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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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Der Unterschied des Augustinianismus vom Pelagianis-
mus beruht im Grunde nur auf einer religiösen Illusion.
Beide sagen Dasselbe; nur der eine rationalistisch, der andere
mystisch illusorisch; beide haben das nämliche Ziel, das näm-
liche Object; nur kommt der eine in gerader und darum kürze-
ster Linie zum Ziel, während der andere Umwege macht. So
lange das Gute als eine Wesensbestimmung Gottes ausge-
sprochen wird, so lange ist die augustinische Lehre eine Lüge,
und ihr Unterschied vom Pelagianismus in der Grundbe-
stimmung
nur eine religiöse Illusion *). Denn was dem
Gott des Menschen gegeben wird, das wird in Wahrheit
dem Menschen selbst gegeben; was der Mensch von Gott
aussagt
, das sagt er in Wahrheit von sich selbst aus.
Der Augustinianismus wäre nur dann eine Wahrheit, wenn
der Mensch den Teufel zu seinem Gotte hätte, den Teufel,
und zwar mit dem Bewußtsein, daß er der Teufel ist, als
sein höchstes Wesen verehrte und feierte. Aber so lange
der Mensch ein gutes Wesen als Gott verehrt, so lange schaut
er in Gott sein eignes gutes Wesen an.

Wie mit der Lehre von der Grundverdorbenheit des mensch-
lichen Wesens, ist es mit der damit identischen Lehre, daß der
Mensch nichts Gutes, d. h. in Wahrheit Nichts aus sich
selbst, aus eigner Kraft
vermöge. So wie die Lehre von
der Grundverdorbenheit des Menschen nur dann, wie eben
gesagt, eine Wahrheit wäre, wenn der Mensch den Ausbund
der Häßlichkeit mit Bewußtsein und Wohlgefallen als das
Ideal der höchsten Schönheit und Liebenswürdigkeit, als sein

*) Eine Illusion, die aber, wie aus dieser Schrift sich ergibt, das eigen-
thümliche Wesen der Religion, und daher insofern einen wesentlichen Unter-
schied begründet.
Feuerbach. 3

Der Unterſchied des Auguſtinianismus vom Pelagianis-
mus beruht im Grunde nur auf einer religiöſen Illuſion.
Beide ſagen Daſſelbe; nur der eine rationaliſtiſch, der andere
myſtiſch illuſoriſch; beide haben das nämliche Ziel, das näm-
liche Object; nur kommt der eine in gerader und darum kürze-
ſter Linie zum Ziel, während der andere Umwege macht. So
lange das Gute als eine Weſensbeſtimmung Gottes ausge-
ſprochen wird, ſo lange iſt die auguſtiniſche Lehre eine Lüge,
und ihr Unterſchied vom Pelagianismus in der Grundbe-
ſtimmung
nur eine religiöſe Illuſion *). Denn was dem
Gott des Menſchen gegeben wird, das wird in Wahrheit
dem Menſchen ſelbſt gegeben; was der Menſch von Gott
ausſagt
, das ſagt er in Wahrheit von ſich ſelbſt aus.
Der Auguſtinianismus wäre nur dann eine Wahrheit, wenn
der Menſch den Teufel zu ſeinem Gotte hätte, den Teufel,
und zwar mit dem Bewußtſein, daß er der Teufel iſt, als
ſein höchſtes Weſen verehrte und feierte. Aber ſo lange
der Menſch ein gutes Weſen als Gott verehrt, ſo lange ſchaut
er in Gott ſein eignes gutes Weſen an.

Wie mit der Lehre von der Grundverdorbenheit des menſch-
lichen Weſens, iſt es mit der damit identiſchen Lehre, daß der
Menſch nichts Gutes, d. h. in Wahrheit Nichts aus ſich
ſelbſt, aus eigner Kraft
vermöge. So wie die Lehre von
der Grundverdorbenheit des Menſchen nur dann, wie eben
geſagt, eine Wahrheit wäre, wenn der Menſch den Ausbund
der Häßlichkeit mit Bewußtſein und Wohlgefallen als das
Ideal der höchſten Schönheit und Liebenswürdigkeit, als ſein

*) Eine Illuſion, die aber, wie aus dieſer Schrift ſich ergibt, das eigen-
thümliche Weſen der Religion, und daher inſofern einen weſentlichen Unter-
ſchied begründet.
Feuerbach. 3
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[33/0051] Der Unterſchied des Auguſtinianismus vom Pelagianis- mus beruht im Grunde nur auf einer religiöſen Illuſion. Beide ſagen Daſſelbe; nur der eine rationaliſtiſch, der andere myſtiſch illuſoriſch; beide haben das nämliche Ziel, das näm- liche Object; nur kommt der eine in gerader und darum kürze- ſter Linie zum Ziel, während der andere Umwege macht. So lange das Gute als eine Weſensbeſtimmung Gottes ausge- ſprochen wird, ſo lange iſt die auguſtiniſche Lehre eine Lüge, und ihr Unterſchied vom Pelagianismus in der Grundbe- ſtimmung nur eine religiöſe Illuſion *). Denn was dem Gott des Menſchen gegeben wird, das wird in Wahrheit dem Menſchen ſelbſt gegeben; was der Menſch von Gott ausſagt, das ſagt er in Wahrheit von ſich ſelbſt aus. Der Auguſtinianismus wäre nur dann eine Wahrheit, wenn der Menſch den Teufel zu ſeinem Gotte hätte, den Teufel, und zwar mit dem Bewußtſein, daß er der Teufel iſt, als ſein höchſtes Weſen verehrte und feierte. Aber ſo lange der Menſch ein gutes Weſen als Gott verehrt, ſo lange ſchaut er in Gott ſein eignes gutes Weſen an. Wie mit der Lehre von der Grundverdorbenheit des menſch- lichen Weſens, iſt es mit der damit identiſchen Lehre, daß der Menſch nichts Gutes, d. h. in Wahrheit Nichts aus ſich ſelbſt, aus eigner Kraft vermöge. So wie die Lehre von der Grundverdorbenheit des Menſchen nur dann, wie eben geſagt, eine Wahrheit wäre, wenn der Menſch den Ausbund der Häßlichkeit mit Bewußtſein und Wohlgefallen als das Ideal der höchſten Schönheit und Liebenswürdigkeit, als ſein *) Eine Illuſion, die aber, wie aus dieſer Schrift ſich ergibt, das eigen- thümliche Weſen der Religion, und daher inſofern einen weſentlichen Unter- ſchied begründet. Feuerbach. 3

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/51>, abgerufen am 27.11.2024.