Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.Geiste aus: den Geist, von der Materie aus: die Materie ne- Das Geheimniß der Incarnation oder Gott als Liebe, als Herzenswesen. Das Bewußtsein der Liebe ist es, wodurch sich der Mensch *) Der Unterschied zwischen dem Idealismus -- wenigstens dem wah-
ren, naturbegründeten Idealismus -- und dem Materialismus ist nur die- ser, daß jener ein geist- und sinnvoller Materialismus, dieser aber, der gewöhnlich so genannte Materialismus aber geistloser Materialismus ist. Geiſte aus: den Geiſt, von der Materie aus: die Materie ne- Das Geheimniß der Incarnation oder Gott als Liebe, als Herzensweſen. Das Bewußtſein der Liebe iſt es, wodurch ſich der Menſch *) Der Unterſchied zwiſchen dem Idealismus — wenigſtens dem wah-
ren, naturbegründeten Idealismus — und dem Materialismus iſt nur die- ſer, daß jener ein geiſt- und ſinnvoller Materialismus, dieſer aber, der gewöhnlich ſo genannte Materialismus aber geiſtloſer Materialismus iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="48"/> Geiſte aus: den Geiſt, von der Materie aus: die Materie ne-<lb/> giren. Liebe iſt <hi rendition="#g">Materialismus. Immaterielle</hi> Liebe iſt<lb/> ein Unding. Aber zugleich iſt die Liebe der <hi rendition="#g">Idealismus</hi> der<lb/><hi rendition="#g">Natur</hi> <note place="foot" n="*)">Der Unterſchied zwiſchen dem Idealismus — wenigſtens dem wah-<lb/> ren, naturbegründeten Idealismus — und dem Materialismus iſt nur die-<lb/> ſer, daß jener ein <hi rendition="#g">geiſt-</hi> und <hi rendition="#g">ſinnvoller</hi> Materialismus, dieſer aber, der<lb/> gewöhnlich ſo genannte Materialismus aber <hi rendition="#g">geiſtloſer</hi> Materialismus iſt.</note>. Liebe iſt <hi rendition="#aq">Esprit</hi>. Nur die Liebe macht die Nach-<lb/> tigall zur Sängerin; nur die Liebe ſchmückt die Befruchtungs-<lb/> werkzeuge der Pflanze mit einer Blumenkrone. Und welche<lb/> Wunder thut nicht die Liebe ſelbſt in unſerm gemeinen bürger-<lb/> lichen Leben! Was der Glaube, die Confeſſion, der Wahn<lb/> trennt, verbindet die Liebe. Selbſt unſre hohe Nobleſſe iden-<lb/> tificirt humoriſtiſch genug die Liebe mit dem bürgerlichen Pö-<lb/> bel. Was die alten Myſtiker von Gott ſagten, daß er das<lb/><hi rendition="#g">höchſte</hi> und doch das <hi rendition="#g">gemeinſte</hi> Weſen ſei, das gilt in Wahr-<lb/> heit von der Liebe, und zwar nicht einer erträumten, imaginä-<lb/> ren Liebe, nein! von der wirklichen Liebe, von der Liebe, die<lb/><hi rendition="#g">Fleiſch</hi> und <hi rendition="#g">Blut</hi> hat, von der Liebe, die alle lebendigen<lb/> Weſen als eine allgemeine Macht durchbebt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Geheimniß der Incarnation oder Gott als Liebe,<lb/> als Herzensweſen.</hi> </head><lb/> <p>Das Bewußtſein der Liebe iſt es, wodurch ſich der Menſch<lb/> mit Gott oder vielmehr mit ſich, mit ſeinem Weſen, welches<lb/> er im Geſetz als ein andres Weſen ſich gegenüberſtellt, ver-<lb/> ſöhnt. Die Anſchauung, das Bewußtſein der göttlichen Liebe,<lb/> oder, was eins iſt, Gottes als eines ſelbſt <hi rendition="#g">menſchlichen<lb/> Weſens</hi> — dieſe <hi rendition="#g">Anſchauung iſt das Geheimniß der<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0066]
Geiſte aus: den Geiſt, von der Materie aus: die Materie ne-
giren. Liebe iſt Materialismus. Immaterielle Liebe iſt
ein Unding. Aber zugleich iſt die Liebe der Idealismus der
Natur *). Liebe iſt Esprit. Nur die Liebe macht die Nach-
tigall zur Sängerin; nur die Liebe ſchmückt die Befruchtungs-
werkzeuge der Pflanze mit einer Blumenkrone. Und welche
Wunder thut nicht die Liebe ſelbſt in unſerm gemeinen bürger-
lichen Leben! Was der Glaube, die Confeſſion, der Wahn
trennt, verbindet die Liebe. Selbſt unſre hohe Nobleſſe iden-
tificirt humoriſtiſch genug die Liebe mit dem bürgerlichen Pö-
bel. Was die alten Myſtiker von Gott ſagten, daß er das
höchſte und doch das gemeinſte Weſen ſei, das gilt in Wahr-
heit von der Liebe, und zwar nicht einer erträumten, imaginä-
ren Liebe, nein! von der wirklichen Liebe, von der Liebe, die
Fleiſch und Blut hat, von der Liebe, die alle lebendigen
Weſen als eine allgemeine Macht durchbebt.
Das Geheimniß der Incarnation oder Gott als Liebe,
als Herzensweſen.
Das Bewußtſein der Liebe iſt es, wodurch ſich der Menſch
mit Gott oder vielmehr mit ſich, mit ſeinem Weſen, welches
er im Geſetz als ein andres Weſen ſich gegenüberſtellt, ver-
ſöhnt. Die Anſchauung, das Bewußtſein der göttlichen Liebe,
oder, was eins iſt, Gottes als eines ſelbſt menſchlichen
Weſens — dieſe Anſchauung iſt das Geheimniß der
*) Der Unterſchied zwiſchen dem Idealismus — wenigſtens dem wah-
ren, naturbegründeten Idealismus — und dem Materialismus iſt nur die-
ſer, daß jener ein geiſt- und ſinnvoller Materialismus, dieſer aber, der
gewöhnlich ſo genannte Materialismus aber geiſtloſer Materialismus iſt.
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