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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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zu erforschen. Sie versieht ihn mit dem Richt-
scheit der Behutsamkeit, um alles Zweckwi-
drige in seinen Anordnungen oder Handlungen
zu bemerken. So ausgerüstet tritt er auf und
handelt: kein Schein, kein Glanz blendet seinen
praktischen Beobachtungs-Geist; keine Furcht,
kein Erstaunen, keine Begierde, kein Unmuth
reißt ihn aus dem Zustande der klarsten Beson-
nenheit. Weniger mit seinen eigenen Ideen und
Entwürfen, als mit der wirklichen Lage der Dinge
beschäftigt, ergreift und bemächtigt er sich des
Sichtbaren und Gegenwärtigen, ohne das Un-
sichtbare und Zukünftige seinem Blicke entschwin-
den zu lassen. Er hält es für die Energie einer
edeln Seele, sich über die immer kränkelnde Wirk-
lichkeit zu erheben, und sich Ideale des unbedingt
Guten und schlechthin Großen zu schaffen. Er
hält es des Weisen würdig, in einsamen und
Geschäfts-leeren Stunden sich an der Beschauung
selbstgeschaffener Ideale zu weiden; aber er ist
zu ernsthaft und zu weise, um gegen die Unmög-
lichkeit zu kämpfen, und dem gegebenen, tausen-
derlei Bedingungen unterworfenen Stoffe seine
Ideale auch nur Theilweise aufflicken zu wollen.
Pflegen, Bilden und Erhalten, nicht Zerstören
und Schaffen ist sein Geschäft. Das goldene Zeit-
alter der allgemein herrschenden Weisheit ist das
Ziel seiner Wünsche, die Sehnsucht darnach be-
zeichnet seine ganze Handlungsweise; aber wenn
das stolze Kind ruft: "mach mich zum Schöp-
fer deines Reiches
!" betet er nur mit männ-

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zu erforſchen. Sie verſieht ihn mit dem Richt-
ſcheit der Behutſamkeit, um alles Zweckwi-
drige in ſeinen Anordnungen oder Handlungen
zu bemerken. So ausgeruͤſtet tritt er auf und
handelt: kein Schein, kein Glanz blendet ſeinen
praktiſchen Beobachtungs-Geiſt; keine Furcht,
kein Erſtaunen, keine Begierde, kein Unmuth
reißt ihn aus dem Zuſtande der klarſten Beſon-
nenheit. Weniger mit ſeinen eigenen Ideen und
Entwuͤrfen, als mit der wirklichen Lage der Dinge
beſchaͤftigt, ergreift und bemaͤchtigt er ſich des
Sichtbaren und Gegenwaͤrtigen, ohne das Un-
ſichtbare und Zukuͤnftige ſeinem Blicke entſchwin-
den zu laſſen. Er haͤlt es fuͤr die Energie einer
edeln Seele, ſich uͤber die immer kraͤnkelnde Wirk-
lichkeit zu erheben, und ſich Ideale des unbedingt
Guten und ſchlechthin Großen zu ſchaffen. Er
haͤlt es des Weiſen wuͤrdig, in einſamen und
Geſchaͤfts-leeren Stunden ſich an der Beſchauung
ſelbſtgeſchaffener Ideale zu weiden; aber er iſt
zu ernſthaft und zu weiſe, um gegen die Unmoͤg-
lichkeit zu kaͤmpfen, und dem gegebenen, tauſen-
derlei Bedingungen unterworfenen Stoffe ſeine
Ideale auch nur Theilweiſe aufflicken zu wollen.
Pflegen, Bilden und Erhalten, nicht Zerſtoͤren
und Schaffen iſt ſein Geſchaͤft. Das goldene Zeit-
alter der allgemein herrſchenden Weisheit iſt das
Ziel ſeiner Wuͤnſche, die Sehnſucht darnach be-
zeichnet ſeine ganze Handlungsweiſe; aber wenn
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fer deines Reiches
!“ betet er nur mit maͤnn-

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[211/0229] zu erforſchen. Sie verſieht ihn mit dem Richt- ſcheit der Behutſamkeit, um alles Zweckwi- drige in ſeinen Anordnungen oder Handlungen zu bemerken. So ausgeruͤſtet tritt er auf und handelt: kein Schein, kein Glanz blendet ſeinen praktiſchen Beobachtungs-Geiſt; keine Furcht, kein Erſtaunen, keine Begierde, kein Unmuth reißt ihn aus dem Zuſtande der klarſten Beſon- nenheit. Weniger mit ſeinen eigenen Ideen und Entwuͤrfen, als mit der wirklichen Lage der Dinge beſchaͤftigt, ergreift und bemaͤchtigt er ſich des Sichtbaren und Gegenwaͤrtigen, ohne das Un- ſichtbare und Zukuͤnftige ſeinem Blicke entſchwin- den zu laſſen. Er haͤlt es fuͤr die Energie einer edeln Seele, ſich uͤber die immer kraͤnkelnde Wirk- lichkeit zu erheben, und ſich Ideale des unbedingt Guten und ſchlechthin Großen zu ſchaffen. Er haͤlt es des Weiſen wuͤrdig, in einſamen und Geſchaͤfts-leeren Stunden ſich an der Beſchauung ſelbſtgeſchaffener Ideale zu weiden; aber er iſt zu ernſthaft und zu weiſe, um gegen die Unmoͤg- lichkeit zu kaͤmpfen, und dem gegebenen, tauſen- derlei Bedingungen unterworfenen Stoffe ſeine Ideale auch nur Theilweiſe aufflicken zu wollen. Pflegen, Bilden und Erhalten, nicht Zerſtoͤren und Schaffen iſt ſein Geſchaͤft. Das goldene Zeit- alter der allgemein herrſchenden Weisheit iſt das Ziel ſeiner Wuͤnſche, die Sehnſucht darnach be- zeichnet ſeine ganze Handlungsweiſe; aber wenn das ſtolze Kind ruft: „mach mich zum Schoͤp- fer deines Reiches!“ betet er nur mit maͤnn- O 2

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/229>, abgerufen am 22.11.2024.