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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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"redet dieselben an, werden sie geschwinde in ihnen selbst entzücket, ruffen alle
"ihre Gedancken zu Rathe, und befragen sich bey ihnen selber, was dieses be-
"deuten mag? ob es ihnen zum Spott geschehen? oder ob es etwa aus einer son-
"derbaren himmlischen Einfliessung oder Influxion des Gestirns herrühre? Von
"guten höflichen Sitten wissen sie nichts, können mit niemanden conversiren,
"seynd in der That keine Menschen, sondern nur Schatten von Menschen,
"die da einen Leib ohne Seele und Gemüthe, und nur allein mit kalten Gedan-
"cken überschwemmet, herum tragen. Man kan sie erkennen an ihren tücki-
"schen Gesichte, grober unartiger Gestalt, runtzlichter Stirn, an ihren im
"Maul abgezirckelten Worten, dunckeln und nur untersichtigen Blintzel-Au-
"gen, langen Sau-borstigen Bärten, vermoderten und verschimmelten Haa-
"ren, wie auch öffters an einem Mantel, welcher auf der einen Seite weiter
"herab hänget als auf der andern. Wer sie reden höret mag wohl sagen, daß
"sie nicht wissen, wie es in der Welt zugehe, noch was die Welt seye. Sie
"pflegen keinen Fuß fortzusetzen, noch die Nase zu schneutzen ohne Bedacht.
"Sollen sie etwas der Zeit und Gelegenheit nach verrichten, so werden sie bey-
"des mit ihren langen Rathschlägen versäumen. Sie praetendiren lauter
"Weisheit zu lehren; und ihr gantzes Leben ist doch anders nichts als eitel Un-
"ordnung. Fället etwa des Rangs und der Ober-Stelle wegen ein Streit
"vor, so wissen sie denselben ohne allem Aufschub zu schlichten, indem sie sich
"selber über jederman setzen und erheben, aus einem gantz närrischen Ehr-
"Geitz. Sie halten es vor eine grosse Schmach, und es verdreust sie sehr,
"wann man sie anspricht, und nicht zuvor einen Eingang oder Vorrede machet
"von ihrer grossen Gelehrsamkeit, ihrem herrlichen Ansehen und weit-berühm-
"ten Namen, der ihrer Meynung nach aller Welt bekannt seyn muß.

So haben sich viel gelehrte Narren und gelehrte Stock-Fische, in der Welt
aufgeführet, und dadurch anlaß gegeben, daß die Leute sich fast über das gesamte
lehrte Wesen en general moquiret, ja bey nahe einen jeden Gelehrten vor einen
Narren und Fantasten gehalten und angesehen. Man solte meynen es müste
doch endlich die Klugheit und Weißheit einmal anfangen bey denen Gelehrten
über die Narrheit zu triumphiren; allein es kommen leider immerfort wie-
derum neue gelehrte Monstra und Mißgeburten zum Vorschein. Die Con-
duite
und Aufführung vieler jetzt-lebenden abgeschmackten Gelehrten, die doch
rechte Lumina Mundi zu seyn praetendiren, lieset und ersiehet man, von einer
Zeit zur andern, in denen gelehrten Zeitungen, und andern Nachrichten von
gelehrten Sachen. Regieret gleich sonst der Friede in der gantzen Welt, so

ist

„redet dieſelben an, werden ſie geſchwinde in ihnen ſelbſt entzuͤcket, ruffen alle
„ihre Gedancken zu Rathe, und befragen ſich bey ihnen ſelber, was dieſes be-
„deuten mag? ob es ihnen zum Spott geſchehen? oder ob es etwa aus einer ſon-
„derbaren himmliſchen Einflieſſung oder Influxion des Geſtirns herruͤhre? Von
„guten hoͤflichen Sitten wiſſen ſie nichts, koͤnnen mit niemanden converſiren,
„ſeynd in der That keine Menſchen, ſondern nur Schatten von Menſchen,
„die da einen Leib ohne Seele und Gemuͤthe, und nur allein mit kalten Gedan-
„cken uͤberſchwemmet, herum tragen. Man kan ſie erkennen an ihren tuͤcki-
„ſchen Geſichte, grober unartiger Geſtalt, runtzlichter Stirn, an ihren im
„Maul abgezirckelten Worten, dunckeln und nur unterſichtigen Blintzel-Au-
„gen, langen Sau-borſtigen Baͤrten, vermoderten und verſchimmelten Haa-
„ren, wie auch oͤffters an einem Mantel, welcher auf der einen Seite weiter
„herab haͤnget als auf der andern. Wer ſie reden hoͤret mag wohl ſagen, daß
„ſie nicht wiſſen, wie es in der Welt zugehe, noch was die Welt ſeye. Sie
„pflegen keinen Fuß fortzuſetzen, noch die Naſe zu ſchneutzen ohne Bedacht.
„Sollen ſie etwas der Zeit und Gelegenheit nach verrichten, ſo werden ſie bey-
„des mit ihren langen Rathſchlaͤgen verſaͤumen. Sie prætendiren lauter
„Weisheit zu lehren; und ihr gantzes Leben iſt doch anders nichts als eitel Un-
„ordnung. Faͤllet etwa des Rangs und der Ober-Stelle wegen ein Streit
„vor, ſo wiſſen ſie denſelben ohne allem Aufſchub zu ſchlichten, indem ſie ſich
„ſelber uͤber jederman ſetzen und erheben, aus einem gantz naͤrriſchen Ehr-
„Geitz. Sie halten es vor eine groſſe Schmach, und es verdreuſt ſie ſehr,
„wann man ſie anſpricht, und nicht zuvor einen Eingang oder Vorrede machet
„von ihrer groſſen Gelehrſamkeit, ihrem herrlichen Anſehen und weit-beruͤhm-
„ten Namen, der ihrer Meynung nach aller Welt bekannt ſeyn muß.

So haben ſich viel gelehrte Narren und gelehrte Stock-Fiſche, in der Welt
aufgefuͤhret, und dadurch anlaß gegeben, daß die Leute ſich faſt uͤber das geſamte
lehrte Weſen en general moquiret, ja bey nahe einen jeden Gelehrten vor einen
Narren und Fantaſten gehalten und angeſehen. Man ſolte meynen es muͤſte
doch endlich die Klugheit und Weißheit einmal anfangen bey denen Gelehrten
uͤber die Narrheit zu triumphiren; allein es kommen leider immerfort wie-
derum neue gelehrte Monſtra und Mißgeburten zum Vorſchein. Die Con-
duite
und Auffuͤhrung vieler jetzt-lebenden abgeſchmackten Gelehrten, die doch
rechte Lumina Mundi zu ſeyn prætendiren, lieſet und erſiehet man, von einer
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gelehrten Sachen. Regieret gleich ſonſt der Friede in der gantzen Welt, ſo

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[36/0080] „redet dieſelben an, werden ſie geſchwinde in ihnen ſelbſt entzuͤcket, ruffen alle „ihre Gedancken zu Rathe, und befragen ſich bey ihnen ſelber, was dieſes be- „deuten mag? ob es ihnen zum Spott geſchehen? oder ob es etwa aus einer ſon- „derbaren himmliſchen Einflieſſung oder Influxion des Geſtirns herruͤhre? Von „guten hoͤflichen Sitten wiſſen ſie nichts, koͤnnen mit niemanden converſiren, „ſeynd in der That keine Menſchen, ſondern nur Schatten von Menſchen, „die da einen Leib ohne Seele und Gemuͤthe, und nur allein mit kalten Gedan- „cken uͤberſchwemmet, herum tragen. Man kan ſie erkennen an ihren tuͤcki- „ſchen Geſichte, grober unartiger Geſtalt, runtzlichter Stirn, an ihren im „Maul abgezirckelten Worten, dunckeln und nur unterſichtigen Blintzel-Au- „gen, langen Sau-borſtigen Baͤrten, vermoderten und verſchimmelten Haa- „ren, wie auch oͤffters an einem Mantel, welcher auf der einen Seite weiter „herab haͤnget als auf der andern. Wer ſie reden hoͤret mag wohl ſagen, daß „ſie nicht wiſſen, wie es in der Welt zugehe, noch was die Welt ſeye. Sie „pflegen keinen Fuß fortzuſetzen, noch die Naſe zu ſchneutzen ohne Bedacht. „Sollen ſie etwas der Zeit und Gelegenheit nach verrichten, ſo werden ſie bey- „des mit ihren langen Rathſchlaͤgen verſaͤumen. Sie prætendiren lauter „Weisheit zu lehren; und ihr gantzes Leben iſt doch anders nichts als eitel Un- „ordnung. Faͤllet etwa des Rangs und der Ober-Stelle wegen ein Streit „vor, ſo wiſſen ſie denſelben ohne allem Aufſchub zu ſchlichten, indem ſie ſich „ſelber uͤber jederman ſetzen und erheben, aus einem gantz naͤrriſchen Ehr- „Geitz. Sie halten es vor eine groſſe Schmach, und es verdreuſt ſie ſehr, „wann man ſie anſpricht, und nicht zuvor einen Eingang oder Vorrede machet „von ihrer groſſen Gelehrſamkeit, ihrem herrlichen Anſehen und weit-beruͤhm- „ten Namen, der ihrer Meynung nach aller Welt bekannt ſeyn muß. So haben ſich viel gelehrte Narren und gelehrte Stock-Fiſche, in der Welt aufgefuͤhret, und dadurch anlaß gegeben, daß die Leute ſich faſt uͤber das geſamte lehrte Weſen en general moquiret, ja bey nahe einen jeden Gelehrten vor einen Narren und Fantaſten gehalten und angeſehen. Man ſolte meynen es muͤſte doch endlich die Klugheit und Weißheit einmal anfangen bey denen Gelehrten uͤber die Narrheit zu triumphiren; allein es kommen leider immerfort wie- derum neue gelehrte Monſtra und Mißgeburten zum Vorſchein. Die Con- duite und Auffuͤhrung vieler jetzt-lebenden abgeſchmackten Gelehrten, die doch rechte Lumina Mundi zu ſeyn prætendiren, lieſet und erſiehet man, von einer Zeit zur andern, in denen gelehrten Zeitungen, und andern Nachrichten von gelehrten Sachen. Regieret gleich ſonſt der Friede in der gantzen Welt, ſo iſt

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/80>, abgerufen am 29.11.2024.