werden wir sie nicht gleichsam hin und herwen- den, um sie recht bestimmt und zierlich auszu- drücken. Wollte man sich, aus mißverstandnem Pflichtgefühl, einem gewissen Heldengeiste in der Freundschaft (oder zu Gunsten eines Gesellschafts- zwecks) doch dazu zwingen, so würde man sich nur mit ihnen vertraut machen, sie lieb gewinnen, we- nigstens das Daseyn von Fehlern nicht mehr fürch- ten, die man so laut verdammt hat, wenigstens sich selbst mit dem Geständnisse bestechen, indem man es sich als Verbesserung selbst anrechnete." Und so ist es. Seine Bildung für sittliche Frei- heit zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit zu machen, darüber mit andern zu sprechen, sich von ihnen zur Rechenschaft ziehen zu lassen und ihnen zu beichten oder sich beichten zu lassen, zerrüttet das Gemüth von Grund aus; denn es verletzt die heilige Schaam, es macht zum schändlichsten Heuchler, dem, vor sich selbst; und eine Gesellschaft, die sich damit befaßte, führte in der That zur fin- stersten Mönchsascetik. -- Also mit dieser Bildung zur reinen Menschheit hat es die Maurerei nicht zu thun, so wie keine Gesellschaft, die nicht aus Schwärmern besteht, und welche das Horazische Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui, Ultra, quam satis est, virtutem si petat ipsam*) verstanden hat.
*)Der Weise zieht den Namen eines Thoren sich zu, und Ariftid wird ungerecht,
werden wir ſie nicht gleichſam hin und herwen- den, um ſie recht beſtimmt und zierlich auszu- druͤcken. Wollte man ſich, aus mißverſtandnem Pflichtgefuͤhl, einem gewiſſen Heldengeiſte in der Freundſchaft (oder zu Gunſten eines Geſellſchafts- zwecks) doch dazu zwingen, ſo wuͤrde man ſich nur mit ihnen vertraut machen, ſie lieb gewinnen, we- nigſtens das Daſeyn von Fehlern nicht mehr fuͤrch- ten, die man ſo laut verdammt hat, wenigſtens ſich ſelbſt mit dem Geſtaͤndniſſe beſtechen, indem man es ſich als Verbeſſerung ſelbſt anrechnete.“ Und ſo iſt es. Seine Bildung fuͤr ſittliche Frei- heit zu einer geſellſchaftlichen Angelegenheit zu machen, daruͤber mit andern zu ſprechen, ſich von ihnen zur Rechenſchaft ziehen zu laſſen und ihnen zu beichten oder ſich beichten zu laſſen, zerruͤttet das Gemuͤth von Grund aus; denn es verletzt die heilige Schaam, es macht zum ſchaͤndlichſten Heuchler, dem, vor ſich ſelbſt; und eine Geſellſchaft, die ſich damit befaßte, fuͤhrte in der That zur fin- ſterſten Moͤnchsaſcetik. — Alſo mit dieſer Bildung zur reinen Menſchheit hat es die Maurerei nicht zu thun, ſo wie keine Geſellſchaft, die nicht aus Schwaͤrmern beſteht, und welche das Horaziſche Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui, Ultra, quam satis est, virtutem si petat ipsam*) verſtanden hat.
*)Der Weiſe zieht den Namen eines Thoren ſich zu, und Ariftid wird ungerecht,
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werden wir ſie nicht gleichſam hin und herwen-
den, um ſie recht beſtimmt und zierlich auszu-
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Pflichtgefuͤhl, einem gewiſſen Heldengeiſte in der
Freundſchaft (oder zu Gunſten eines Geſellſchafts-
zwecks) doch dazu zwingen, ſo wuͤrde man ſich nur
mit ihnen vertraut machen, ſie lieb gewinnen, we-
nigſtens das Daſeyn von Fehlern nicht mehr fuͤrch-
ten, die man ſo laut verdammt hat, wenigſtens
ſich ſelbſt mit dem Geſtaͤndniſſe beſtechen, indem
man es ſich als Verbeſſerung ſelbſt anrechnete.“
Und ſo iſt es. Seine Bildung fuͤr ſittliche Frei-
heit zu einer geſellſchaftlichen Angelegenheit zu
machen, daruͤber mit andern zu ſprechen, ſich von
ihnen zur Rechenſchaft ziehen zu laſſen und ihnen
zu beichten oder ſich beichten zu laſſen, zerruͤttet
das Gemuͤth von Grund aus; denn es verletzt
die heilige Schaam, es macht zum ſchaͤndlichſten
Heuchler, dem, vor ſich ſelbſt; und eine Geſellſchaft,
die ſich damit befaßte, fuͤhrte in der That zur fin-
ſterſten Moͤnchsaſcetik. — Alſo mit dieſer Bildung
zur reinen Menſchheit hat es die Maurerei nicht
zu thun, ſo wie keine Geſellſchaft, die nicht aus
Schwaͤrmern beſteht, und welche das Horaziſche
Insani sapiens nomen ferat, aequus iniqui,
Ultra, quam satis est, virtutem si petat
ipsam *)
verſtanden hat.
*) Der Weiſe zieht den Namen eines Thoren ſich
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/54>, abgerufen am 16.07.2024.
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