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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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testire aber nochmahls, das brave, löbliche und rühmliche Männer oder wahr-
hafftige gelehrte, und dabey weise Rectores, Schulmeister und andern Schul-
Bediente, keinesweges damit gemeynet sind, sondern diese bleiben einmal wie
das andere in ihrem inaestimablen Werth.

Atyenaus stellet die alten Schul-Fratzen und Pedantereyen aus dem Co-
moedi
en-Dichter Epicrute vor, da zwey Personen, also mit einander reden-
de aufgeführet sind:

A. Lieber! Was machet Plato, Spensippus, und Menedemus? wo hal-"
ten sie sich auf? Was dichten sie gutes? Wann du etwas neues von ihnen aus"
Athen mitbringest, so seye hiermit gebethen, und erzehle es uns auch."

B. Das thue ich gerne. Ich sehe in dem Panatheo, auf der Academie,"
eine ziemliche Heerde Studenten bey einander, da meynete ich, wunderseltsame"
Dinge und unauflößliche Dunckel-Reden, zu hören. Sie urtheileten und rede-"
ten von aller Dinge Natur, von dem Leben derer Thiere, von derer Bäume"
Art, vom Unterschied derer Kräuter und Pflantzen. Insonderheit forscheten"
sie unter einander, unter welches Geschlecht die Kürbsen gehörten?"

A. Und was beschlossen sie dann endlich darüber?"

B. Anfangs erstummeten sie alle über diese Frage, und gedachten ihr eine"
gute Zeit mitniedergeschlagenen, oder gebogenen Haupte nach. Hernach trat"
einer unter ihnen auf und sprach, der Kürbis seye eine Art von einem Kappes-"
Kraut, weil er rund wäre. Ein anderer zehlete ihn vollkommen unter die"
Kräuter; bald aber wieder ein anderer unter die Bäume. Dabey war eben"
ein Sicilianischer Medicus gegenwärtig, der diesen aberwitzigen Grillen zuhö-"
rete, und vor lauter Lachen einen lauten starcken Bauch-Wind fahren ließ."
Hierüber erzürnete sich das gantze Auditorium, und ein jeder schrie man spot-"
te ihrer. Plato hingegen ließ sich nichts anfechten, hieß seine Schüler fort-"
fahren, und machte, daß sie wieder auf ihr voriges Gezäncke fielen, gleichwie"
eine Katze auf ihre Füsse. Endlich wurde doch nichts beschlossen, sondern es"
gieng ein jeder mit seiner Meynung davon."


Die Beschreibung Petronii Arbitri, von einem Schul-Schwätzer, lau-"
tet wie folget: Dieses wäre noch leidlich, wann sein Geschwätze einen auf"
den rechten Weg zur Wohlredenheit führte. Nun bringet aber dieses Wort-"
Gepränge und Wort-Geräusche, ihnen keinen andern Nutzen als diesen, daß,"
wann sie ausserhalb denen Schulen, vor denen Leuten, und vor der Gemein-"

de-

teſtire aber nochmahls, das brave, loͤbliche und ruͤhmliche Maͤnner oder wahr-
hafftige gelehrte, und dabey weiſe Rectores, Schulmeiſter und andern Schul-
Bediente, keinesweges damit gemeynet ſind, ſondern dieſe bleiben einmal wie
das andere in ihrem inæſtimablen Werth.

Atyenaus ſtellet die alten Schul-Fratzen und Pedantereyen aus dem Co-
mœdi
en-Dichter Epicrute vor, da zwey Perſonen, alſo mit einander reden-
de aufgefuͤhret ſind:

A. Lieber! Was machet Plato, Spenſippus, und Menedemus? wo hal-„
ten ſie ſich auf? Was dichten ſie gutes? Wann du etwas neues von ihnen aus„
Athen mitbringeſt, ſo ſeye hiermit gebethen, und erzehle es uns auch.„

B. Das thue ich gerne. Ich ſehe in dem Panatheo, auf der Academie,
eine ziemliche Heerde Studenten bey einander, da meynete ich, wunderſeltſame„
Dinge und unaufloͤßliche Dunckel-Reden, zu hoͤren. Sie urtheileten und rede-„
ten von aller Dinge Natur, von dem Leben derer Thiere, von derer Baͤume„
Art, vom Unterſchied derer Kraͤuter und Pflantzen. Inſonderheit forſcheten„
ſie unter einander, unter welches Geſchlecht die Kuͤrbſen gehoͤrten?„

A. Und was beſchloſſen ſie dann endlich daruͤber?„

B. Anfangs erſtummeten ſie alle uͤber dieſe Frage, und gedachten ihr eine„
gute Zeit mitniedergeſchlagenen, oder gebogenen Haupte nach. Hernach trat„
einer unter ihnen auf und ſprach, der Kuͤrbis ſeye eine Art von einem Kappes-„
Kraut, weil er rund waͤre. Ein anderer zehlete ihn vollkommen unter die„
Kraͤuter; bald aber wieder ein anderer unter die Baͤume. Dabey war eben„
ein Sicilianiſcher Medicus gegenwaͤrtig, der dieſen aberwitzigen Grillen zuhoͤ-„
rete, und vor lauter Lachen einen lauten ſtarcken Bauch-Wind fahren ließ.„
Hieruͤber erzuͤrnete ſich das gantze Auditorium, und ein jeder ſchrie man ſpot-„
te ihrer. Plato hingegen ließ ſich nichts anfechten, hieß ſeine Schuͤler fort-„
fahren, und machte, daß ſie wieder auf ihr voriges Gezaͤncke fielen, gleichwie„
eine Katze auf ihre Fuͤſſe. Endlich wurde doch nichts beſchloſſen, ſondern es„
gieng ein jeder mit ſeiner Meynung davon.„


Die Beſchreibung Petronii Arbitri, von einem Schul-Schwaͤtzer, lau-„
tet wie folget: Dieſes waͤre noch leidlich, wann ſein Geſchwaͤtze einen auf„
den rechten Weg zur Wohlredenheit fuͤhrte. Nun bringet aber dieſes Wort-„
Gepraͤnge und Wort-Geraͤuſche, ihnen keinen andern Nutzen als dieſen, daß,„
wann ſie auſſerhalb denen Schulen, vor denen Leuten, und vor der Gemein-„

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[23/0067] teſtire aber nochmahls, das brave, loͤbliche und ruͤhmliche Maͤnner oder wahr- hafftige gelehrte, und dabey weiſe Rectores, Schulmeiſter und andern Schul- Bediente, keinesweges damit gemeynet ſind, ſondern dieſe bleiben einmal wie das andere in ihrem inæſtimablen Werth. Atyenaus ſtellet die alten Schul-Fratzen und Pedantereyen aus dem Co- mœdien-Dichter Epicrute vor, da zwey Perſonen, alſo mit einander reden- de aufgefuͤhret ſind: A. Lieber! Was machet Plato, Spenſippus, und Menedemus? wo hal-„ ten ſie ſich auf? Was dichten ſie gutes? Wann du etwas neues von ihnen aus„ Athen mitbringeſt, ſo ſeye hiermit gebethen, und erzehle es uns auch.„ B. Das thue ich gerne. Ich ſehe in dem Panatheo, auf der Academie,„ eine ziemliche Heerde Studenten bey einander, da meynete ich, wunderſeltſame„ Dinge und unaufloͤßliche Dunckel-Reden, zu hoͤren. Sie urtheileten und rede-„ ten von aller Dinge Natur, von dem Leben derer Thiere, von derer Baͤume„ Art, vom Unterſchied derer Kraͤuter und Pflantzen. Inſonderheit forſcheten„ ſie unter einander, unter welches Geſchlecht die Kuͤrbſen gehoͤrten?„ A. Und was beſchloſſen ſie dann endlich daruͤber?„ B. Anfangs erſtummeten ſie alle uͤber dieſe Frage, und gedachten ihr eine„ gute Zeit mitniedergeſchlagenen, oder gebogenen Haupte nach. Hernach trat„ einer unter ihnen auf und ſprach, der Kuͤrbis ſeye eine Art von einem Kappes-„ Kraut, weil er rund waͤre. Ein anderer zehlete ihn vollkommen unter die„ Kraͤuter; bald aber wieder ein anderer unter die Baͤume. Dabey war eben„ ein Sicilianiſcher Medicus gegenwaͤrtig, der dieſen aberwitzigen Grillen zuhoͤ-„ rete, und vor lauter Lachen einen lauten ſtarcken Bauch-Wind fahren ließ.„ Hieruͤber erzuͤrnete ſich das gantze Auditorium, und ein jeder ſchrie man ſpot-„ te ihrer. Plato hingegen ließ ſich nichts anfechten, hieß ſeine Schuͤler fort-„ fahren, und machte, daß ſie wieder auf ihr voriges Gezaͤncke fielen, gleichwie„ eine Katze auf ihre Fuͤſſe. Endlich wurde doch nichts beſchloſſen, ſondern es„ gieng ein jeder mit ſeiner Meynung davon.„ Die Beſchreibung Petronii Arbitri, von einem Schul-Schwaͤtzer, lau-„ tet wie folget: Dieſes waͤre noch leidlich, wann ſein Geſchwaͤtze einen auf„ den rechten Weg zur Wohlredenheit fuͤhrte. Nun bringet aber dieſes Wort-„ Gepraͤnge und Wort-Geraͤuſche, ihnen keinen andern Nutzen als dieſen, daß,„ wann ſie auſſerhalb denen Schulen, vor denen Leuten, und vor der Gemein-„ de-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/67>, abgerufen am 27.11.2024.