Du hast nun Data genug über die Zweck- mäßigkeit, Brauchbarkeit, ja Unentbehrlichkeit des Frei-Maurer-Ordens in der großen menschlichen und bürgerlichen Gesellschaft. Was er wirken könne, ist Dir durch natürliche und richtige Fol- gerungen aus der Angabe seines Zwecks klar; seine Wirksamkeit muß erfolgen, wenn er den Zweck hat, daß seine Mitglieder sich in dieser Ver- bindung allgemeine, rein menschliche Bildung, im Gegensatze der besonderen Standesbildung zu er- werben suchen; diesen vernünftigen und untadel- haften Zweck aber muß er wieder so gewiß haben, so wahr sich ernsthafte, weise und tugendhafte Männer anhaltend mit ihm beschäftigen.
Ich nehme in diesem Augenblicke noch auf einen Einwurf Rücksicht, den ich Dich in andrer Beziehung (nehmlich in Beziehung auf die vorge- gebne allgemeine Bruderliebe) habe machen hören, und den Du nicht verfehlen wirst, hier anzuwen- den und zu wiederholen. "Wenn wirst Du sagen, die schädlichen Folgen der Einseitigkeit durch den Orden aufgehoben werden sollen, so muß durch ihn selbst keine Einseitigkeit irgend einer Art befördert werden; dies geschieht aber in ihm selbst, durch die verschiedenen, scharf abgeschnittenen Systeme, die sich einander widerlegen, ausschließen und ver- folgen." -- Du hast vollkommen Recht, Kon- stant, diesen Einwurf zu machen, und ich würde ihn mit Dir aufstellen, wenn ich an irgend ein System denken wollte, und nicht bloß die reine und allgemeine Maurerei, die immer nur Eine
Du haſt nun Data genug uͤber die Zweck- maͤßigkeit, Brauchbarkeit, ja Unentbehrlichkeit des Frei-Maurer-Ordens in der großen menſchlichen und buͤrgerlichen Geſellſchaft. Was er wirken koͤnne, iſt Dir durch natuͤrliche und richtige Fol- gerungen aus der Angabe ſeines Zwecks klar; ſeine Wirkſamkeit muß erfolgen, wenn er den Zweck hat, daß ſeine Mitglieder ſich in dieſer Ver- bindung allgemeine, rein menſchliche Bildung, im Gegenſatze der beſonderen Standesbildung zu er- werben ſuchen; dieſen vernuͤnftigen und untadel- haften Zweck aber muß er wieder ſo gewiß haben, ſo wahr ſich ernſthafte, weiſe und tugendhafte Maͤnner anhaltend mit ihm beſchaͤftigen.
Ich nehme in dieſem Augenblicke noch auf einen Einwurf Ruͤckſicht, den ich Dich in andrer Beziehung (nehmlich in Beziehung auf die vorge- gebne allgemeine Bruderliebe) habe machen hoͤren, und den Du nicht verfehlen wirſt, hier anzuwen- den und zu wiederholen. „Wenn wirſt Du ſagen, die ſchaͤdlichen Folgen der Einſeitigkeit durch den Orden aufgehoben werden ſollen, ſo muß durch ihn ſelbſt keine Einſeitigkeit irgend einer Art befoͤrdert werden; dies geſchieht aber in ihm ſelbſt, durch die verſchiedenen, ſcharf abgeſchnittenen Syſteme, die ſich einander widerlegen, ausſchließen und ver- folgen.“ — Du haſt vollkommen Recht, Kon- ſtant, dieſen Einwurf zu machen, und ich wuͤrde ihn mit Dir aufſtellen, wenn ich an irgend ein Syſtem denken wollte, und nicht bloß die reine und allgemeine Maurerei, die immer nur Eine
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Du haſt nun Data genug uͤber die Zweck-
maͤßigkeit, Brauchbarkeit, ja Unentbehrlichkeit des
Frei-Maurer-Ordens in der großen menſchlichen
und buͤrgerlichen Geſellſchaft. Was er wirken
koͤnne, iſt Dir durch natuͤrliche und richtige Fol-
gerungen aus der Angabe ſeines Zwecks klar;
ſeine Wirkſamkeit muß erfolgen, wenn er den
Zweck hat, daß ſeine Mitglieder ſich in dieſer Ver-
bindung allgemeine, rein menſchliche Bildung, im
Gegenſatze der beſonderen Standesbildung zu er-
werben ſuchen; dieſen vernuͤnftigen und untadel-
haften Zweck aber muß er wieder ſo gewiß haben,
ſo wahr ſich ernſthafte, weiſe und tugendhafte
Maͤnner anhaltend mit ihm beſchaͤftigen.
Ich nehme in dieſem Augenblicke noch auf
einen Einwurf Ruͤckſicht, den ich Dich in andrer
Beziehung (nehmlich in Beziehung auf die vorge-
gebne allgemeine Bruderliebe) habe machen hoͤren,
und den Du nicht verfehlen wirſt, hier anzuwen-
den und zu wiederholen. „Wenn wirſt Du ſagen,
die ſchaͤdlichen Folgen der Einſeitigkeit durch den
Orden aufgehoben werden ſollen, ſo muß durch ihn
ſelbſt keine Einſeitigkeit irgend einer Art befoͤrdert
werden; dies geſchieht aber in ihm ſelbſt, durch
die verſchiedenen, ſcharf abgeſchnittenen Syſteme,
die ſich einander widerlegen, ausſchließen und ver-
folgen.“ — Du haſt vollkommen Recht, Kon-
ſtant, dieſen Einwurf zu machen, und ich wuͤrde
ihn mit Dir aufſtellen, wenn ich an irgend ein
Syſtem denken wollte, und nicht bloß die reine
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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