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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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überhaupt läugnen. Das wunderwirkende Taufwasser hat
seine natürliche Quelle in dem Wasser, welches an der Hoch-
zeit zu Kana in Wein verwandelt wurde.

Der Glaube, der durch Wunder bewirkt wird, hängt nicht
ab von mir, von meiner Selbstthätigkeit, von der Freiheit der
Ueberzeugungs- und Urtheilskraft. Ein Wunder, das vor
meinen Augen geschieht, muß ich glauben, wenn ich nicht ab-
solut verstockt bin. Das Wunder nöthigt mir auf den Glau-
ben an die Gottheit des Wunderthäters *). Allerdings setzt es
in gewissen Fällen Glauben voraus, nämlich da, wo es als
Belohnung erscheint, außerdem aber nicht sowohl wirklichen
Glauben, als vielmehr nur gläubigen Sinn, Disposition,
Bereitwilligkeit, Hingebung im Gegensatz zu dem unglaublich
verstockten und böswilligen Sinn der Pharisäer. Das Wunder
soll ja beweisen, daß der Wunderthäter wirklich der ist, für
den er sich ausgibt. Erst der auf das Wunder gestützte Glaube
ist bewiesener, begründeter, objectiver Glaube. Der Glaube,
den das Wunder voraussetzt, ist nur der Glaube an einen
Messias, einen Christus überhaupt, aber den Glauben, daß
dieser Mensch hier der Christus ist -- diesen Glauben -- und
dieser ist die Hauptsache -- bewirkt erst das Wunder. Uebri-
gens ist auch die Voraussetzung selbst dieses unbestimmten
Glaubens keineswegs nothwendig. Unzählige wurden erst durch
die Wunder gläubig; das Wunder war also die Ursache ihres
Glaubens. Wenn daher die Wunder dem Christenthum nicht

*) In Beziehung auf den Wunderthäter ist allerdings der Glaube
(die Zuversicht zu Gottes Beistand) die causa efficiens des Wunders
(s. z. B. Matth. 17, 20. Apstgesch. 6, 8). Aber in Beziehung auf den
Zuschauer des Wunders -- und davon handelt es sich hier -- ist das Wun-
der die causa efficiens des Glaubens.
21*

überhaupt läugnen. Das wunderwirkende Taufwaſſer hat
ſeine natürliche Quelle in dem Waſſer, welches an der Hoch-
zeit zu Kana in Wein verwandelt wurde.

Der Glaube, der durch Wunder bewirkt wird, hängt nicht
ab von mir, von meiner Selbſtthätigkeit, von der Freiheit der
Ueberzeugungs- und Urtheilskraft. Ein Wunder, das vor
meinen Augen geſchieht, muß ich glauben, wenn ich nicht ab-
ſolut verſtockt bin. Das Wunder nöthigt mir auf den Glau-
ben an die Gottheit des Wunderthäters *). Allerdings ſetzt es
in gewiſſen Fällen Glauben voraus, nämlich da, wo es als
Belohnung erſcheint, außerdem aber nicht ſowohl wirklichen
Glauben, als vielmehr nur gläubigen Sinn, Dispoſition,
Bereitwilligkeit, Hingebung im Gegenſatz zu dem unglaublich
verſtockten und böswilligen Sinn der Phariſäer. Das Wunder
ſoll ja beweiſen, daß der Wunderthäter wirklich der iſt, für
den er ſich ausgibt. Erſt der auf das Wunder geſtützte Glaube
iſt bewieſener, begründeter, objectiver Glaube. Der Glaube,
den das Wunder vorausſetzt, iſt nur der Glaube an einen
Meſſias, einen Chriſtus überhaupt, aber den Glauben, daß
dieſer Menſch hier der Chriſtus iſt — dieſen Glauben — und
dieſer iſt die Hauptſache — bewirkt erſt das Wunder. Uebri-
gens iſt auch die Vorausſetzung ſelbſt dieſes unbeſtimmten
Glaubens keineswegs nothwendig. Unzählige wurden erſt durch
die Wunder gläubig; das Wunder war alſo die Urſache ihres
Glaubens. Wenn daher die Wunder dem Chriſtenthum nicht

*) In Beziehung auf den Wunderthäter iſt allerdings der Glaube
(die Zuverſicht zu Gottes Beiſtand) die causa efficiens des Wunders
(ſ. z. B. Matth. 17, 20. Apſtgeſch. 6, 8). Aber in Beziehung auf den
Zuſchauer des Wunders — und davon handelt es ſich hier — iſt das Wun-
der die causa efficiens des Glaubens.
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[323/0341] überhaupt läugnen. Das wunderwirkende Taufwaſſer hat ſeine natürliche Quelle in dem Waſſer, welches an der Hoch- zeit zu Kana in Wein verwandelt wurde. Der Glaube, der durch Wunder bewirkt wird, hängt nicht ab von mir, von meiner Selbſtthätigkeit, von der Freiheit der Ueberzeugungs- und Urtheilskraft. Ein Wunder, das vor meinen Augen geſchieht, muß ich glauben, wenn ich nicht ab- ſolut verſtockt bin. Das Wunder nöthigt mir auf den Glau- ben an die Gottheit des Wunderthäters *). Allerdings ſetzt es in gewiſſen Fällen Glauben voraus, nämlich da, wo es als Belohnung erſcheint, außerdem aber nicht ſowohl wirklichen Glauben, als vielmehr nur gläubigen Sinn, Dispoſition, Bereitwilligkeit, Hingebung im Gegenſatz zu dem unglaublich verſtockten und böswilligen Sinn der Phariſäer. Das Wunder ſoll ja beweiſen, daß der Wunderthäter wirklich der iſt, für den er ſich ausgibt. Erſt der auf das Wunder geſtützte Glaube iſt bewieſener, begründeter, objectiver Glaube. Der Glaube, den das Wunder vorausſetzt, iſt nur der Glaube an einen Meſſias, einen Chriſtus überhaupt, aber den Glauben, daß dieſer Menſch hier der Chriſtus iſt — dieſen Glauben — und dieſer iſt die Hauptſache — bewirkt erſt das Wunder. Uebri- gens iſt auch die Vorausſetzung ſelbſt dieſes unbeſtimmten Glaubens keineswegs nothwendig. Unzählige wurden erſt durch die Wunder gläubig; das Wunder war alſo die Urſache ihres Glaubens. Wenn daher die Wunder dem Chriſtenthum nicht *) In Beziehung auf den Wunderthäter iſt allerdings der Glaube (die Zuverſicht zu Gottes Beiſtand) die causa efficiens des Wunders (ſ. z. B. Matth. 17, 20. Apſtgeſch. 6, 8). Aber in Beziehung auf den Zuſchauer des Wunders — und davon handelt es ſich hier — iſt das Wun- der die causa efficiens des Glaubens. 21*

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/341>, abgerufen am 28.11.2024.