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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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ner Mann ist, ein solcher König wird auch nicht körperlich
von seinem Throne herabsteigen, um seine Untergebenen zu be-
glücken mit seiner persönlichen Gegenwart. Ist also nicht schon
der Unterthan zum König emporgestiegen, ehe der König zum
Unterthan herabsteigt? Und wenn sich der Unterthan durch
die persönliche Gegenwart seines Königs geehrt und beglückt
findet, bezieht sich dieses Gefühl nur auf diese sichtbare Erschei-
nung als solche, oder nicht vielmehr auf die Erscheinung der
Gesinnung, des menschenfreundlichen Wesens, welches der
Grund dieser Erscheinung ist?

Das Tiefe, d. h. das Widersprechende, das Unbegreifliche,
welches man in dem Satze: Gott ist oder wird Mensch, fin-
det, kommt nur daher, daß man den Begriff oder die Bestim-
mungen des allgemeinen, uneingeschränkten, d. i. lediglich me-
taphysischen Wesens mit dem Begriffe oder den Bestimmungen
des religiösen Gottes unmittelbar verbindet oder vielmehr
vermischt -- eine Vermischung, die überhaupt die Einsicht in
das Wesen der Religion erschwert. Aber es handelt sich in
der That nur um die menschliche Gestalt eines Gottes, der
schon ein Wesen, im tiefsten Grunde seiner Seele ein barm-
herziger, d. i. menschlicher Gott ist.

In der kirchlichen Lehre wird dieß so ausgedrückt, daß es
nicht die erste Person der Gottheit, sondern die zweite ist,
welche sich incarnirt -- die zweite Person, welche die Welt
geschaffen, welche der zum Menschen redende Gott ist, welche
den Menschen in und vor Gott vertritt *), kurz nichts andres
als der göttliche Mensch ist -- die zweite Person, die aber
fürwahr, wie sich zeigen wird, der eigentliche Gott, die wahre,

*) S. hierüber z. B. Tertullian. adv. Praxeam c. 15. 16.

ner Mann iſt, ein ſolcher König wird auch nicht körperlich
von ſeinem Throne herabſteigen, um ſeine Untergebenen zu be-
glücken mit ſeiner perſönlichen Gegenwart. Iſt alſo nicht ſchon
der Unterthan zum König emporgeſtiegen, ehe der König zum
Unterthan herabſteigt? Und wenn ſich der Unterthan durch
die perſönliche Gegenwart ſeines Königs geehrt und beglückt
findet, bezieht ſich dieſes Gefühl nur auf dieſe ſichtbare Erſchei-
nung als ſolche, oder nicht vielmehr auf die Erſcheinung der
Geſinnung, des menſchenfreundlichen Weſens, welches der
Grund dieſer Erſcheinung iſt?

Das Tiefe, d. h. das Widerſprechende, das Unbegreifliche,
welches man in dem Satze: Gott iſt oder wird Menſch, fin-
det, kommt nur daher, daß man den Begriff oder die Beſtim-
mungen des allgemeinen, uneingeſchränkten, d. i. lediglich me-
taphyſiſchen Weſens mit dem Begriffe oder den Beſtimmungen
des religiöſen Gottes unmittelbar verbindet oder vielmehr
vermiſcht — eine Vermiſchung, die überhaupt die Einſicht in
das Weſen der Religion erſchwert. Aber es handelt ſich in
der That nur um die menſchliche Geſtalt eines Gottes, der
ſchon ein Weſen, im tiefſten Grunde ſeiner Seele ein barm-
herziger, d. i. menſchlicher Gott iſt.

In der kirchlichen Lehre wird dieß ſo ausgedrückt, daß es
nicht die erſte Perſon der Gottheit, ſondern die zweite iſt,
welche ſich incarnirt — die zweite Perſon, welche die Welt
geſchaffen, welche der zum Menſchen redende Gott iſt, welche
den Menſchen in und vor Gott vertritt *), kurz nichts andres
als der göttliche Menſch iſt — die zweite Perſon, die aber
fürwahr, wie ſich zeigen wird, der eigentliche Gott, die wahre,

*) S. hierüber z. B. Tertullian. adv. Praxeam c. 15. 16.
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[50/0068] ner Mann iſt, ein ſolcher König wird auch nicht körperlich von ſeinem Throne herabſteigen, um ſeine Untergebenen zu be- glücken mit ſeiner perſönlichen Gegenwart. Iſt alſo nicht ſchon der Unterthan zum König emporgeſtiegen, ehe der König zum Unterthan herabſteigt? Und wenn ſich der Unterthan durch die perſönliche Gegenwart ſeines Königs geehrt und beglückt findet, bezieht ſich dieſes Gefühl nur auf dieſe ſichtbare Erſchei- nung als ſolche, oder nicht vielmehr auf die Erſcheinung der Geſinnung, des menſchenfreundlichen Weſens, welches der Grund dieſer Erſcheinung iſt? Das Tiefe, d. h. das Widerſprechende, das Unbegreifliche, welches man in dem Satze: Gott iſt oder wird Menſch, fin- det, kommt nur daher, daß man den Begriff oder die Beſtim- mungen des allgemeinen, uneingeſchränkten, d. i. lediglich me- taphyſiſchen Weſens mit dem Begriffe oder den Beſtimmungen des religiöſen Gottes unmittelbar verbindet oder vielmehr vermiſcht — eine Vermiſchung, die überhaupt die Einſicht in das Weſen der Religion erſchwert. Aber es handelt ſich in der That nur um die menſchliche Geſtalt eines Gottes, der ſchon ein Weſen, im tiefſten Grunde ſeiner Seele ein barm- herziger, d. i. menſchlicher Gott iſt. In der kirchlichen Lehre wird dieß ſo ausgedrückt, daß es nicht die erſte Perſon der Gottheit, ſondern die zweite iſt, welche ſich incarnirt — die zweite Perſon, welche die Welt geſchaffen, welche der zum Menſchen redende Gott iſt, welche den Menſchen in und vor Gott vertritt *), kurz nichts andres als der göttliche Menſch iſt — die zweite Perſon, die aber fürwahr, wie ſich zeigen wird, der eigentliche Gott, die wahre, *) S. hierüber z. B. Tertullian. adv. Praxeam c. 15. 16.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/68>, abgerufen am 28.11.2024.