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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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"materielle Welt" um des Menschen willen ist, das will
unendlich weniger sagen, als daß Gott oder wenigstens, wenn
wir Paulus folgen, ein Wesen, das fast Gott, kaum zu un-
terscheiden von Gott ist, um des Menschen willen Mensch
wird
.

Wenn aber der Mensch der Zweck der Schöpfung, so ist
er auch der wahre Grund derselben, denn der Zweck ist
das Princip der Thätigkeit. Der Unterschied zwischen dem
Menschen als Zweck der Schöpfung und dem Menschen als
Grund derselben ist nur, daß der Grund der verborgne, inner-
liche Mensch, das Wesen des Menschen, der Zweck aber der
sich offenbare, der empirische, individuelle Mensch ist, daß der
Mensch sich wohl als den Zweck der Schöpfung weiß, aber
nicht als den Grund, weil er den Grund, das Wesen als ein
andres persönliches Wesen von sich unterscheidet *). Allein
dieses andre Wesen, dieses schöpferische Princip ist in der That
nichts andres als sein von den Schranken der Individualität
und Materialität, d. i. Objectivität abgesondertes subjec-
tives Wesen
, der unbeschränkte Wille, die außer allen Zu-
sammenhang mit der Welt gesetzte Persönlichkeit, welche sich
durch die Schöpfung, d. h. das Setzen der Welt, der Objec-
tivität, des Andern als eines unselbstständigen, endli-
chen, nichtigen Daseins
die Gewißheit ihrer Allein-

*) Bei Clemens Alex. (Coh. ad gentes) findet sich eine interes-
sante Stelle. Sie lautet in der lateinischen Uebersetzung (der schlechten
Würzburger Ausgabe 1778): At nos ante mundi constitutionem
fuimus, ratione futurae nostrae productionis, in ipso Deo quodammo-
do tum praeexistentes. Divini igitur Verbi sive Rationis, nos crea-
turae rationales sumus, et per eum primi esse dicimur, quoniam in
principio erat Verbum
. Hier ist das menschliche Wesen -- denn dieses ist
das Geheimniß des Logos, als welcher nichts will und denkt, als das Heil
des Menschen -- deutlich genug als das schöpferische Princip ausgesprochen.

materielle Welt“ um des Menſchen willen iſt, das will
unendlich weniger ſagen, als daß Gott oder wenigſtens, wenn
wir Paulus folgen, ein Weſen, das faſt Gott, kaum zu un-
terſcheiden von Gott iſt, um des Menſchen willen Menſch
wird
.

Wenn aber der Menſch der Zweck der Schöpfung, ſo iſt
er auch der wahre Grund derſelben, denn der Zweck iſt
das Princip der Thätigkeit. Der Unterſchied zwiſchen dem
Menſchen als Zweck der Schöpfung und dem Menſchen als
Grund derſelben iſt nur, daß der Grund der verborgne, inner-
liche Menſch, das Weſen des Menſchen, der Zweck aber der
ſich offenbare, der empiriſche, individuelle Menſch iſt, daß der
Menſch ſich wohl als den Zweck der Schöpfung weiß, aber
nicht als den Grund, weil er den Grund, das Weſen als ein
andres perſönliches Weſen von ſich unterſcheidet *). Allein
dieſes andre Weſen, dieſes ſchöpferiſche Princip iſt in der That
nichts andres als ſein von den Schranken der Individualität
und Materialität, d. i. Objectivität abgeſondertes ſubjec-
tives Weſen
, der unbeſchränkte Wille, die außer allen Zu-
ſammenhang mit der Welt geſetzte Perſönlichkeit, welche ſich
durch die Schöpfung, d. h. das Setzen der Welt, der Objec-
tivität, des Andern als eines unſelbſtſtändigen, endli-
chen, nichtigen Daſeins
die Gewißheit ihrer Allein-

*) Bei Clemens Alex. (Coh. ad gentes) findet ſich eine intereſ-
ſante Stelle. Sie lautet in der lateiniſchen Ueberſetzung (der ſchlechten
Würzburger Ausgabe 1778): At nos ante mundi constitutionem
fuimus, ratione futurae nostrae productionis, in ipso Deo quodammo-
do tum praeexistentes. Divini igitur Verbi sive Rationis, nos crea-
turae rationales sumus, et per eum primi esse dicimur, quoniam in
principio erat Verbum
. Hier iſt das menſchliche Weſen — denn dieſes iſt
das Geheimniß des Logos, als welcher nichts will und denkt, als das Heil
des Menſchen — deutlich genug als das ſchöpferiſche Princip ausgeſprochen.
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[134/0152] „materielle Welt“ um des Menſchen willen iſt, das will unendlich weniger ſagen, als daß Gott oder wenigſtens, wenn wir Paulus folgen, ein Weſen, das faſt Gott, kaum zu un- terſcheiden von Gott iſt, um des Menſchen willen Menſch wird. Wenn aber der Menſch der Zweck der Schöpfung, ſo iſt er auch der wahre Grund derſelben, denn der Zweck iſt das Princip der Thätigkeit. Der Unterſchied zwiſchen dem Menſchen als Zweck der Schöpfung und dem Menſchen als Grund derſelben iſt nur, daß der Grund der verborgne, inner- liche Menſch, das Weſen des Menſchen, der Zweck aber der ſich offenbare, der empiriſche, individuelle Menſch iſt, daß der Menſch ſich wohl als den Zweck der Schöpfung weiß, aber nicht als den Grund, weil er den Grund, das Weſen als ein andres perſönliches Weſen von ſich unterſcheidet *). Allein dieſes andre Weſen, dieſes ſchöpferiſche Princip iſt in der That nichts andres als ſein von den Schranken der Individualität und Materialität, d. i. Objectivität abgeſondertes ſubjec- tives Weſen, der unbeſchränkte Wille, die außer allen Zu- ſammenhang mit der Welt geſetzte Perſönlichkeit, welche ſich durch die Schöpfung, d. h. das Setzen der Welt, der Objec- tivität, des Andern als eines unſelbſtſtändigen, endli- chen, nichtigen Daſeins die Gewißheit ihrer Allein- *) Bei Clemens Alex. (Coh. ad gentes) findet ſich eine intereſ- ſante Stelle. Sie lautet in der lateiniſchen Ueberſetzung (der ſchlechten Würzburger Ausgabe 1778): At nos ante mundi constitutionem fuimus, ratione futurae nostrae productionis, in ipso Deo quodammo- do tum praeexistentes. Divini igitur Verbi sive Rationis, nos crea- turae rationales sumus, et per eum primi esse dicimur, quoniam in principio erat Verbum. Hier iſt das menſchliche Weſen — denn dieſes iſt das Geheimniß des Logos, als welcher nichts will und denkt, als das Heil des Menſchen — deutlich genug als das ſchöpferiſche Princip ausgeſprochen.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/152>, abgerufen am 12.12.2024.