auch die Heiden nicht die Götterstatüe an; denn auch dem frommen Heiden war die Götterstatüe keine Statüe, sondern der Gott selbst. Aber dennoch beteten sie eben so gut die Sta- tüe an, als die Christen das menschliche Individuum, ob sie es gleich natürlich nicht Wort haben wollen.
Und die Christen haben nicht nur das menschliche Indi- viduum nach seinem Wesen; sie haben selbst -- was eine ganz natürliche Consequenz ist -- den Körper des menschlichen In- dividuums -- was ist das Individuum ohne Leib? -- ja selbst die einzelnen Theile dieses Körpers angebetet. So fin- det sich z. B. unter den -- ich weiß nicht mehr, aber es ist hier gleichgültig, ob ächten oder unächten -- Schriften des heili- gen Bernhards eine Rhythmica oratio ad unum quodlibet membrorum Christi patientis et a cruce pendentis, worin folgende Stellen vorkommen, z. B.
Ad Pedes: Plagas tuas rubicundas Et fixuras tam profundas Cordi meo fac inscribi Ut configar totus tibi Te modis amans omnibus. Ne repellas me indignum De tuis sanctis pedibus. Coram cruce procumbentem Hosque pedes complectentem Jesu bone non me spernas.
Ad Manus: Manus sanctae! vos amplector Et gemendo condelector, Grates ago plagis tantis Clavis duris, guttis sanctis Dans lacrymas cum osculis. In cruore tuo lotum Me commendo tibi totum.
Ad Latus: Salve Latus Salvatoris, In quo latet mel dulcoris, In quo patet vis amoris, Ex quo scatet fons cruoris. In hac fossa me reconde, Infer meum cor profunde, Ubi latens incalescat Et in pace conquiescat.
auch die Heiden nicht die Götterſtatüe an; denn auch dem frommen Heiden war die Götterſtatüe keine Statüe, ſondern der Gott ſelbſt. Aber dennoch beteten ſie eben ſo gut die Sta- tüe an, als die Chriſten das menſchliche Individuum, ob ſie es gleich natürlich nicht Wort haben wollen.
Und die Chriſten haben nicht nur das menſchliche Indi- viduum nach ſeinem Weſen; ſie haben ſelbſt — was eine ganz natürliche Conſequenz iſt — den Körper des menſchlichen In- dividuums — was iſt das Individuum ohne Leib? — ja ſelbſt die einzelnen Theile dieſes Körpers angebetet. So fin- det ſich z. B. unter den — ich weiß nicht mehr, aber es iſt hier gleichgültig, ob ächten oder unächten — Schriften des heili- gen Bernhards eine Rhythmica oratio ad unum quodlibet membrorum Christi patientis et a cruce pendentis, worin folgende Stellen vorkommen, z. B.
Ad Pedes: Plagas tuas rubicundas Et fixuras tam profundas Cordi meo fac inscribi Ut configar totus tibi Te modis amans omnibus. Ne repellas me indignum De tuis sanctis pedibus. Coram cruce procumbentem Hosque pedes complectentem Jesu bone non me spernas.
Ad Manus: Manus sanctae! vos amplector Et gemendo condelector, Grates ago plagis tantis Clavis duris, guttis sanctis Dans lacrymas cum osculis. In cruore tuo lotum Me commendo tibi totum.
Ad Latus: Salve Latus Salvatoris, In quo latet mel dulcoris, In quo patet vis amoris, Ex quo scatet fons cruoris. In hac fossa me reconde, Infer meum cor profunde, Ubi latens incalescat Et in pace conquiescat.
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frommen Heiden war die Götterſtatüe keine Statüe, ſondern
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es gleich natürlich nicht Wort haben wollen.
Und die Chriſten haben nicht nur das menſchliche Indi-
viduum nach ſeinem Weſen; ſie haben ſelbſt — was eine ganz
natürliche Conſequenz iſt — den Körper des menſchlichen In-
dividuums — was iſt das Individuum ohne Leib? — ja
ſelbſt die einzelnen Theile dieſes Körpers angebetet. So fin-
det ſich z. B. unter den — ich weiß nicht mehr, aber es iſt
hier gleichgültig, ob ächten oder unächten — Schriften des heili-
gen Bernhards eine Rhythmica oratio ad unum quodlibet
membrorum Christi patientis et a cruce pendentis, worin
folgende Stellen vorkommen, z. B.
Ad Pedes:
Plagas tuas rubicundas
Et fixuras tam profundas
Cordi meo fac inscribi
Ut configar totus tibi
Te modis amans omnibus.
Ne repellas me indignum
De tuis sanctis pedibus.
Coram cruce procumbentem
Hosque pedes complectentem
Jesu bone non me spernas.
Ad Manus:
Manus sanctae! vos amplector
Et gemendo condelector,
Grates ago plagis tantis
Clavis duris, guttis sanctis
Dans lacrymas cum osculis.
In cruore tuo lotum
Me commendo tibi totum.
Ad Latus:
Salve Latus Salvatoris,
In quo latet mel dulcoris,
In quo patet vis amoris,
Ex quo scatet fons cruoris.
In hac fossa me reconde,
Infer meum cor profunde,
Ubi latens incalescat
Et in pace conquiescat.
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/452>, abgerufen am 23.07.2024.
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