Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. fangenwärter *), 2) vom Gefangenen selbst,3) von andern. §. 229. A. Befreyung durch den Gefangenaufse- §. 230. B. Selbstbefreyung des Gefangenen ****). I. fängnisse *) Beyde Personen dürfen wenigstens nach römischen Begriffen nie mit einander verwechselt werden. S. Godofredus ad L. 5. C. Th. de custodia reor. **) L. 4. C. de custodia reor. Dieses Gesetz, welches zwischen Dolus und Culpa nicht entscheidet und den Commentariensis sogar dann der Talion unter- wirft, wenn die Warter den Gefangenen entfliehen lassen, ist durch die P. G. O. Art. 180. dahin, wie im §. angegeben ist, modificirt worden. Den Prak- tikern ist die Strafe willkührlich und sie wollen sie nur von dem Falle verstehn, wenn die That mit be- waffneter Hand und durch Zusammenrottung von Mehrern geschehen ist, S. Koch l. c. §. 616. Carp- zov pract. crim. Q. 111. Nr. 107. hat aus seichten Gründen zuerst diese Behauptung angenommen. Die unüberwindliche T[y]ranney der Praxis, von welcher Koch spricht, ist eben nicht sehr drückend. ***) Westphal C. R. Anm. 108. ****) Fast alle Rechtsgelehrten glauben hier an gar keine Strafbarkeit der Handlung. Boehmer ad Art. 180. §. 5. M
Verbrechen gegen die richterliche Gewalt. fangenwärter *), 2) vom Gefangenen ſelbſt,3) von andern. §. 229. A. Befreyung durch den Gefangenaufſe- §. 230. B. Selbſtbefreyung des Gefangenen ****). I. fängniſſe *) Beyde Perſonen dürfen wenigſtens nach römiſchen Begriffen nie mit einander verwechſelt werden. S. Godofredus ad L. 5. C. Th. de cuſtodia reor. **) L. 4. C. de cuſtodia reor. Dieſes Geſetz, welches zwiſchen Dolus und Culpa nicht entſcheidet und den Commentarienſis ſogar dann der Talion unter- wirft, wenn die Warter den Gefangenen entfliehen laſſen, iſt durch die P. G. O. Art. 180. dahin, wie im §. angegeben iſt, modificirt worden. Den Prak- tikern iſt die Strafe willkührlich und ſie wollen ſie nur von dem Falle verſtehn, wenn die That mit be- waffneter Hand und durch Zuſammenrottung von Mehrern geſchehen iſt, S. Koch l. c. §. 616. Carp- zov pract. crim. Q. 111. Nr. 107. hat aus ſeichten Gründen zuerſt dieſe Behauptung angenommen. Die unüberwindliche T[y]ranney der Praxis, von welcher Koch ſpricht, iſt eben nicht ſehr drückend. ***) Weſtphal C. R. Anm. 108. ****) Faſt alle Rechtsgelehrten glauben hier an gar keine Strafbarkeit der Handlung. Boehmer ad Art. 180. §. 5. M
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Verbrechen gegen die richterliche Gewalt.
fangenwärter *), 2) vom Gefangenen ſelbſt,
3) von andern.
§. 229.
A. Befreyung durch den Gefangenaufſe-
her oder Wärter. Hat er durch ſein Verſchul-
den den Gefangenen entfliehen laſſen und liegt
1) Dolus ſeiner Handlung zum Grunde, ſo trifft
ihn die Strafe des Verbrechens, um deſſen
willen der Entflohene gefangen ſaſs **); iſt
aber 2) das Entfliehen aus Fahrläſsigkeit ent-
ſtanden, ſo iſt die Strafe willkührlich. ***).
§. 230.
B. Selbſtbefreyung des Gefangenen ****). I.
Hat ſich der Gefangene aus dem Sicherungsge-
fängniſſe
*) Beyde Perſonen dürfen wenigſtens nach römiſchen
Begriffen nie mit einander verwechſelt werden. S.
Godofredus ad L. 5. C. Th. de cuſtodia reor.
**) L. 4. C. de cuſtodia reor. Dieſes Geſetz, welches
zwiſchen Dolus und Culpa nicht entſcheidet und
den Commentarienſis ſogar dann der Talion unter-
wirft, wenn die Warter den Gefangenen entfliehen
laſſen, iſt durch die P. G. O. Art. 180. dahin, wie
im §. angegeben iſt, modificirt worden. Den Prak-
tikern iſt die Strafe willkührlich und ſie wollen ſie
nur von dem Falle verſtehn, wenn die That mit be-
waffneter Hand und durch Zuſammenrottung von
Mehrern geſchehen iſt, S. Koch l. c. §. 616. Carp-
zov pract. crim. Q. 111. Nr. 107. hat aus ſeichten
Gründen zuerſt dieſe Behauptung angenommen.
Die unüberwindliche Tyranney der Praxis, von
welcher Koch ſpricht, iſt eben nicht ſehr drückend.
***) Weſtphal C. R. Anm. 108.
****) Faſt alle Rechtsgelehrten glauben hier an gar keine
Strafbarkeit der Handlung. Boehmer ad Art. 180.
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