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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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des Urbildes ist die Sanction des Abbildes. Wenn Gott ein
Bild von sich hat, warum soll ich kein Bild von Gott haben?
Wenn Gott sein Ebenbild wie sich selbst liebt, warum soll
auch ich das Bild Gottes nicht wie Gott selbst lieben?
Wenn das Bild Gottes Gott selbst ist, warum soll das Bild
des Heiligen nicht der Heilige selbst sein? Wenn es keine
Superstition ist, daß das Bild, welches sich Gott von sich
macht, kein Bild, kein Gedanke, sondern Substanz, Person ist,
warum soll es denn Superstition sein, daß das Bild des Hei-
ligen die empfindende Substanz des Heiligen selbst ist? Das
Bild Gottes ist lebendig; warum soll denn das Bild des Hei-
ligen todt sein? Das Bild Gottes thränt und blutet; warum
soll denn das Bild des Heiligen nicht auch thränen und blu-
ten? Soll der Unterschied daher kommen, daß das Heiligenbild
ein Product der Hände? Ei; die Hände haben dieses Bild
nicht gemacht, sondern der Geist, der diese Hände beseelte, die
Phantasie, und wenn Gott sich ein Bild von sich macht, so ist
dieses Bild auch nur ein Product der Einbildungskraft. Oder
soll der Unterschied daher kommen, daß das Gottesbild ein
von Gott selbst producirtes, das Heiligenbild aber ein von ei-
nem andern Wesen gemachtes ist? Ei; das Heiligenbild ist
auch eine Selbstbethätigung des Heiligen; denn der Heilige
erscheint dem Künstler; der Künstler stellt ihn nur dar, wie er
sich selbst ihm dargestellt.


Eine andere mit dem Wesen des Bildes zusammenhän-
gende Bestimmung der zweiten Person ist, daß sie das Wort
Gottes ist *).

*) Ueber die Bedeutung des Wortes: Logos im N. T. ist viel geschrie-
ben worden. Wir halten uns hier an das Wort Gottes als die im Chri-

des Urbildes iſt die Sanction des Abbildes. Wenn Gott ein
Bild von ſich hat, warum ſoll ich kein Bild von Gott haben?
Wenn Gott ſein Ebenbild wie ſich ſelbſt liebt, warum ſoll
auch ich das Bild Gottes nicht wie Gott ſelbſt lieben?
Wenn das Bild Gottes Gott ſelbſt iſt, warum ſoll das Bild
des Heiligen nicht der Heilige ſelbſt ſein? Wenn es keine
Superſtition iſt, daß das Bild, welches ſich Gott von ſich
macht, kein Bild, kein Gedanke, ſondern Subſtanz, Perſon iſt,
warum ſoll es denn Superſtition ſein, daß das Bild des Hei-
ligen die empfindende Subſtanz des Heiligen ſelbſt iſt? Das
Bild Gottes iſt lebendig; warum ſoll denn das Bild des Hei-
ligen todt ſein? Das Bild Gottes thränt und blutet; warum
ſoll denn das Bild des Heiligen nicht auch thränen und blu-
ten? Soll der Unterſchied daher kommen, daß das Heiligenbild
ein Product der Hände? Ei; die Hände haben dieſes Bild
nicht gemacht, ſondern der Geiſt, der dieſe Hände beſeelte, die
Phantaſie, und wenn Gott ſich ein Bild von ſich macht, ſo iſt
dieſes Bild auch nur ein Product der Einbildungskraft. Oder
ſoll der Unterſchied daher kommen, daß das Gottesbild ein
von Gott ſelbſt producirtes, das Heiligenbild aber ein von ei-
nem andern Weſen gemachtes iſt? Ei; das Heiligenbild iſt
auch eine Selbſtbethätigung des Heiligen; denn der Heilige
erſcheint dem Künſtler; der Künſtler ſtellt ihn nur dar, wie er
ſich ſelbſt ihm dargeſtellt.


Eine andere mit dem Weſen des Bildes zuſammenhän-
gende Beſtimmung der zweiten Perſon iſt, daß ſie das Wort
Gottes iſt *).

*) Ueber die Bedeutung des Wortes: Logos im N. T. iſt viel geſchrie-
ben worden. Wir halten uns hier an das Wort Gottes als die im Chri-
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[92/0110] des Urbildes iſt die Sanction des Abbildes. Wenn Gott ein Bild von ſich hat, warum ſoll ich kein Bild von Gott haben? Wenn Gott ſein Ebenbild wie ſich ſelbſt liebt, warum ſoll auch ich das Bild Gottes nicht wie Gott ſelbſt lieben? Wenn das Bild Gottes Gott ſelbſt iſt, warum ſoll das Bild des Heiligen nicht der Heilige ſelbſt ſein? Wenn es keine Superſtition iſt, daß das Bild, welches ſich Gott von ſich macht, kein Bild, kein Gedanke, ſondern Subſtanz, Perſon iſt, warum ſoll es denn Superſtition ſein, daß das Bild des Hei- ligen die empfindende Subſtanz des Heiligen ſelbſt iſt? Das Bild Gottes iſt lebendig; warum ſoll denn das Bild des Hei- ligen todt ſein? Das Bild Gottes thränt und blutet; warum ſoll denn das Bild des Heiligen nicht auch thränen und blu- ten? Soll der Unterſchied daher kommen, daß das Heiligenbild ein Product der Hände? Ei; die Hände haben dieſes Bild nicht gemacht, ſondern der Geiſt, der dieſe Hände beſeelte, die Phantaſie, und wenn Gott ſich ein Bild von ſich macht, ſo iſt dieſes Bild auch nur ein Product der Einbildungskraft. Oder ſoll der Unterſchied daher kommen, daß das Gottesbild ein von Gott ſelbſt producirtes, das Heiligenbild aber ein von ei- nem andern Weſen gemachtes iſt? Ei; das Heiligenbild iſt auch eine Selbſtbethätigung des Heiligen; denn der Heilige erſcheint dem Künſtler; der Künſtler ſtellt ihn nur dar, wie er ſich ſelbſt ihm dargeſtellt. Eine andere mit dem Weſen des Bildes zuſammenhän- gende Beſtimmung der zweiten Perſon iſt, daß ſie das Wort Gottes iſt *). *) Ueber die Bedeutung des Wortes: Logos im N. T. iſt viel geſchrie- ben worden. Wir halten uns hier an das Wort Gottes als die im Chri-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/110>, abgerufen am 26.11.2024.