Betrachten wir sie, (die Frei-Maurer) von der Seite der wissenschaftlichen Erkenntnisse, so werden wir sie in der kläglichsten Unwis- senheit finden. Sie sagen uns, daß eine L. drei Thüren hat, eine nach Osten, die andre nach Westen und die dritte nach Süden, aber keine nach Norden, warum? Weil, sa- gen sie, die Sonne nie in der Gegend schei- net. Sie wissen nicht, daß jenseits des Wendecirkels des Steinbocks die Sonne eben so gut aus Norden scheint, als sie an dieser Seite des Wendezirkels des Krebses aus Sü- den scheint. Ein andres Beispiel ihrer Un- wissenheit ist noch merkwürdiger, da es sich auf einen der einfachsten Erfahrungssätze in der Meßkunst bezieht. Sie sagen, (wo?) daß die Peripherie der Säulen des Tempels zwölf Ellenbogen waren, und ihre Dicke vier Dau- men, wodurch sie die Peripherie eines Cir- kels hundertmal größer, als seinen Diameter machen, ob es gleich bekannt ist, daß das Verhältniß nicht größer ist, als etwa drei gegen eins"
Und ein drittes Beispiel von Unwissenheit ist noch merkwürdiger, das: daß ein Mann, der über Maurerei schreibt, nicht einmal weiß, daß die maurerische Sprache symbolisch verstanden und erklärt werden müsse. Die Kenntniß der Historie, welche diesen symbolischen Ausdrücken zum Grunde liegt, wollen wir übrigens so wenig
Betrachten wir ſie, (die Frei-Maurer) von der Seite der wiſſenſchaftlichen Erkenntniſſe, ſo werden wir ſie in der klaͤglichſten Unwiſ- ſenheit finden. Sie ſagen uns, daß eine L. drei Thuͤren hat, eine nach Oſten, die andre nach Weſten und die dritte nach Suͤden, aber keine nach Norden, warum? Weil, ſa- gen ſie, die Sonne nie in der Gegend ſchei- net. Sie wiſſen nicht, daß jenſeits des Wendecirkels des Steinbocks die Sonne eben ſo gut aus Norden ſcheint, als ſie an dieſer Seite des Wendezirkels des Krebſes aus Suͤ- den ſcheint. Ein andres Beiſpiel ihrer Un- wiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, da es ſich auf einen der einfachſten Erfahrungsſaͤtze in der Meßkunſt bezieht. Sie ſagen, (wo?) daß die Peripherie der Saͤulen des Tempels zwoͤlf Ellenbogen waren, und ihre Dicke vier Dau- men, wodurch ſie die Peripherie eines Cir- kels hundertmal groͤßer, als ſeinen Diameter machen, ob es gleich bekannt iſt, daß das Verhaͤltniß nicht groͤßer iſt, als etwa drei gegen eins“
Und ein drittes Beiſpiel von Unwiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, das: daß ein Mann, der uͤber Maurerei ſchreibt, nicht einmal weiß, daß die maureriſche Sprache ſymboliſch verſtanden und erklaͤrt werden muͤſſe. Die Kenntniß der Hiſtorie, welche dieſen ſymboliſchen Ausdruͤcken zum Grunde liegt, wollen wir uͤbrigens ſo wenig
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Betrachten wir ſie, (die Frei-Maurer) von
der Seite der wiſſenſchaftlichen Erkenntniſſe,
ſo werden wir ſie in der klaͤglichſten Unwiſ-
ſenheit finden. Sie ſagen uns, daß eine L.
drei Thuͤren hat, eine nach Oſten, die andre
nach Weſten und die dritte nach Suͤden,
aber keine nach Norden, warum? Weil, ſa-
gen ſie, die Sonne nie in der Gegend ſchei-
net. Sie wiſſen nicht, daß jenſeits des
Wendecirkels des Steinbocks die Sonne eben
ſo gut aus Norden ſcheint, als ſie an dieſer
Seite des Wendezirkels des Krebſes aus Suͤ-
den ſcheint. Ein andres Beiſpiel ihrer Un-
wiſſenheit iſt noch merkwuͤrdiger, da es ſich
auf einen der einfachſten Erfahrungsſaͤtze in
der Meßkunſt bezieht. Sie ſagen, (wo?) daß
die Peripherie der Saͤulen des Tempels zwoͤlf
Ellenbogen waren, und ihre Dicke vier Dau-
men, wodurch ſie die Peripherie eines Cir-
kels hundertmal groͤßer, als ſeinen Diameter
machen, ob es gleich bekannt iſt, daß das
Verhaͤltniß nicht groͤßer iſt, als etwa drei
gegen eins“
Und ein drittes Beiſpiel von Unwiſſenheit iſt
noch merkwuͤrdiger, das: daß ein Mann, der
uͤber Maurerei ſchreibt, nicht einmal weiß, daß
die maureriſche Sprache ſymboliſch verſtanden
und erklaͤrt werden muͤſſe. Die Kenntniß der
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/268>, abgerufen am 16.02.2025.
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