Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

die letzte Zuversicht, der höchste Selbstgenuß, der
höchste Trost des Gemüthes
; denn nur im Blute Christi
ist der Durst nach einem persönlichen, d. i. menschlichen,
theilnehmenden, empfindenden
Gotte gestillt.

"Darum wir es für einen schädlichen Irrthum halten, da
Christo nach seiner Menschheit solche (nämlich göttliche)
Majestät entzogen, dadurch den Christen ihr höchster Trost ge-
nommen, den sie in ... Verheißung von der Gegenwärtigkeit
und Beiwohnung ihres Haupts, Königs und Hohenpriesters
haben, der ihnen versprochen hat, daß nicht allein seine bloße
Gottheit, welche gegen uns arme Sünder, wie ein verzehren-
des Feuer gegen dürre Stoppeln ist, sondern Er, Er, der
Mensch
, der mit ihnen geredet hat, der alle Trübsal in sei-
ner angenommenen menschlichen Gestalt versucht hat, der
dahero auch mit uns, als mit Menschen und seinen Brü-
dern ein Mitleiden
haben kann, der wolle bei uns sein in
allen unsern Nöthen, auch nach der Natur, nach welcher er
unser Bruder ist und wir Fleisch von seinem Fleische
sind
*)."

Oberflächlich ist es, wenn man gesagt, das Christenthum
sei nicht die Religion von einem persönlichen Gott, sondern
von drei Persönlichkeiten. Diese drei Persönlichkeiten haben
allerdings in der Dogmatik Existenz; aber auch hier ist die Per-
sönlichkeit des heil. Geistes nur ein willkührlicher Machtspruch,
welcher durch die unpersönlichen Bestimmungen, wie z. B. die,
daß der heil. Geist die Gabe, das donum des Vaters und
Sohnes sei, widerlegt wird**). Schon der Ausgang des

*) Concordienb. Erklär. Art. 8.
**) Schon Faustus Socinus hat dieß aufs Trefflichste gezeigt. S. des-

die letzte Zuverſicht, der höchſte Selbſtgenuß, der
höchſte Troſt des Gemüthes
; denn nur im Blute Chriſti
iſt der Durſt nach einem perſönlichen, d. i. menſchlichen,
theilnehmenden, empfindenden
Gotte geſtillt.

„Darum wir es für einen ſchädlichen Irrthum halten, da
Chriſto nach ſeiner Menſchheit ſolche (nämlich göttliche)
Majeſtät entzogen, dadurch den Chriſten ihr höchſter Troſt ge-
nommen, den ſie in … Verheißung von der Gegenwärtigkeit
und Beiwohnung ihres Haupts, Königs und Hohenprieſters
haben, der ihnen verſprochen hat, daß nicht allein ſeine bloße
Gottheit, welche gegen uns arme Sünder, wie ein verzehren-
des Feuer gegen dürre Stoppeln iſt, ſondern Er, Er, der
Menſch
, der mit ihnen geredet hat, der alle Trübſal in ſei-
ner angenommenen menſchlichen Geſtalt verſucht hat, der
dahero auch mit uns, als mit Menſchen und ſeinen Brü-
dern ein Mitleiden
haben kann, der wolle bei uns ſein in
allen unſern Nöthen, auch nach der Natur, nach welcher er
unſer Bruder iſt und wir Fleiſch von ſeinem Fleiſche
ſind
*).“

Oberflächlich iſt es, wenn man geſagt, das Chriſtenthum
ſei nicht die Religion von einem perſönlichen Gott, ſondern
von drei Perſönlichkeiten. Dieſe drei Perſönlichkeiten haben
allerdings in der Dogmatik Exiſtenz; aber auch hier iſt die Per-
ſönlichkeit des heil. Geiſtes nur ein willkührlicher Machtſpruch,
welcher durch die unperſönlichen Beſtimmungen, wie z. B. die,
daß der heil. Geiſt die Gabe, das donum des Vaters und
Sohnes ſei, widerlegt wird**). Schon der Ausgang des

*) Concordienb. Erklär. Art. 8.
**) Schon Faustus Socinus hat dieß aufs Trefflichſte gezeigt. S. deſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="194"/><hi rendition="#g">die letzte Zuver&#x017F;icht, der höch&#x017F;te Selb&#x017F;tgenuß, der<lb/>
höch&#x017F;te Tro&#x017F;t des Gemüthes</hi>; denn nur im <hi rendition="#g">Blute</hi> Chri&#x017F;ti<lb/>
i&#x017F;t der Dur&#x017F;t nach einem per&#x017F;önlichen, d. i. <hi rendition="#g">men&#x017F;chlichen,<lb/>
theilnehmenden, empfindenden</hi> Gotte ge&#x017F;tillt.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Darum wir es für einen &#x017F;chädlichen Irrthum halten, da<lb/>
Chri&#x017F;to <hi rendition="#g">nach &#x017F;einer Men&#x017F;chheit</hi> &#x017F;olche (nämlich göttliche)<lb/>
Maje&#x017F;tät entzogen, dadurch den Chri&#x017F;ten ihr höch&#x017F;ter Tro&#x017F;t ge-<lb/>
nommen, den &#x017F;ie in &#x2026; Verheißung von der Gegenwärtigkeit<lb/>
und Beiwohnung ihres Haupts, Königs und Hohenprie&#x017F;ters<lb/>
haben, der ihnen ver&#x017F;prochen hat, daß nicht allein &#x017F;eine bloße<lb/>
Gottheit, welche gegen uns arme Sünder, wie ein verzehren-<lb/>
des Feuer gegen dürre Stoppeln i&#x017F;t, &#x017F;ondern Er, <hi rendition="#g">Er, der<lb/>
Men&#x017F;ch</hi>, der mit ihnen geredet hat, der <hi rendition="#g">alle Trüb&#x017F;al</hi> in &#x017F;ei-<lb/>
ner angenommenen men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;talt <hi rendition="#g">ver&#x017F;ucht hat</hi>, der<lb/>
dahero auch mit <hi rendition="#g">uns</hi>, als <hi rendition="#g">mit Men&#x017F;chen und &#x017F;einen Brü-<lb/>
dern ein Mitleiden</hi> haben kann, der wolle bei uns &#x017F;ein in<lb/>
allen un&#x017F;ern Nöthen, auch nach <hi rendition="#g">der</hi> Natur, <hi rendition="#g">nach welcher er<lb/>
un&#x017F;er Bruder i&#x017F;t und wir Flei&#x017F;ch von &#x017F;einem Flei&#x017F;che<lb/>
&#x017F;ind</hi><note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Concordienb</hi>. Erklär. Art. 8.</note>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Oberflächlich i&#x017F;t es, wenn man ge&#x017F;agt, das Chri&#x017F;tenthum<lb/>
&#x017F;ei nicht die Religion von <hi rendition="#g">einem</hi> per&#x017F;önlichen Gott, &#x017F;ondern<lb/>
von drei Per&#x017F;önlichkeiten. Die&#x017F;e drei Per&#x017F;önlichkeiten haben<lb/>
allerdings in der Dogmatik Exi&#x017F;tenz; aber auch hier i&#x017F;t die Per-<lb/>
&#x017F;önlichkeit des heil. Gei&#x017F;tes nur ein willkührlicher Macht&#x017F;pruch,<lb/>
welcher durch die unper&#x017F;önlichen Be&#x017F;timmungen, wie z. B. die,<lb/>
daß der heil. Gei&#x017F;t die Gabe, das <hi rendition="#aq">donum</hi> des Vaters und<lb/>
Sohnes &#x017F;ei, widerlegt wird<note xml:id="note-0212" next="#note-0213" place="foot" n="**)">Schon <hi rendition="#aq">Faustus Socinus</hi> hat dieß aufs Trefflich&#x017F;te gezeigt. S. de&#x017F;-</note>. Schon der <hi rendition="#g">Ausgang</hi> des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0212] die letzte Zuverſicht, der höchſte Selbſtgenuß, der höchſte Troſt des Gemüthes; denn nur im Blute Chriſti iſt der Durſt nach einem perſönlichen, d. i. menſchlichen, theilnehmenden, empfindenden Gotte geſtillt. „Darum wir es für einen ſchädlichen Irrthum halten, da Chriſto nach ſeiner Menſchheit ſolche (nämlich göttliche) Majeſtät entzogen, dadurch den Chriſten ihr höchſter Troſt ge- nommen, den ſie in … Verheißung von der Gegenwärtigkeit und Beiwohnung ihres Haupts, Königs und Hohenprieſters haben, der ihnen verſprochen hat, daß nicht allein ſeine bloße Gottheit, welche gegen uns arme Sünder, wie ein verzehren- des Feuer gegen dürre Stoppeln iſt, ſondern Er, Er, der Menſch, der mit ihnen geredet hat, der alle Trübſal in ſei- ner angenommenen menſchlichen Geſtalt verſucht hat, der dahero auch mit uns, als mit Menſchen und ſeinen Brü- dern ein Mitleiden haben kann, der wolle bei uns ſein in allen unſern Nöthen, auch nach der Natur, nach welcher er unſer Bruder iſt und wir Fleiſch von ſeinem Fleiſche ſind *).“ Oberflächlich iſt es, wenn man geſagt, das Chriſtenthum ſei nicht die Religion von einem perſönlichen Gott, ſondern von drei Perſönlichkeiten. Dieſe drei Perſönlichkeiten haben allerdings in der Dogmatik Exiſtenz; aber auch hier iſt die Per- ſönlichkeit des heil. Geiſtes nur ein willkührlicher Machtſpruch, welcher durch die unperſönlichen Beſtimmungen, wie z. B. die, daß der heil. Geiſt die Gabe, das donum des Vaters und Sohnes ſei, widerlegt wird **). Schon der Ausgang des *) Concordienb. Erklär. Art. 8. **) Schon Faustus Socinus hat dieß aufs Trefflichſte gezeigt. S. deſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/212
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/212>, abgerufen am 05.12.2024.