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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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und zwar so, daß er entweder die Natur läßt wie sie ist, oder
sie ausbessert, und so die Beschwerden seines Lebens in der
Vorstellung des Jenseits überwindet*). Es liegt in dieser
Beschränktheit der uncultivirten Völker ein ergreifender Zug.
Das Jenseits drückt hier nichts andres aus als das Heim-
weh. Der Tod trennt den Menschen von den Seinigen, von
seinem Volke, seinem Lande. Aber der Mensch, der sein Be-
wußtsein nicht erweitert hat, kann es in dieser Trennung nicht
aushalten; er muß wieder zurück in sein Heimathland. Die
Neger in Westindien entleibten sich, um in ihrem Vaterlande
wieder aufzuleben. Auch "nach Oisians Vorstellung schweben
die Geister Derer, die in einem fremden Lande sterben, nach
ihrer Heimath zurück**)." Es ist diese Beschränktheit das
directe Gegentheil von dem phantastischen Spiritualismus,
welcher den Menschen zu einem Vagabunden macht, der, gleich-
gültig selbst gegen die Erde, von einem Stern zum andern
läuft. Und es liegt ihr allerdings eine reelle Wahrheit zu
Grunde. Der Mensch ist, was er ist, durch die Natur, so viel
auch seiner Selbstthätigkeit angehört; aber auch seine Selbst-
thätigkeit hat in der Natur, respective seiner Natur, ihren
Grund. Seid dankbar gegen die Natur! Der Mensch läßt
sich nicht von ihr abtrennen. Der Germane, dessen Gottheit
die Spontaneität ist, verdankt seinen Charakter eben so gut

*) Aeltern Reisebeschreibungen zufolge denken sich jedoch manche
Völker das künftige Leben nicht identisch mit dem gegenwärtigen oder
besser, sondern sogar noch elender. -- Parny (Oeuv. chois. T. I. Me-
lang
.) erzählt von einem sterbenden Negersclaven, der sich die Ein-
weihung zur Unsterblichkeit durch die Taufe mit den Worten verbat:
je ne veux point d'une autre vie, car peut-etre y serais-je en-
core votre esclave
.
**) Ahlwardt (Ossian Anm. zu Carthonn.).

und zwar ſo, daß er entweder die Natur läßt wie ſie iſt, oder
ſie ausbeſſert, und ſo die Beſchwerden ſeines Lebens in der
Vorſtellung des Jenſeits überwindet*). Es liegt in dieſer
Beſchränktheit der uncultivirten Völker ein ergreifender Zug.
Das Jenſeits drückt hier nichts andres aus als das Heim-
weh. Der Tod trennt den Menſchen von den Seinigen, von
ſeinem Volke, ſeinem Lande. Aber der Menſch, der ſein Be-
wußtſein nicht erweitert hat, kann es in dieſer Trennung nicht
aushalten; er muß wieder zurück in ſein Heimathland. Die
Neger in Weſtindien entleibten ſich, um in ihrem Vaterlande
wieder aufzuleben. Auch „nach Oiſians Vorſtellung ſchweben
die Geiſter Derer, die in einem fremden Lande ſterben, nach
ihrer Heimath zurück**).“ Es iſt dieſe Beſchränktheit das
directe Gegentheil von dem phantaſtiſchen Spiritualismus,
welcher den Menſchen zu einem Vagabunden macht, der, gleich-
gültig ſelbſt gegen die Erde, von einem Stern zum andern
läuft. Und es liegt ihr allerdings eine reelle Wahrheit zu
Grunde. Der Menſch iſt, was er iſt, durch die Natur, ſo viel
auch ſeiner Selbſtthätigkeit angehört; aber auch ſeine Selbſt-
thätigkeit hat in der Natur, reſpective ſeiner Natur, ihren
Grund. Seid dankbar gegen die Natur! Der Menſch läßt
ſich nicht von ihr abtrennen. Der Germane, deſſen Gottheit
die Spontaneität iſt, verdankt ſeinen Charakter eben ſo gut

*) Aeltern Reiſebeſchreibungen zufolge denken ſich jedoch manche
Völker das künftige Leben nicht identiſch mit dem gegenwärtigen oder
beſſer, ſondern ſogar noch elender. — Parny (Oeuv. chois. T. I. Me-
lang
.) erzählt von einem ſterbenden Negerſclaven, der ſich die Ein-
weihung zur Unſterblichkeit durch die Taufe mit den Worten verbat:
je ne veux point d’une autre vie, car peut-être y serais-je en-
core votre esclave
.
**) Ahlwardt (Oſſian Anm. zu Carthonn.).
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[239/0257] und zwar ſo, daß er entweder die Natur läßt wie ſie iſt, oder ſie ausbeſſert, und ſo die Beſchwerden ſeines Lebens in der Vorſtellung des Jenſeits überwindet *). Es liegt in dieſer Beſchränktheit der uncultivirten Völker ein ergreifender Zug. Das Jenſeits drückt hier nichts andres aus als das Heim- weh. Der Tod trennt den Menſchen von den Seinigen, von ſeinem Volke, ſeinem Lande. Aber der Menſch, der ſein Be- wußtſein nicht erweitert hat, kann es in dieſer Trennung nicht aushalten; er muß wieder zurück in ſein Heimathland. Die Neger in Weſtindien entleibten ſich, um in ihrem Vaterlande wieder aufzuleben. Auch „nach Oiſians Vorſtellung ſchweben die Geiſter Derer, die in einem fremden Lande ſterben, nach ihrer Heimath zurück **).“ Es iſt dieſe Beſchränktheit das directe Gegentheil von dem phantaſtiſchen Spiritualismus, welcher den Menſchen zu einem Vagabunden macht, der, gleich- gültig ſelbſt gegen die Erde, von einem Stern zum andern läuft. Und es liegt ihr allerdings eine reelle Wahrheit zu Grunde. Der Menſch iſt, was er iſt, durch die Natur, ſo viel auch ſeiner Selbſtthätigkeit angehört; aber auch ſeine Selbſt- thätigkeit hat in der Natur, reſpective ſeiner Natur, ihren Grund. Seid dankbar gegen die Natur! Der Menſch läßt ſich nicht von ihr abtrennen. Der Germane, deſſen Gottheit die Spontaneität iſt, verdankt ſeinen Charakter eben ſo gut *) Aeltern Reiſebeſchreibungen zufolge denken ſich jedoch manche Völker das künftige Leben nicht identiſch mit dem gegenwärtigen oder beſſer, ſondern ſogar noch elender. — Parny (Oeuv. chois. T. I. Me- lang.) erzählt von einem ſterbenden Negerſclaven, der ſich die Ein- weihung zur Unſterblichkeit durch die Taufe mit den Worten verbat: je ne veux point d’une autre vie, car peut-être y serais-je en- core votre esclave. **) Ahlwardt (Oſſian Anm. zu Carthonn.).

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/257>, abgerufen am 24.11.2024.