Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ich blos von Ihnen und nicht mit
Ihnen redete, so würde ich die Gründe meiner
bisherigen Hochachtung, und meiner jetzigen und
künftigen Liebe anführen; aber ich kenne Sie nicht
halb, und ich weiß auch, wer einen bescheidenen
Mann durch Lob beleidigt, der giebt einer schönen
Jungfrauen Backenstreiche. Und zu einem Redner
von der Art, hat mich weder der Himmel bei mei-
ner Geburt, noch der S. E. M. von St. bei der
Ernennung zu diesem Amte bestimmt. Ich soll
Ihnen, mein theuerster Bruder, kürzlich die Pflich-
ten unsers k. O., oder welches einerlei ist, ich soll
Ihnen die Vortheile bekannt machen, die Ih-
nen aus dem Eintritte in denselben zuwachsen.
Denn die Erfüllung der gegenseitigen Pflichten
macht die Glückseligkeit aller Gesellschaften, und
die unsrige sollte und kann nach der Absicht und
Einrichtung ihrer weisen Stifter, eine der glück-
seeligsten aller menschlichen Gesellschaften seyn.

Ihr vornehmstes Gesetz ist: Alle recht-
schaffene Frei-Maurer als Brüder
zu lieben
. Was heißt das aber anders, seinen
Bruder lieben, als jede Gelegenheit, wo man etwas
zu seinem wahren Besten beitragen kann, nicht
allein wahrnehmen, sondern aufsuchen. Se-
hen Sie da also, mein Bruder, ein kurzes Gesetz,
das aber nach seinem wahren Inhalte von weitem
Umfange ist. Und gleichwohl ist nur derjenige
ein Frei-Maurer, der sich mit allem Ernst bestrebt
dieses Gesetz der Liebe zu erfüllen. Er ist ein
pflichtmäßiger Frei-Maurer, wenn er diese

Wenn ich blos von Ihnen und nicht mit
Ihnen redete, ſo wuͤrde ich die Gruͤnde meiner
bisherigen Hochachtung, und meiner jetzigen und
kuͤnftigen Liebe anfuͤhren; aber ich kenne Sie nicht
halb, und ich weiß auch, wer einen beſcheidenen
Mann durch Lob beleidigt, der giebt einer ſchoͤnen
Jungfrauen Backenſtreiche. Und zu einem Redner
von der Art, hat mich weder der Himmel bei mei-
ner Geburt, noch der S. E. M. von St. bei der
Ernennung zu dieſem Amte beſtimmt. Ich ſoll
Ihnen, mein theuerſter Bruder, kuͤrzlich die Pflich-
ten unſers k. O., oder welches einerlei iſt, ich ſoll
Ihnen die Vortheile bekannt machen, die Ih-
nen aus dem Eintritte in denſelben zuwachſen.
Denn die Erfuͤllung der gegenſeitigen Pflichten
macht die Gluͤckſeligkeit aller Geſellſchaften, und
die unſrige ſollte und kann nach der Abſicht und
Einrichtung ihrer weiſen Stifter, eine der gluͤck-
ſeeligſten aller menſchlichen Geſellſchaften ſeyn.

Ihr vornehmſtes Geſetz iſt: Alle recht-
ſchaffene Frei-Maurer als Bruͤder
zu lieben
. Was heißt das aber anders, ſeinen
Bruder lieben, als jede Gelegenheit, wo man etwas
zu ſeinem wahren Beſten beitragen kann, nicht
allein wahrnehmen, ſondern aufſuchen. Se-
hen Sie da alſo, mein Bruder, ein kurzes Geſetz,
das aber nach ſeinem wahren Inhalte von weitem
Umfange iſt. Und gleichwohl iſt nur derjenige
ein Frei-Maurer, der ſich mit allem Ernſt beſtrebt
dieſes Geſetz der Liebe zu erfuͤllen. Er iſt ein
pflichtmaͤßiger Frei-Maurer, wenn er dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0280" n="258"/>
          <p>Wenn ich blos <hi rendition="#g">von</hi> Ihnen und nicht <hi rendition="#g">mit</hi><lb/>
Ihnen redete, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich die Gru&#x0364;nde meiner<lb/>
bisherigen Hochachtung, und meiner jetzigen und<lb/>
ku&#x0364;nftigen Liebe anfu&#x0364;hren; aber ich kenne Sie nicht<lb/>
halb, und ich weiß auch, wer einen be&#x017F;cheidenen<lb/>
Mann durch Lob beleidigt, der giebt einer &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Jungfrauen Backen&#x017F;treiche. Und zu einem Redner<lb/>
von der Art, hat mich weder der Himmel bei mei-<lb/>
ner Geburt, noch der S. E. M. von St. bei der<lb/>
Ernennung zu die&#x017F;em Amte be&#x017F;timmt. Ich &#x017F;oll<lb/>
Ihnen, mein theuer&#x017F;ter Bruder, ku&#x0364;rzlich die Pflich-<lb/>
ten un&#x017F;ers k. O., oder welches einerlei i&#x017F;t, ich &#x017F;oll<lb/>
Ihnen die <hi rendition="#g">Vortheile</hi> bekannt machen, die Ih-<lb/>
nen aus dem Eintritte in den&#x017F;elben zuwach&#x017F;en.<lb/>
Denn die Erfu&#x0364;llung der gegen&#x017F;eitigen Pflichten<lb/>
macht die Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit aller Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, und<lb/>
die un&#x017F;rige &#x017F;ollte und kann nach der Ab&#x017F;icht und<lb/>
Einrichtung ihrer wei&#x017F;en Stifter, eine der glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eelig&#x017F;ten aller men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Ihr vornehm&#x017F;tes Ge&#x017F;etz i&#x017F;t: <hi rendition="#g">Alle recht-<lb/>
&#x017F;chaffene Frei-Maurer als Bru&#x0364;der<lb/>
zu lieben</hi>. Was heißt das aber anders, &#x017F;einen<lb/>
Bruder lieben, als jede Gelegenheit, wo man etwas<lb/>
zu &#x017F;einem wahren Be&#x017F;ten beitragen kann, nicht<lb/>
allein <hi rendition="#g">wahrnehmen</hi>, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">auf&#x017F;uchen</hi>. Se-<lb/>
hen Sie da al&#x017F;o, mein Bruder, ein kurzes Ge&#x017F;etz,<lb/>
das aber nach &#x017F;einem wahren Inhalte von weitem<lb/>
Umfange i&#x017F;t. Und gleichwohl i&#x017F;t nur <hi rendition="#g">derjenige</hi><lb/>
ein Frei-Maurer, der &#x017F;ich mit allem Ern&#x017F;t be&#x017F;trebt<lb/>
die&#x017F;es Ge&#x017F;etz der Liebe zu erfu&#x0364;llen. Er i&#x017F;t ein<lb/><hi rendition="#g">pflichtma&#x0364;ßiger</hi> Frei-Maurer, wenn er die&#x017F;e<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0280] Wenn ich blos von Ihnen und nicht mit Ihnen redete, ſo wuͤrde ich die Gruͤnde meiner bisherigen Hochachtung, und meiner jetzigen und kuͤnftigen Liebe anfuͤhren; aber ich kenne Sie nicht halb, und ich weiß auch, wer einen beſcheidenen Mann durch Lob beleidigt, der giebt einer ſchoͤnen Jungfrauen Backenſtreiche. Und zu einem Redner von der Art, hat mich weder der Himmel bei mei- ner Geburt, noch der S. E. M. von St. bei der Ernennung zu dieſem Amte beſtimmt. Ich ſoll Ihnen, mein theuerſter Bruder, kuͤrzlich die Pflich- ten unſers k. O., oder welches einerlei iſt, ich ſoll Ihnen die Vortheile bekannt machen, die Ih- nen aus dem Eintritte in denſelben zuwachſen. Denn die Erfuͤllung der gegenſeitigen Pflichten macht die Gluͤckſeligkeit aller Geſellſchaften, und die unſrige ſollte und kann nach der Abſicht und Einrichtung ihrer weiſen Stifter, eine der gluͤck- ſeeligſten aller menſchlichen Geſellſchaften ſeyn. Ihr vornehmſtes Geſetz iſt: Alle recht- ſchaffene Frei-Maurer als Bruͤder zu lieben. Was heißt das aber anders, ſeinen Bruder lieben, als jede Gelegenheit, wo man etwas zu ſeinem wahren Beſten beitragen kann, nicht allein wahrnehmen, ſondern aufſuchen. Se- hen Sie da alſo, mein Bruder, ein kurzes Geſetz, das aber nach ſeinem wahren Inhalte von weitem Umfange iſt. Und gleichwohl iſt nur derjenige ein Frei-Maurer, der ſich mit allem Ernſt beſtrebt dieſes Geſetz der Liebe zu erfuͤllen. Er iſt ein pflichtmaͤßiger Frei-Maurer, wenn er dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/280
Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/280>, abgerufen am 24.11.2024.