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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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tisch, wesentliches Merkmal einer Person, einer Substanz.
Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es ist das-
selbe
in ihm, was im Menschen, aber als ein Andres,
mit dem Postulat: es soll ein Andres sein. Die drei Per-
sonen in Gott haben keine Existenz außer einander; sonst
würden uns im Himmel der christlichen Dogmatik mit aller
Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber
doch wenigstens drei göttliche Personen in individueller Gestalt,
drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps
waren wirkliche Personen, denn sie existirten außer einander,
sie hatten das Wahrzeichen der Realität der Persönlichkeit in
ihrer Individualität, stimmten aber im Wesen, in der Gottheit
überein; sie hatten verschiedne persönliche Attribute, aber
waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi-
stirende Subjecte verschieden: sie waren wahrhafte göttliche
Personen. Die drei christlichen Personen dagegen sind nur
vorgestellte, eingebildete, vorgeheuchelte Personen
-- allerdings andere Personen als die wirklichen Personen,
eben weil sie nur eingebildete, nur Schemen von Persönlich-
keiten sind, zugleich aber dennoch wirkliche Personen sein wol-
len
und sollen. Das wesentliche Merkmal persönlicher Rea-
lität, das polytheistische Element ist ausgeschlossen, negirt
als ungöttlich. Aber eben durch diese Negation wird ihre
Persönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in
der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per-
sonen
. Die drei christlichen Personen sind aber nicht tres
Dii,
drei Götter -- sie sollen es wenigstens nicht sein --
sondern unus Deus. Die drei Personen endigen nicht, wie zu
erwarten, in einem Plural, sondern Singular; sie sind nicht
nur Unum, Eins -- solches sind auch die Götter des Poly-

tiſch, weſentliches Merkmal einer Perſon, einer Subſtanz.
Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es iſt daſ-
ſelbe
in ihm, was im Menſchen, aber als ein Andres,
mit dem Poſtulat: es ſoll ein Andres ſein. Die drei Per-
ſonen in Gott haben keine Exiſtenz außer einander; ſonſt
würden uns im Himmel der chriſtlichen Dogmatik mit aller
Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber
doch wenigſtens drei göttliche Perſonen in individueller Geſtalt,
drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps
waren wirkliche Perſonen, denn ſie exiſtirten außer einander,
ſie hatten das Wahrzeichen der Realität der Perſönlichkeit in
ihrer Individualität, ſtimmten aber im Weſen, in der Gottheit
überein; ſie hatten verſchiedne perſönliche Attribute, aber
waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi-
ſtirende Subjecte verſchieden: ſie waren wahrhafte göttliche
Perſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen dagegen ſind nur
vorgeſtellte, eingebildete, vorgeheuchelte Perſonen
— allerdings andere Perſonen als die wirklichen Perſonen,
eben weil ſie nur eingebildete, nur Schemen von Perſönlich-
keiten ſind, zugleich aber dennoch wirkliche Perſonen ſein wol-
len
und ſollen. Das weſentliche Merkmal perſönlicher Rea-
lität, das polytheiſtiſche Element iſt ausgeſchloſſen, negirt
als ungöttlich. Aber eben durch dieſe Negation wird ihre
Perſönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in
der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per-
ſonen
. Die drei chriſtlichen Perſonen ſind aber nicht tres
Dii,
drei Götter — ſie ſollen es wenigſtens nicht ſein —
ſondern unus Deus. Die drei Perſonen endigen nicht, wie zu
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[317/0335] tiſch, weſentliches Merkmal einer Perſon, einer Subſtanz. Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es iſt daſ- ſelbe in ihm, was im Menſchen, aber als ein Andres, mit dem Poſtulat: es ſoll ein Andres ſein. Die drei Per- ſonen in Gott haben keine Exiſtenz außer einander; ſonſt würden uns im Himmel der chriſtlichen Dogmatik mit aller Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber doch wenigſtens drei göttliche Perſonen in individueller Geſtalt, drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps waren wirkliche Perſonen, denn ſie exiſtirten außer einander, ſie hatten das Wahrzeichen der Realität der Perſönlichkeit in ihrer Individualität, ſtimmten aber im Weſen, in der Gottheit überein; ſie hatten verſchiedne perſönliche Attribute, aber waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi- ſtirende Subjecte verſchieden: ſie waren wahrhafte göttliche Perſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen dagegen ſind nur vorgeſtellte, eingebildete, vorgeheuchelte Perſonen — allerdings andere Perſonen als die wirklichen Perſonen, eben weil ſie nur eingebildete, nur Schemen von Perſönlich- keiten ſind, zugleich aber dennoch wirkliche Perſonen ſein wol- len und ſollen. Das weſentliche Merkmal perſönlicher Rea- lität, das polytheiſtiſche Element iſt ausgeſchloſſen, negirt als ungöttlich. Aber eben durch dieſe Negation wird ihre Perſönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per- ſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen ſind aber nicht tres Dii, drei Götter — ſie ſollen es wenigſtens nicht ſein — ſondern unus Deus. Die drei Perſonen endigen nicht, wie zu erwarten, in einem Plural, ſondern Singular; ſie ſind nicht nur Unum, Eins — ſolches ſind auch die Götter des Poly-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/335>, abgerufen am 28.11.2024.