſon an einer Weibsperſon †)

zur
*) Wegen der Worte: per vim.
**) Nach andern, ſoll in dieſem Fall blos das Verbre-
chen der Selbſthülfe ſtatt finden. cf. Grolman
C. R. W. §. 386. Anm. 1).
***) Boehmer ad b. Art. §. 6.
****) L. 6. D. ad L. Iul. de vi publ.
†) Ganz aus demſelben Grund, aus welchem die Ent-
führvne einer Mannsperſon von einer Mannsperſon
Verbrechen iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0258" n="230"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Blos wider Willen der Vorge&#x017F;etzten aber wird<lb/>
an der Braut kein <hi rendition="#i">raptus</hi> begangen <note place="foot" n="*)">Wegen der Worte: <hi rendition="#i">per vim</hi>.</note>. Wer<lb/>
eine noch nicht mit ihm Verlobte, wider ih-<lb/>
ren, oder ihrer Vorge&#x017F;etzten Willen zur Voll-<lb/>
ziehung einer Ehe entführt, &#x017F;elb&#x017F;t wenn die<lb/>
Eltern aus nichtigen Gründen die Ehe ver-<lb/>
weigern, i&#x017F;t um &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;es Verbrechens<lb/>
&#x017F;chuldig, da die Ge&#x017F;etze &#x017F;chon die Entfüh-<lb/>
rung einer Braut, auf welche doch der Ver-<lb/>
führer &#x017F;chon Rechte hat, für ein Ver-<lb/>
brechen erklären <note place="foot" n="**)">Nach andern, &#x017F;oll in die&#x017F;em Fall blos das Verbre-<lb/>
chen der Selb&#x017F;thülfe &#x017F;tatt finden. cf. <hi rendition="#g">Grolman</hi><lb/>
C. R. W. §. 386. Anm. 1).</note>. Ob der Verbrecher<lb/>
&#x017F;eine Ab&#x017F;icht erreicht hat, darauf kommt es<lb/>
nicht an <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad <hi rendition="#i">b. Art</hi>. §. 6.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 297.</head><lb/>
                      <p>Die Entführung kann begangen werden<lb/>
I. von einer Mannsper&#x017F;on an einer Weibsper-<lb/>
&#x017F;on und zwar 1) entweder an einer <hi rendition="#i">ehrbaren</hi><lb/>
Weibsper&#x017F;on (<hi rendition="#i">per&#x017F;ona hone&#x017F;ta</hi>), oder 2) an ei-<lb/>
ner <hi rendition="#i">unehrbaren</hi> Weibsper&#x017F;on, d. h. einer &#x017F;ol-<lb/>
chen, die als Hure lebt, II. von einer Manns-<lb/>
per&#x017F;on an einer Mannsper&#x017F;on <note place="foot" n="****)"><hi rendition="#i">L. 6. D. ad L. Iul. de vi publ</hi>.</note> und von<lb/>
einer Weibsper&#x017F;on an einer Weibsper&#x017F;on <note place="foot" n="&#x2020;)">Ganz aus dem&#x017F;elben Grund, aus welchem die Ent-<lb/>
führvne einer Mannsper&#x017F;on von einer Mannsper&#x017F;on<lb/>
Verbrechen i&#x017F;t.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zur</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0258] II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Blos wider Willen der Vorgeſetzten aber wird an der Braut kein raptus begangen *). Wer eine noch nicht mit ihm Verlobte, wider ih- ren, oder ihrer Vorgeſetzten Willen zur Voll- ziehung einer Ehe entführt, ſelbſt wenn die Eltern aus nichtigen Gründen die Ehe ver- weigern, iſt um ſo gewiſſer dieſes Verbrechens ſchuldig, da die Geſetze ſchon die Entfüh- rung einer Braut, auf welche doch der Ver- führer ſchon Rechte hat, für ein Ver- brechen erklären **). Ob der Verbrecher ſeine Abſicht erreicht hat, darauf kommt es nicht an ***). §. 297. Die Entführung kann begangen werden I. von einer Mannsperſon an einer Weibsper- ſon und zwar 1) entweder an einer ehrbaren Weibsperſon (perſona honeſta), oder 2) an ei- ner unehrbaren Weibsperſon, d. h. einer ſol- chen, die als Hure lebt, II. von einer Manns- perſon an einer Mannsperſon ****) und von einer Weibsperſon an einer Weibsperſon †) zur *) Wegen der Worte: per vim. **) Nach andern, ſoll in dieſem Fall blos das Verbre- chen der Selbſthülfe ſtatt finden. cf. Grolman C. R. W. §. 386. Anm. 1). ***) Boehmer ad b. Art. §. 6. ****) L. 6. D. ad L. Iul. de vi publ. †) Ganz aus demſelben Grund, aus welchem die Ent- führvne einer Mannsperſon von einer Mannsperſon Verbrechen iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/258
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/258>, abgerufen am 19.11.2024.