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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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derbare Weise sich dem Menschen mittheilt, aber eben so gut
auch irgend einen anderen beliebigen Stoff wählen könnte,
um die nämliche Wirkung hervorzubringen. So sagt z. B.
Luther: "Also fasse nun den Unterschied, daß viel ein ander
Ding ist Taufe, denn alle andere Wasser, nicht des natürli-
chen Wesens halben, sondern daß hie etwas edleres darzu
kömmt. Denn Gott selbst seine Ehre hinansetzet, seine Kraft
und Macht daran legt .... wie auch Sct. Augustin gelehret
hat: accedat verbum ad elementum et fit sacramentum."
(Der große Katechismus.)

Aber wie mit dem Wasser in der Taufe, die nichts ohne
das Wasser ist, obgleich es an sich gleichgültig ist, eben so ist
es mit dem Wein und Brot in der Eucharistie, selbst bei den
Katholiken, wo doch die Substanz von Brot und Wein durch
die Gewalt der Allmacht destruirt wird. Accidentia eucha-
ristica tamdiu continent Christum, quamdiu retinent
illud temperamentum, cum quo connaturaliter panis et
vini substantia permaneret: ut econtra, quando tanta fit
temperamenti dissolutio, illorumque corruptio, ut sub iis
substantia panis et vini naturaliter remanere non posset,
desinunt continere Christum. Theol. Schol. (Mezger l.
c. p. 292.)
Das heißt also: so lange das Brot Brot bleibt,
so lange bleibt das Brot Fleisch; ist das Brot weg, ist auch
das Fleisch weg. Daher muß auch eine gehörige Portion
Brot, wenigstens eine so große, daß das Brot als Brot er-
kennbar ist, zugegen sein, um consecrirt werden zu können.
(Ebend. p. 284.) Uebrigens ist die katholische Transsubstan-
tiation, die conversio realis et physica totius panis in cor-
pus Christi
nur eine consequente Fortsetzung von den Wun-
dern im A. u. N. T. Aus der Verwandlung des Wassers
in Wein, des Stabes in eine Schlange, der Steine in Was-
serbrunnen (Psalm 114), aus diesen biblischen Transsubstan-
tiationen erklärten und begründeten die Katholiken die Verwand-
lung des Brotes in Fleisch. Wer einmal an jenen Verwand-
lungen keinen Anstoß nimmt, der hat kein Recht, keinen Grund,

derbare Weiſe ſich dem Menſchen mittheilt, aber eben ſo gut
auch irgend einen anderen beliebigen Stoff wählen könnte,
um die nämliche Wirkung hervorzubringen. So ſagt z. B.
Luther: „Alſo faſſe nun den Unterſchied, daß viel ein ander
Ding iſt Taufe, denn alle andere Waſſer, nicht des natürli-
chen Weſens halben, ſondern daß hie etwas edleres darzu
kömmt. Denn Gott ſelbſt ſeine Ehre hinanſetzet, ſeine Kraft
und Macht daran legt .... wie auch Sct. Auguſtin gelehret
hat: accedat verbum ad elementum et fit sacramentum.“
(Der große Katechismus.)

Aber wie mit dem Waſſer in der Taufe, die nichts ohne
das Waſſer iſt, obgleich es an ſich gleichgültig iſt, eben ſo iſt
es mit dem Wein und Brot in der Euchariſtie, ſelbſt bei den
Katholiken, wo doch die Subſtanz von Brot und Wein durch
die Gewalt der Allmacht deſtruirt wird. Accidentia eucha-
ristica tamdiu continent Christum, quamdiu retinent
illud temperamentum, cum quo connaturaliter panis et
vini substantia permaneret: ut econtra, quando tanta fit
temperamenti dissolutio, illorumque corruptio, ut sub iis
substantia panis et vini naturaliter remanere non posset,
desinunt continere Christum. Theol. Schol. (Mezger l.
c. p. 292.)
Das heißt alſo: ſo lange das Brot Brot bleibt,
ſo lange bleibt das Brot Fleiſch; iſt das Brot weg, iſt auch
das Fleiſch weg. Daher muß auch eine gehörige Portion
Brot, wenigſtens eine ſo große, daß das Brot als Brot er-
kennbar iſt, zugegen ſein, um conſecrirt werden zu können.
(Ebend. p. 284.) Uebrigens iſt die katholiſche Transſubſtan-
tiation, die conversio realis et physica totius panis in cor-
pus Christi
nur eine conſequente Fortſetzung von den Wun-
dern im A. u. N. T. Aus der Verwandlung des Waſſers
in Wein, des Stabes in eine Schlange, der Steine in Waſ-
ſerbrunnen (Pſalm 114), aus dieſen bibliſchen Transſubſtan-
tiationen erklärten und begründeten die Katholiken die Verwand-
lung des Brotes in Fleiſch. Wer einmal an jenen Verwand-
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[436/0454] derbare Weiſe ſich dem Menſchen mittheilt, aber eben ſo gut auch irgend einen anderen beliebigen Stoff wählen könnte, um die nämliche Wirkung hervorzubringen. So ſagt z. B. Luther: „Alſo faſſe nun den Unterſchied, daß viel ein ander Ding iſt Taufe, denn alle andere Waſſer, nicht des natürli- chen Weſens halben, ſondern daß hie etwas edleres darzu kömmt. Denn Gott ſelbſt ſeine Ehre hinanſetzet, ſeine Kraft und Macht daran legt .... wie auch Sct. Auguſtin gelehret hat: accedat verbum ad elementum et fit sacramentum.“ (Der große Katechismus.) Aber wie mit dem Waſſer in der Taufe, die nichts ohne das Waſſer iſt, obgleich es an ſich gleichgültig iſt, eben ſo iſt es mit dem Wein und Brot in der Euchariſtie, ſelbſt bei den Katholiken, wo doch die Subſtanz von Brot und Wein durch die Gewalt der Allmacht deſtruirt wird. Accidentia eucha- ristica tamdiu continent Christum, quamdiu retinent illud temperamentum, cum quo connaturaliter panis et vini substantia permaneret: ut econtra, quando tanta fit temperamenti dissolutio, illorumque corruptio, ut sub iis substantia panis et vini naturaliter remanere non posset, desinunt continere Christum. Theol. Schol. (Mezger l. c. p. 292.) Das heißt alſo: ſo lange das Brot Brot bleibt, ſo lange bleibt das Brot Fleiſch; iſt das Brot weg, iſt auch das Fleiſch weg. Daher muß auch eine gehörige Portion Brot, wenigſtens eine ſo große, daß das Brot als Brot er- kennbar iſt, zugegen ſein, um conſecrirt werden zu können. (Ebend. p. 284.) Uebrigens iſt die katholiſche Transſubſtan- tiation, die conversio realis et physica totius panis in cor- pus Christi nur eine conſequente Fortſetzung von den Wun- dern im A. u. N. T. Aus der Verwandlung des Waſſers in Wein, des Stabes in eine Schlange, der Steine in Waſ- ſerbrunnen (Pſalm 114), aus dieſen bibliſchen Transſubſtan- tiationen erklärten und begründeten die Katholiken die Verwand- lung des Brotes in Fleiſch. Wer einmal an jenen Verwand- lungen keinen Anſtoß nimmt, der hat kein Recht, keinen Grund,

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/454>, abgerufen am 05.12.2024.