Was nun aber den zweiten Fall betrifft, da je- mand reinmenschliche Kultur durch eine geheime (das ist blos, abgesonderte) Gesellschaft erhält, so dürfte der Unterricht, der für die geschlossene Ge- sellschaft bestimmt ist, gar leicht eine ganz an- dre Form angenommen haben; nicht die des Räsonnements, die zum Disputiren einladet, indem sie Gründe angiebt, zur Prüfung dieser Gründe auffordert, und nicht weiter gelten will, als ihre Gründe reichen; sondern in der ganz einfachen Er- zählung: "So ist's einmal, wir wissen es; und jeder, der sich uns gleich stellt, wird es wissen." -- Dieser Unterricht dürfte sich, nicht so wie der er- stere, ausschließend an den Verstand, sondern viel- mehr an die Ganzheit des Menschen wenden, so- nach das eigentliche Disputiren nicht zulassen; er dürfte endlich, da er, der Voraussetzung nach, aus dem grauesten Alterthume herabkommt, in meta- phorische Ausdrücke und Bilder eingekleidet seyn.
Kommt ein solcher Unterricht an diejenigen, die dafür noch nicht empfänglich sind, so wird er, wie sich ohne weiteres versteht, eben so wenig verstan- den, als der erstere philosophirende und räsonni- rende. Aber gegen ihn disputirt man nicht, und läßt sich nicht in Tractaten ein, weil er selbst keine anbietet und ungetheilt angenommen seyn will; sondern man verwirft ihn gradezu als grundfalsch und schwärmerisch, oder wenn man an den Bil- dern hängen bleibt, als widersinnig und absurd, spottet seiner und giebt ihn dem allgemeinen Ge- lächter Preis. Von nun an aber ist nicht, wie
Was nun aber den zweiten Fall betrifft, da je- mand reinmenſchliche Kultur durch eine geheime (das iſt blos, abgeſonderte) Geſellſchaft erhaͤlt, ſo duͤrfte der Unterricht, der fuͤr die geſchloſſene Ge- ſellſchaft beſtimmt iſt, gar leicht eine ganz an- dre Form angenommen haben; nicht die des Raͤſonnements, die zum Disputiren einladet, indem ſie Gruͤnde angiebt, zur Pruͤfung dieſer Gruͤnde auffordert, und nicht weiter gelten will, als ihre Gruͤnde reichen; ſondern in der ganz einfachen Er- zaͤhlung: „So iſt’s einmal, wir wiſſen es; und jeder, der ſich uns gleich ſtellt, wird es wiſſen.“ — Dieſer Unterricht duͤrfte ſich, nicht ſo wie der er- ſtere, ausſchließend an den Verſtand, ſondern viel- mehr an die Ganzheit des Menſchen wenden, ſo- nach das eigentliche Disputiren nicht zulaſſen; er duͤrfte endlich, da er, der Vorausſetzung nach, aus dem graueſten Alterthume herabkommt, in meta- phoriſche Ausdruͤcke und Bilder eingekleidet ſeyn.
Kommt ein ſolcher Unterricht an diejenigen, die dafuͤr noch nicht empfaͤnglich ſind, ſo wird er, wie ſich ohne weiteres verſteht, eben ſo wenig verſtan- den, als der erſtere philoſophirende und raͤſonni- rende. Aber gegen ihn disputirt man nicht, und laͤßt ſich nicht in Tractaten ein, weil er ſelbſt keine anbietet und ungetheilt angenommen ſeyn will; ſondern man verwirft ihn gradezu als grundfalſch und ſchwaͤrmeriſch, oder wenn man an den Bil- dern haͤngen bleibt, als widerſinnig und abſurd, ſpottet ſeiner und giebt ihn dem allgemeinen Ge- laͤchter Preis. Von nun an aber iſt nicht, wie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0074"n="52"/><p>Was nun aber den zweiten Fall betrifft, da je-<lb/>
mand reinmenſchliche Kultur durch eine geheime<lb/>
(das iſt blos, abgeſonderte) Geſellſchaft erhaͤlt, ſo<lb/>
duͤrfte der Unterricht, der fuͤr die geſchloſſene Ge-<lb/>ſellſchaft beſtimmt iſt, gar leicht <hirendition="#g">eine ganz an-<lb/>
dre Form</hi> angenommen haben; nicht die des<lb/>
Raͤſonnements, die zum Disputiren einladet, indem<lb/>ſie Gruͤnde angiebt, zur Pruͤfung dieſer Gruͤnde<lb/>
auffordert, und nicht weiter gelten will, als ihre<lb/>
Gruͤnde reichen; ſondern in der ganz einfachen Er-<lb/>
zaͤhlung: „So iſt’s einmal, wir wiſſen es; und<lb/>
jeder, der ſich uns gleich ſtellt, wird es wiſſen.“—<lb/>
Dieſer Unterricht duͤrfte ſich, nicht ſo wie der er-<lb/>ſtere, ausſchließend an den Verſtand, ſondern viel-<lb/>
mehr an die Ganzheit des Menſchen wenden, ſo-<lb/>
nach das eigentliche Disputiren nicht zulaſſen; er<lb/>
duͤrfte endlich, da er, der Vorausſetzung nach, aus<lb/>
dem graueſten Alterthume herabkommt, in meta-<lb/>
phoriſche Ausdruͤcke und Bilder eingekleidet ſeyn.</p><lb/><p>Kommt ein ſolcher Unterricht an diejenigen, die<lb/>
dafuͤr noch nicht empfaͤnglich ſind, ſo wird er, wie<lb/>ſich ohne weiteres verſteht, eben ſo wenig verſtan-<lb/>
den, als der erſtere philoſophirende und raͤſonni-<lb/>
rende. Aber gegen ihn disputirt man nicht, und<lb/>
laͤßt ſich nicht in Tractaten ein, weil er ſelbſt keine<lb/>
anbietet und ungetheilt angenommen ſeyn will;<lb/>ſondern man verwirft ihn gradezu als grundfalſch<lb/>
und ſchwaͤrmeriſch, oder wenn man an den Bil-<lb/>
dern haͤngen bleibt, als widerſinnig und abſurd,<lb/>ſpottet ſeiner und giebt ihn dem allgemeinen Ge-<lb/>
laͤchter Preis. Von nun an aber iſt nicht, wie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[52/0074]
Was nun aber den zweiten Fall betrifft, da je-
mand reinmenſchliche Kultur durch eine geheime
(das iſt blos, abgeſonderte) Geſellſchaft erhaͤlt, ſo
duͤrfte der Unterricht, der fuͤr die geſchloſſene Ge-
ſellſchaft beſtimmt iſt, gar leicht eine ganz an-
dre Form angenommen haben; nicht die des
Raͤſonnements, die zum Disputiren einladet, indem
ſie Gruͤnde angiebt, zur Pruͤfung dieſer Gruͤnde
auffordert, und nicht weiter gelten will, als ihre
Gruͤnde reichen; ſondern in der ganz einfachen Er-
zaͤhlung: „So iſt’s einmal, wir wiſſen es; und
jeder, der ſich uns gleich ſtellt, wird es wiſſen.“ —
Dieſer Unterricht duͤrfte ſich, nicht ſo wie der er-
ſtere, ausſchließend an den Verſtand, ſondern viel-
mehr an die Ganzheit des Menſchen wenden, ſo-
nach das eigentliche Disputiren nicht zulaſſen; er
duͤrfte endlich, da er, der Vorausſetzung nach, aus
dem graueſten Alterthume herabkommt, in meta-
phoriſche Ausdruͤcke und Bilder eingekleidet ſeyn.
Kommt ein ſolcher Unterricht an diejenigen, die
dafuͤr noch nicht empfaͤnglich ſind, ſo wird er, wie
ſich ohne weiteres verſteht, eben ſo wenig verſtan-
den, als der erſtere philoſophirende und raͤſonni-
rende. Aber gegen ihn disputirt man nicht, und
laͤßt ſich nicht in Tractaten ein, weil er ſelbſt keine
anbietet und ungetheilt angenommen ſeyn will;
ſondern man verwirft ihn gradezu als grundfalſch
und ſchwaͤrmeriſch, oder wenn man an den Bil-
dern haͤngen bleibt, als widerſinnig und abſurd,
ſpottet ſeiner und giebt ihn dem allgemeinen Ge-
laͤchter Preis. Von nun an aber iſt nicht, wie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/74>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.