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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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der Scholastiker! Sie waren nothwendige Consequenzen des
Glaubens. Was nur Gemüthssache ist, sollte Vernunftsache
sein, was dem Verstande widerspricht, sollte ihm nicht wider-
sprechen. Das war der Grundwiderspruch der Scholastik,
woraus sich alle andern Widersprüche von selbst ergaben.
Aber gelten nicht heute noch die Glaubensdinge für reale
Dinge?

Und es ist von keiner besondern Erheblichkeit, ob ich die
protestantische oder katholische Abendmahlslehre glaube. Der
Unterschied ist nur der, daß sich im Protestantismus erst auf
der Zunge im Actus des Genusses Fleisch und Blut auf eine
völlig wunderbare Weise mit Wort und Wein verbinden; im
Katholicismus aber schon vor dem Genuß durch die Macht
des Priesters, der jedoch hier nur im Namen des Allmäch-
tigen
handelt *), Brot und Wein wirklich in Fleisch und
Blut verwandelt werden. Der Protestant weicht nur kluger
Weise einer bestimmten Erklärung aus: er gibt sich nur keine
sinnfällige Blöße, wie die fromme unkritische Einfalt des
Katholicismus, dessen Gott, als ein äußerliches Object selbst
von einer Maus aufgezehrt werden kann; er beherbergt seinen
Gott bei sich, da, wo er ihm nicht mehr entrissen werden kann
und sichert ihn dadurch eben so vor der Macht des Zufalls,
als des Spottes; verzehrt aber dessen ungeachtet eben so gut,
wie der Katholik, im Brote und Weine wirkliches Fleisch und
Blut. Wie wenig unterschieden sich namentlich anfänglich die

*) Creator vini est qui vinum provehit in sanguinem Christi.
Bernard. Non suis sermonibus sacerdos, sed utitur sermonibus
Christi. Ergo sermo Christi conficit hoc sacramentum. Quis sermo
Christi? Nempe is quo facta sunt omnia. Ambrosius de sacram,
I. IV. c. 4.

der Scholaſtiker! Sie waren nothwendige Conſequenzen des
Glaubens. Was nur Gemüthsſache iſt, ſollte Vernunftſache
ſein, was dem Verſtande widerſpricht, ſollte ihm nicht wider-
ſprechen. Das war der Grundwiderſpruch der Scholaſtik,
woraus ſich alle andern Widerſprüche von ſelbſt ergaben.
Aber gelten nicht heute noch die Glaubensdinge für reale
Dinge?

Und es iſt von keiner beſondern Erheblichkeit, ob ich die
proteſtantiſche oder katholiſche Abendmahlslehre glaube. Der
Unterſchied iſt nur der, daß ſich im Proteſtantismus erſt auf
der Zunge im Actus des Genuſſes Fleiſch und Blut auf eine
völlig wunderbare Weiſe mit Wort und Wein verbinden; im
Katholicismus aber ſchon vor dem Genuß durch die Macht
des Prieſters, der jedoch hier nur im Namen des Allmäch-
tigen
handelt *), Brot und Wein wirklich in Fleiſch und
Blut verwandelt werden. Der Proteſtant weicht nur kluger
Weiſe einer beſtimmten Erklärung aus: er gibt ſich nur keine
ſinnfällige Blöße, wie die fromme unkritiſche Einfalt des
Katholicismus, deſſen Gott, als ein äußerliches Object ſelbſt
von einer Maus aufgezehrt werden kann; er beherbergt ſeinen
Gott bei ſich, da, wo er ihm nicht mehr entriſſen werden kann
und ſichert ihn dadurch eben ſo vor der Macht des Zufalls,
als des Spottes; verzehrt aber deſſen ungeachtet eben ſo gut,
wie der Katholik, im Brote und Weine wirkliches Fleiſch und
Blut. Wie wenig unterſchieden ſich namentlich anfänglich die

*) Creator vini est qui vinum provehit in sanguinem Christi.
Bernard. Non suis sermonibus sacerdos, sed utitur sermonibus
Christi. Ergo sermo Christi conficit hoc sacramentum. Quis sermo
Christi? Nempe is quo facta sunt omnia. Ambrosius de sacram,
I. IV. c. 4.
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[331/0349] der Scholaſtiker! Sie waren nothwendige Conſequenzen des Glaubens. Was nur Gemüthsſache iſt, ſollte Vernunftſache ſein, was dem Verſtande widerſpricht, ſollte ihm nicht wider- ſprechen. Das war der Grundwiderſpruch der Scholaſtik, woraus ſich alle andern Widerſprüche von ſelbſt ergaben. Aber gelten nicht heute noch die Glaubensdinge für reale Dinge? Und es iſt von keiner beſondern Erheblichkeit, ob ich die proteſtantiſche oder katholiſche Abendmahlslehre glaube. Der Unterſchied iſt nur der, daß ſich im Proteſtantismus erſt auf der Zunge im Actus des Genuſſes Fleiſch und Blut auf eine völlig wunderbare Weiſe mit Wort und Wein verbinden; im Katholicismus aber ſchon vor dem Genuß durch die Macht des Prieſters, der jedoch hier nur im Namen des Allmäch- tigen handelt *), Brot und Wein wirklich in Fleiſch und Blut verwandelt werden. Der Proteſtant weicht nur kluger Weiſe einer beſtimmten Erklärung aus: er gibt ſich nur keine ſinnfällige Blöße, wie die fromme unkritiſche Einfalt des Katholicismus, deſſen Gott, als ein äußerliches Object ſelbſt von einer Maus aufgezehrt werden kann; er beherbergt ſeinen Gott bei ſich, da, wo er ihm nicht mehr entriſſen werden kann und ſichert ihn dadurch eben ſo vor der Macht des Zufalls, als des Spottes; verzehrt aber deſſen ungeachtet eben ſo gut, wie der Katholik, im Brote und Weine wirkliches Fleiſch und Blut. Wie wenig unterſchieden ſich namentlich anfänglich die *) Creator vini est qui vinum provehit in sanguinem Christi. Bernard. Non suis sermonibus sacerdos, sed utitur sermonibus Christi. Ergo sermo Christi conficit hoc sacramentum. Quis sermo Christi? Nempe is quo facta sunt omnia. Ambrosius de sacram, I. IV. c. 4.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/349>, abgerufen am 24.11.2024.