[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802wüstungen blühender Länder erzählen. -- Sei- Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! -- Aber wie? Ist es denn die Geschichte eines wuͤſtungen bluͤhender Laͤnder erzaͤhlen. — Sei- Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! — Aber wie? Iſt es denn die Geſchichte eines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0239" n="221"/> wuͤſtungen bluͤhender Laͤnder erzaͤhlen. — Sei-<lb/> nen Namen nennen die Jahrbuͤcher der Familien,<lb/> die Tagbuͤcher der Einzelnen, mit Trauer und<lb/> Freude. Dort ſteht er unter den Anzeigen vom<lb/> Tode des Vaters, der der Beſchuͤtzer und Ernaͤh-<lb/> rer einer großen Familie war; des einzigen Kin-<lb/> des, das die einzige Freude der Mutter ſeyn ſollte;<lb/> der Gattin, mit der ihr Freund ſeine ganze Welt<lb/> begrub: — Dort iſt er unter die Anzeigen einer<lb/> gluͤcklich geſchloſſenen Ehe, der froͤhlichen Ge-<lb/> burt eines langerſehnten Kindes, unter dem Dank<lb/> eines durch thaͤtige Menſchlichkeit Geretteten,<lb/> unter der Urkunde, die dem Talent und der Red-<lb/> lichkeit Unterhalt, Ehre und zweckmaͤßige Wirk-<lb/> ſamkeit ſichert, die Jubilaͤen langer, gluͤcklicher Ehen<lb/> und redlicher Amtsfuͤhrung verzeichnet. — Einſt<lb/> ſpricht noch nach langen Jahren mancher (und<lb/> ſein Auge glaͤnzt im Feuer der Erinnerung): Im<lb/> Jahr 1799 <hi rendition="#g">ward ich gluͤcklich</hi>! Mancher (und<lb/> ſein Auge fuͤllt ſich mit nie verſiegenden Thraͤnen):<lb/><hi rendition="#g">Dort ward ich elend</hi>!</p><lb/> <p>Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! —<lb/> Mit wie viel Verdienſt, mit welchen Seegnun-<lb/> gen ſeiner Unterthanen, mit welchen Freudenthraͤ-<lb/> nen ſeiner Kinder geſchmuͤckt: aber auch, mit wel-<lb/> cher Schuld, mit welchem Jammer, mit welchen<lb/> Verwuͤnſchungen belaſtet, geht dieſer Koͤnig zu<lb/> Grabe! — —</p><lb/> <p>Aber wie? Iſt es denn die Geſchichte eines<lb/><hi rendition="#g">Fremden</hi>, die wir erzaͤhlen, iſt es das Grab<lb/> eines uns fernen Mannes das gegraben iſt? Nein!<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0239]
wuͤſtungen bluͤhender Laͤnder erzaͤhlen. — Sei-
nen Namen nennen die Jahrbuͤcher der Familien,
die Tagbuͤcher der Einzelnen, mit Trauer und
Freude. Dort ſteht er unter den Anzeigen vom
Tode des Vaters, der der Beſchuͤtzer und Ernaͤh-
rer einer großen Familie war; des einzigen Kin-
des, das die einzige Freude der Mutter ſeyn ſollte;
der Gattin, mit der ihr Freund ſeine ganze Welt
begrub: — Dort iſt er unter die Anzeigen einer
gluͤcklich geſchloſſenen Ehe, der froͤhlichen Ge-
burt eines langerſehnten Kindes, unter dem Dank
eines durch thaͤtige Menſchlichkeit Geretteten,
unter der Urkunde, die dem Talent und der Red-
lichkeit Unterhalt, Ehre und zweckmaͤßige Wirk-
ſamkeit ſichert, die Jubilaͤen langer, gluͤcklicher Ehen
und redlicher Amtsfuͤhrung verzeichnet. — Einſt
ſpricht noch nach langen Jahren mancher (und
ſein Auge glaͤnzt im Feuer der Erinnerung): Im
Jahr 1799 ward ich gluͤcklich! Mancher (und
ſein Auge fuͤllt ſich mit nie verſiegenden Thraͤnen):
Dort ward ich elend!
Welch ein Lebenslauf des Sterbenden! —
Mit wie viel Verdienſt, mit welchen Seegnun-
gen ſeiner Unterthanen, mit welchen Freudenthraͤ-
nen ſeiner Kinder geſchmuͤckt: aber auch, mit wel-
cher Schuld, mit welchem Jammer, mit welchen
Verwuͤnſchungen belaſtet, geht dieſer Koͤnig zu
Grabe! — —
Aber wie? Iſt es denn die Geſchichte eines
Fremden, die wir erzaͤhlen, iſt es das Grab
eines uns fernen Mannes das gegraben iſt? Nein!
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