Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.zu einem übernatürlichen Mittel, um an sich natürliche *) In der rohsinnlichen Vorstellung ist daher das Gebet ein Zwangs-
oder Zaubermittel. Diese Vorstellung ist aber eine unchristliche, (obwohl sich auch bei vielen Christen die Behauptung findet, daß das Gebet Gott zwingt) denn im Christenthum ist Gott an und für sich das selbstbefriedigte Gemüth, die nichts dem (natürlich religiösen) Gemüthe abschlagende All- macht der Güte. Der Vorstellung des Zwangs liegt aber ein gemüthloser Gott zu Grunde. zu einem übernatürlichen Mittel, um an ſich natürliche *) In der rohſinnlichen Vorſtellung iſt daher das Gebet ein Zwangs-
oder Zaubermittel. Dieſe Vorſtellung iſt aber eine unchriſtliche, (obwohl ſich auch bei vielen Chriſten die Behauptung findet, daß das Gebet Gott zwingt) denn im Chriſtenthum iſt Gott an und für ſich das ſelbſtbefriedigte Gemüth, die nichts dem (natürlich religiöſen) Gemüthe abſchlagende All- macht der Güte. Der Vorſtellung des Zwangs liegt aber ein gemüthloſer Gott zu Grunde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0279" n="261"/> zu einem <hi rendition="#g">übernatürlichen</hi> Mittel, um <hi rendition="#g">an ſich</hi> natürliche<lb/> Zwecke zu erreichen. Gott iſt ihm nicht die <hi rendition="#aq">causa remota,</hi><lb/> ſondern die <hi rendition="#aq">causa proxima,</hi> die unmittelbare, allernächſte wir-<lb/> kende Urſache aller natürlichen Wirkungen. Alle ſogenannte<lb/> Mittelkräfte und Mittelurſachen ſind ihm im Gebete Nichts.<lb/> Wären ſie ihm Etwas, ſo würde daran die Macht, die In-<lb/> brunſt des Gebetes ſcheitern. Sie ſind ihm vielmehr gar nicht<lb/> Gegenſtand; ſonſt würde er ja nur auf vermitteltem Wege ſei-<lb/> nen Zweck zu erreichen ſuchen. Aber er will <hi rendition="#g">unmittelbare</hi><lb/> Hülfe. Er nimmt ſeine Zuflucht zum Gebete in der Gewiß-<lb/> heit, daß er durchs Gebet mehr, unendlich mehr vermag als<lb/> durch alle Anſtrengung und Thätigkeit der Vernunft und<lb/> Natur, daß das Gebet übermenſchliche und übernatürliche<lb/> Kräfte beſitzt <note place="foot" n="*)">In der rohſinnlichen Vorſtellung iſt daher das Gebet ein Zwangs-<lb/> oder Zaubermittel. Dieſe Vorſtellung iſt aber eine unchriſtliche, (obwohl<lb/> ſich auch bei vielen Chriſten die Behauptung findet, daß das Gebet Gott<lb/> zwingt) denn im Chriſtenthum iſt Gott an und für ſich das ſelbſtbefriedigte<lb/> Gemüth, die nichts dem (natürlich religiöſen) Gemüthe abſchlagende All-<lb/> macht der Güte. Der Vorſtellung des Zwangs liegt aber ein gemüthloſer<lb/> Gott zu Grunde.</note>. Aber im Gebet wendet er ſich unmittelbar<lb/> an Gott. Gott iſt ihm alſo die <hi rendition="#g">unmittelbare</hi> Urſache, das<lb/> erfüllte Gebet, die Macht, die das Gebet realiſirt. Aber eine<lb/> unmittelbare Wirkung Gottes iſt ein Wunder — das Wun-<lb/> der liegt daher weſentlich in der Anſchauung der Religion.<lb/> Die Religion erklärt Alles auf <hi rendition="#g">wunderbare</hi> Weiſe. Daß<lb/> Wunder nicht immer geſchehen, das verſteht ſich von ſelbſt,<lb/> wie, daß der Menſch nicht immer betet. Aber daß nicht immer<lb/> Wunder geſchehen, das liegt <hi rendition="#g">außer</hi> dem Weſen der Religion,<lb/> nur in der empiriſchen, oder ſinnlichen Anſchauung. <hi rendition="#g">Wo<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0279]
zu einem übernatürlichen Mittel, um an ſich natürliche
Zwecke zu erreichen. Gott iſt ihm nicht die causa remota,
ſondern die causa proxima, die unmittelbare, allernächſte wir-
kende Urſache aller natürlichen Wirkungen. Alle ſogenannte
Mittelkräfte und Mittelurſachen ſind ihm im Gebete Nichts.
Wären ſie ihm Etwas, ſo würde daran die Macht, die In-
brunſt des Gebetes ſcheitern. Sie ſind ihm vielmehr gar nicht
Gegenſtand; ſonſt würde er ja nur auf vermitteltem Wege ſei-
nen Zweck zu erreichen ſuchen. Aber er will unmittelbare
Hülfe. Er nimmt ſeine Zuflucht zum Gebete in der Gewiß-
heit, daß er durchs Gebet mehr, unendlich mehr vermag als
durch alle Anſtrengung und Thätigkeit der Vernunft und
Natur, daß das Gebet übermenſchliche und übernatürliche
Kräfte beſitzt *). Aber im Gebet wendet er ſich unmittelbar
an Gott. Gott iſt ihm alſo die unmittelbare Urſache, das
erfüllte Gebet, die Macht, die das Gebet realiſirt. Aber eine
unmittelbare Wirkung Gottes iſt ein Wunder — das Wun-
der liegt daher weſentlich in der Anſchauung der Religion.
Die Religion erklärt Alles auf wunderbare Weiſe. Daß
Wunder nicht immer geſchehen, das verſteht ſich von ſelbſt,
wie, daß der Menſch nicht immer betet. Aber daß nicht immer
Wunder geſchehen, das liegt außer dem Weſen der Religion,
nur in der empiriſchen, oder ſinnlichen Anſchauung. Wo
*) In der rohſinnlichen Vorſtellung iſt daher das Gebet ein Zwangs-
oder Zaubermittel. Dieſe Vorſtellung iſt aber eine unchriſtliche, (obwohl
ſich auch bei vielen Chriſten die Behauptung findet, daß das Gebet Gott
zwingt) denn im Chriſtenthum iſt Gott an und für ſich das ſelbſtbefriedigte
Gemüth, die nichts dem (natürlich religiöſen) Gemüthe abſchlagende All-
macht der Güte. Der Vorſtellung des Zwangs liegt aber ein gemüthloſer
Gott zu Grunde.
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