Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.Nun weiß ich gantz gewiß, daß viele diesen Brief vor eine thörichte Lügen Von einem, ebenfalls noch jetzo lebenden, Doctore und Professore, mag Jedoch was sagt der geneigte Leser darzu? Es hat ein gewisser Hochgelehr- Cu- F 3
Nun weiß ich gantz gewiß, daß viele dieſen Brief vor eine thoͤrichte Luͤgen Von einem, ebenfalls noch jetzo lebenden, Doctore und Profeſſore, mag Jedoch was ſagt der geneigte Leſer darzu? Es hat ein gewiſſer Hochgelehr- Cu- F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0089" n="45"/> <p>Nun weiß ich gantz gewiß, daß viele dieſen Brief vor eine thoͤrichte Luͤgen<lb/> und erdichtete Sache halten werden. Ich will mich auch nicht unterſtehen, je-<lb/> manden zuzumuthen, daß er ihn vor eine Wahrheit annehmen ſolle. Indeſ-<lb/> ſen kan ich doch verſichern, wie ich vor ungefaͤhr vier Jahren ein Leichen-<hi rendition="#aq">Car-<lb/> men</hi> geleſen, das ein, etliche Meilen von einer beruͤhmten Stadt noch jetzo le-<lb/> bender, Dorff-Prieſter auf den Todt ſeiner gnaͤdigen Edel-Frau gemachet,<lb/> und welches bey nahe eben ſo laͤcherlich wo nicht gar toller klinget als dieſer<lb/> Brief. Wie dann inſonderheit die ungereimte Redens-Art: <hi rendition="#fr">Du groſſer</hi> <hi rendition="#aq">Pan<lb/> eheu!</hi> <hi rendition="#fr">O Pan du groſſer GOtt!</hi> vielfaͤltig darinnen anzutreffen.</p><lb/> <p>Von einem, ebenfalls noch jetzo lebenden, <hi rendition="#aq">Doctore</hi> und <hi rendition="#aq">Profeſſore,</hi> mag<lb/> ich nicht weniger die Verſicherung geben, daß er faſt nichts ſchreibet oder re-<lb/> det, in Teutſcher Sprache, das er nicht mit eben ſo viel Lateiniſchen und Fran-<lb/> tzoͤſiſchen Worten, nach <hi rendition="#aq">Proportion</hi> der Schrifft, ſpicken und auszieren ſolle,<lb/> wie der angefuͤhrte gelehrte Dorff-Schulmeiſter und Kuͤſter ſeinen Brief. Der<lb/> Unterſcheid beſtehet nur darinnen, daß der Herr <hi rendition="#aq">Doctor</hi> und <hi rendition="#aq">Profeſſor</hi> zierlich<lb/> Latein redet und ſchreibet, und kein ſo entſetzliches Barbariſches, wie der<lb/> Schulmeiſter, dem man dieſen Brief zu eignet. Aber man hoͤre dieſen<lb/> Herrn <hi rendition="#aq">Doctorem</hi> und <hi rendition="#aq">Profeſſorem</hi> Frantzoͤſiſch reden, oder erwege ſein Fran-<lb/> tzoͤſiſch, das er mit in ſeine Schrifften einflieſſen laͤſſet, ſo wird man ſich des<lb/> Lachens nicht enthalten koͤnnen. Vielleicht dencket jetzo, bey dieſer meiner Er-<lb/> zehlung, mancher bey ſich ſelber: <hi rendition="#fr">Wer fordert dann von einem</hi> <hi rendition="#aq">Profeſſore</hi><lb/><hi rendition="#fr">auf teutſchen</hi> <hi rendition="#aq">Univerſitæ</hi><hi rendition="#fr">ten daß er eben die Frantzoͤſiſche Sprache ver-<lb/> ſtehe,</hi> und ich meines Orts ſage gleichergeſtalt, daß dieſes keine <hi rendition="#aq">abſolu</hi>te<lb/> Nothwendigkeit ſeye. Allein ſo muß auch keiner, ſchon bey hohen Jahren ſeyen-<lb/> der, <hi rendition="#aq">Doctor</hi> und <hi rendition="#aq">Profeſſor,</hi> welcher der Frantzoͤſiſchen Sprache nicht maͤchtig<lb/> iſt, immerfort halb Teutſch und halb Frantzoͤſiſch reden und ſchreiben. Ich<lb/> zweiffele auch, das es ſich ſchicket, wann einer, wie dieſer thut, auf ſolche<lb/> Weiſe betet und ſinget. Zum wenigſten bin ich meines Orts <hi rendition="#aq">incapable</hi> der-<lb/> gleichen Poſſen ohne Lachen anzuhoͤren.</p><lb/> <p>Jedoch was ſagt der geneigte Leſer darzu? Es hat ein gewiſſer Hochgelehr-<lb/> ter, der ſich vor einiger Zeit hier, wo dieſer <hi rendition="#aq">Tractat</hi> an das Licht kommen, etliche<lb/> Monathe aufgehalten, ein <hi rendition="#aq">Avertiſſement</hi> drucken laſſen, das warhafftig noch<lb/> weit laͤcherlicher iſt, als der angezogene Brief des Dorff-Schulmeiſters. Die-<lb/> ſes <hi rendition="#aq">Avertiſſement</hi> lautet alſo:</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Cu-</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [45/0089]
Nun weiß ich gantz gewiß, daß viele dieſen Brief vor eine thoͤrichte Luͤgen
und erdichtete Sache halten werden. Ich will mich auch nicht unterſtehen, je-
manden zuzumuthen, daß er ihn vor eine Wahrheit annehmen ſolle. Indeſ-
ſen kan ich doch verſichern, wie ich vor ungefaͤhr vier Jahren ein Leichen-Car-
men geleſen, das ein, etliche Meilen von einer beruͤhmten Stadt noch jetzo le-
bender, Dorff-Prieſter auf den Todt ſeiner gnaͤdigen Edel-Frau gemachet,
und welches bey nahe eben ſo laͤcherlich wo nicht gar toller klinget als dieſer
Brief. Wie dann inſonderheit die ungereimte Redens-Art: Du groſſer Pan
eheu! O Pan du groſſer GOtt! vielfaͤltig darinnen anzutreffen.
Von einem, ebenfalls noch jetzo lebenden, Doctore und Profeſſore, mag
ich nicht weniger die Verſicherung geben, daß er faſt nichts ſchreibet oder re-
det, in Teutſcher Sprache, das er nicht mit eben ſo viel Lateiniſchen und Fran-
tzoͤſiſchen Worten, nach Proportion der Schrifft, ſpicken und auszieren ſolle,
wie der angefuͤhrte gelehrte Dorff-Schulmeiſter und Kuͤſter ſeinen Brief. Der
Unterſcheid beſtehet nur darinnen, daß der Herr Doctor und Profeſſor zierlich
Latein redet und ſchreibet, und kein ſo entſetzliches Barbariſches, wie der
Schulmeiſter, dem man dieſen Brief zu eignet. Aber man hoͤre dieſen
Herrn Doctorem und Profeſſorem Frantzoͤſiſch reden, oder erwege ſein Fran-
tzoͤſiſch, das er mit in ſeine Schrifften einflieſſen laͤſſet, ſo wird man ſich des
Lachens nicht enthalten koͤnnen. Vielleicht dencket jetzo, bey dieſer meiner Er-
zehlung, mancher bey ſich ſelber: Wer fordert dann von einem Profeſſore
auf teutſchen Univerſitæten daß er eben die Frantzoͤſiſche Sprache ver-
ſtehe, und ich meines Orts ſage gleichergeſtalt, daß dieſes keine abſolute
Nothwendigkeit ſeye. Allein ſo muß auch keiner, ſchon bey hohen Jahren ſeyen-
der, Doctor und Profeſſor, welcher der Frantzoͤſiſchen Sprache nicht maͤchtig
iſt, immerfort halb Teutſch und halb Frantzoͤſiſch reden und ſchreiben. Ich
zweiffele auch, das es ſich ſchicket, wann einer, wie dieſer thut, auf ſolche
Weiſe betet und ſinget. Zum wenigſten bin ich meines Orts incapable der-
gleichen Poſſen ohne Lachen anzuhoͤren.
Jedoch was ſagt der geneigte Leſer darzu? Es hat ein gewiſſer Hochgelehr-
ter, der ſich vor einiger Zeit hier, wo dieſer Tractat an das Licht kommen, etliche
Monathe aufgehalten, ein Avertiſſement drucken laſſen, das warhafftig noch
weit laͤcherlicher iſt, als der angezogene Brief des Dorff-Schulmeiſters. Die-
ſes Avertiſſement lautet alſo:
Cu-
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