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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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Es sind drei Personen, aber sie sind nicht wesentlich
unterschieden. Tres personae, aber una essentia. So weit
geht es natürlich zu. Wir denken uns drei und selbst mehrere
Personen, die im Wesen identisch sind. So wir Menschen
unterscheiden uns von einander durch persönliche Unterschiede,
aber in der Hauptsache, im Wesen, in der Menschheit sind wir
eins. Und diese Identification macht nicht nur der speculirende
Verstand, sondern selbst das Gefühl. Dieses Individuum
da ist Mensch wie wir; punctum satis; in diesem Gefühle
verschwinden alle andern Unterschiede -- ob reich oder arm,
gescheut oder dumm, schuldig oder unschuldig. Das Gefühl
des Mitleids, der Theilnahme ist daher ein substanzielles, we-
senhaftes, ein speculatives Gefühl. Aber die drei oder mehrere
menschlichen Personen existiren außer einander, haben eine
getrennte Existenz, auch wenn sie die Einheit des Wesens
noch außerdem durch innige Liebe verwirklichen, bestätigen
sollten. Sie constituiren durch die Liebe eine moralische Person,
aber haben, jede für sich, eine physikalische Existenz. Wenn
sie auch gegenseitig noch so sehr von einander erfüllt sind, sich
nicht entbehren können, so haben sie doch immer ein formel-
les Fürsichsein
. Fürsichsein und Außerandernsein ist iden-

nommenes unangemessenes Bild sei, der Trinität die Seele, das Herz
aus dem Leibe reißt. Wahrlich, wenn man die Kunstgriffe cabbali-
stischer Willkühr
, welche die speculativen Religionsphilosophen zu
Gunsten der absoluten Religion anwenden, auch den endlichen Religionen
zu Gute lassen kommen dürfte oder wollte, so wäre es nicht schwierig, auch
schon aus den Hörnern des ägyptischen Apis die Pandora-
büchse der christlichen Dogmatik herauszudrechseln
.
Man bedürfte hiezu nichts weiter als die ominöse, zur Rechtfertigung
jedes Unsinns geschickte Trennung von Verstand und speculativer
Vernunft.

Es ſind drei Perſonen, aber ſie ſind nicht weſentlich
unterſchieden. Tres personae, aber una essentia. So weit
geht es natürlich zu. Wir denken uns drei und ſelbſt mehrere
Perſonen, die im Weſen identiſch ſind. So wir Menſchen
unterſcheiden uns von einander durch perſönliche Unterſchiede,
aber in der Hauptſache, im Weſen, in der Menſchheit ſind wir
eins. Und dieſe Identification macht nicht nur der ſpeculirende
Verſtand, ſondern ſelbſt das Gefühl. Dieſes Individuum
da iſt Menſch wie wir; punctum satis; in dieſem Gefühle
verſchwinden alle andern Unterſchiede — ob reich oder arm,
geſcheut oder dumm, ſchuldig oder unſchuldig. Das Gefühl
des Mitleids, der Theilnahme iſt daher ein ſubſtanzielles, we-
ſenhaftes, ein ſpeculatives Gefühl. Aber die drei oder mehrere
menſchlichen Perſonen exiſtiren außer einander, haben eine
getrennte Exiſtenz, auch wenn ſie die Einheit des Weſens
noch außerdem durch innige Liebe verwirklichen, beſtätigen
ſollten. Sie conſtituiren durch die Liebe eine moraliſche Perſon,
aber haben, jede für ſich, eine phyſikaliſche Exiſtenz. Wenn
ſie auch gegenſeitig noch ſo ſehr von einander erfüllt ſind, ſich
nicht entbehren können, ſo haben ſie doch immer ein formel-
les Fürſichſein
. Fürſichſein und Außerandernſein iſt iden-

nommenes unangemeſſenes Bild ſei, der Trinität die Seele, das Herz
aus dem Leibe reißt. Wahrlich, wenn man die Kunſtgriffe cabbali-
ſtiſcher Willkühr
, welche die ſpeculativen Religionsphiloſophen zu
Gunſten der abſoluten Religion anwenden, auch den endlichen Religionen
zu Gute laſſen kommen dürfte oder wollte, ſo wäre es nicht ſchwierig, auch
ſchon aus den Hörnern des ägyptiſchen Apis die Pandora-
büchſe der chriſtlichen Dogmatik herauszudrechſeln
.
Man bedürfte hiezu nichts weiter als die ominöſe, zur Rechtfertigung
jedes Unſinns geſchickte Trennung von Verſtand und ſpeculativer
Vernunft.
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[316/0334] Es ſind drei Perſonen, aber ſie ſind nicht weſentlich unterſchieden. Tres personae, aber una essentia. So weit geht es natürlich zu. Wir denken uns drei und ſelbſt mehrere Perſonen, die im Weſen identiſch ſind. So wir Menſchen unterſcheiden uns von einander durch perſönliche Unterſchiede, aber in der Hauptſache, im Weſen, in der Menſchheit ſind wir eins. Und dieſe Identification macht nicht nur der ſpeculirende Verſtand, ſondern ſelbſt das Gefühl. Dieſes Individuum da iſt Menſch wie wir; punctum satis; in dieſem Gefühle verſchwinden alle andern Unterſchiede — ob reich oder arm, geſcheut oder dumm, ſchuldig oder unſchuldig. Das Gefühl des Mitleids, der Theilnahme iſt daher ein ſubſtanzielles, we- ſenhaftes, ein ſpeculatives Gefühl. Aber die drei oder mehrere menſchlichen Perſonen exiſtiren außer einander, haben eine getrennte Exiſtenz, auch wenn ſie die Einheit des Weſens noch außerdem durch innige Liebe verwirklichen, beſtätigen ſollten. Sie conſtituiren durch die Liebe eine moraliſche Perſon, aber haben, jede für ſich, eine phyſikaliſche Exiſtenz. Wenn ſie auch gegenſeitig noch ſo ſehr von einander erfüllt ſind, ſich nicht entbehren können, ſo haben ſie doch immer ein formel- les Fürſichſein. Fürſichſein und Außerandernſein iſt iden- *) *) nommenes unangemeſſenes Bild ſei, der Trinität die Seele, das Herz aus dem Leibe reißt. Wahrlich, wenn man die Kunſtgriffe cabbali- ſtiſcher Willkühr, welche die ſpeculativen Religionsphiloſophen zu Gunſten der abſoluten Religion anwenden, auch den endlichen Religionen zu Gute laſſen kommen dürfte oder wollte, ſo wäre es nicht ſchwierig, auch ſchon aus den Hörnern des ägyptiſchen Apis die Pandora- büchſe der chriſtlichen Dogmatik herauszudrechſeln. Man bedürfte hiezu nichts weiter als die ominöſe, zur Rechtfertigung jedes Unſinns geſchickte Trennung von Verſtand und ſpeculativer Vernunft.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/334>, abgerufen am 28.11.2024.