gegenständliches Wesen gesetzt, das ist ihm Gott überhaupt, Gott im Allgemeinen, Gott der Vater, d. i. die Idee der Gottheit oder der abstracte Gott.
Aber die Intelligenz als solche entspricht, als eine abge- zogne unsinnliche Thätigkeit und Wesenheit, nicht dem sinnli- chen und gemüthlichen Menschen. Den sinnlichen und gemüth- lichen Menschen beherrscht und beseligt nur das Bild. Die bildliche, die gemüthliche, die sinnliche Vernunft ist die Phan- tasie. Das zweite Wesen in Gott, in Wahrheit das erste Wesen der Religion, ist das gegenständliche Wesen der Phantasie. Die Bestimmungen der zweiten Person sind vorzüglich Bilder. Und diese Bilder kommen nicht her von dem Unvermögen des Menschen, den Gegenstand nicht anders denken zu können als bildlich -- was eine ganz falsche Inter- pretation ist -- sondern die Sache selbst kann gar nicht an- ders gedacht werden, denn bildlich, weil die Sache selbst Bild ist. Der Sohn heißt daher auch expreß das Ebenbild Gottes *). Sein Wesen ist, daß er Bild ist. Der Sohn ist das befriedigte Bedürfniß der Bilderschau; das vergegenständ- lichte Wesen der Bilderthätigkeit als einer absoluten, gött- lichen Thätigkeit. Der Mensch macht sich ein Bild von Gott, d. h. er verwandelt das abstracte Vernunftwesen, das Wesen der Denkkraft in ein Phantasiewesen. Er setzt aber dieses Bild in Gott selbst, weil es natürlich nicht seinem Bedürfniß entsprechen würde, wenn er dieses Bild nicht als objective Realität wüßte, wenn dieses Bild für ihn nur ein
*)Proprium est filio esseimaginem, quia illi convenit se- cundum proprietatem originis. .... Filius ex eo, quod ab alio est, habet quem imitetur ..... ideo dicit Augustinus, quod eo imago est quo filius. Albertus M. de mir. sci. Dei. P. I. Tr. VIII. Qu. 35. m. 2.
gegenſtändliches Weſen geſetzt, das iſt ihm Gott überhaupt, Gott im Allgemeinen, Gott der Vater, d. i. die Idee der Gottheit oder der abſtracte Gott.
Aber die Intelligenz als ſolche entſpricht, als eine abge- zogne unſinnliche Thätigkeit und Weſenheit, nicht dem ſinnli- chen und gemüthlichen Menſchen. Den ſinnlichen und gemüth- lichen Menſchen beherrſcht und beſeligt nur das Bild. Die bildliche, die gemüthliche, die ſinnliche Vernunft iſt die Phan- taſie. Das zweite Weſen in Gott, in Wahrheit das erſte Weſen der Religion, iſt das gegenſtändliche Weſen der Phantaſie. Die Beſtimmungen der zweiten Perſon ſind vorzüglich Bilder. Und dieſe Bilder kommen nicht her von dem Unvermögen des Menſchen, den Gegenſtand nicht anders denken zu können als bildlich — was eine ganz falſche Inter- pretation iſt — ſondern die Sache ſelbſt kann gar nicht an- ders gedacht werden, denn bildlich, weil die Sache ſelbſt Bild iſt. Der Sohn heißt daher auch expreß das Ebenbild Gottes *). Sein Weſen iſt, daß er Bild iſt. Der Sohn iſt das befriedigte Bedürfniß der Bilderſchau; das vergegenſtänd- lichte Weſen der Bilderthätigkeit als einer abſoluten, gött- lichen Thätigkeit. Der Menſch macht ſich ein Bild von Gott, d. h. er verwandelt das abſtracte Vernunftweſen, das Weſen der Denkkraft in ein Phantaſieweſen. Er ſetzt aber dieſes Bild in Gott ſelbſt, weil es natürlich nicht ſeinem Bedürfniß entſprechen würde, wenn er dieſes Bild nicht als objective Realität wüßte, wenn dieſes Bild für ihn nur ein
*)Proprium est filio esseimaginem, quia illi convenit se- cundum proprietatem originis. .... Filius ex eo, quod ab alio est, habet quem imitetur ..... ideo dicit Augustinus, quod eo imago est quo filius. Albertus M. de mir. sci. Dei. P. I. Tr. VIII. Qu. 35. m. 2.
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gegenſtändliches Weſen geſetzt, das iſt ihm Gott überhaupt,
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Aber die Intelligenz als ſolche entſpricht, als eine abge-
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lichen Menſchen beherrſcht und beſeligt nur das Bild. Die
bildliche, die gemüthliche, die ſinnliche Vernunft iſt die Phan-
taſie. Das zweite Weſen in Gott, in Wahrheit das erſte
Weſen der Religion, iſt das gegenſtändliche Weſen der
Phantaſie. Die Beſtimmungen der zweiten Perſon ſind
vorzüglich Bilder. Und dieſe Bilder kommen nicht her von
dem Unvermögen des Menſchen, den Gegenſtand nicht anders
denken zu können als bildlich — was eine ganz falſche Inter-
pretation iſt — ſondern die Sache ſelbſt kann gar nicht an-
ders gedacht werden, denn bildlich, weil die Sache ſelbſt
Bild iſt. Der Sohn heißt daher auch expreß das Ebenbild
Gottes *). Sein Weſen iſt, daß er Bild iſt. Der Sohn iſt
das befriedigte Bedürfniß der Bilderſchau; das vergegenſtänd-
lichte Weſen der Bilderthätigkeit als einer abſoluten, gött-
lichen Thätigkeit. Der Menſch macht ſich ein Bild von Gott,
d. h. er verwandelt das abſtracte Vernunftweſen, das
Weſen der Denkkraft in ein Phantaſieweſen. Er ſetzt
aber dieſes Bild in Gott ſelbſt, weil es natürlich nicht ſeinem
Bedürfniß entſprechen würde, wenn er dieſes Bild nicht als
objective Realität wüßte, wenn dieſes Bild für ihn nur ein
*) Proprium est filio esseimaginem, quia illi convenit se-
cundum proprietatem originis. .... Filius ex eo, quod ab alio est, habet
quem imitetur ..... ideo dicit Augustinus, quod eo imago est quo
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/107>, abgerufen am 23.07.2024.
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