nig wahrer Gelehrsamkeit und gar keiner Weißheit geschmückten, sondern mit lauter Ungeschicklichkeit, Grobheit und Tölpeley angefülleten Schul-Türan- nen durchhechelt hat, entgegen setzen, welche also laulet:
Es ist ein altes Teutsches Sprüchwort: Wann man un- ter die Hunde wirfft, welchen man trifft, der schreyet. Also ist es auch dem Collectori dieses Büchleins ergangen. Er hat vermeynet, wann er niemand nenne, nur insgemein von dem Ubelstand rede, und die bösen Mores etlicher Bachanten taxire, so seye es genug. Aber er befindet das Widerspiel, indem sich etliche Petanten und Schul-Füchse selbst nicht verhelen können, sondern sagen: Damit stichelt er auf mich; jenes ist auf dich ge- machet. Ist es auf dich, so seye es auf dich, du wirst es am be- sten wissen. Ich meyne dich nicht. Wilst du dich selber nennen wird man dich desto besser kennen, und jedermann sagen, ich habe nichts als die Wahrheit geschrieben. Kayser Sigismundus ist ein anderer Potentat gewesen, als ihr Schul-Potentaten. Da ihm gesaget wurde: Die Leute reden Ew. Kayserl. Majestät übels nach, antwortete er: Was Wunder höre ich? Wa- rum sollen sie nichts übels reden; da wir doch übels thun? Dieses sagte ein grosser Kayser. Aber unsere Scholastici, unsere Stoici, und unsere Stockheiligen, seynd mit ihrem grossen Philoso- phischen Witz zu dieser Käyserlichen Gestalt und Bescheidenheit noch nicht gelanget.
Eine Hure, wann man sie schilt, was sie ist, kan es am we- nigsten leiden, sondern will sich weit schöner und sauberer stellen, als sie an sich selber ist. Ja sagen sie, aber er verachtet die bonas literas. Nein, meine liebe Herren! ich verachte nicht die bonas li- teras, sondern eure malos mores. Querels mea in bonos non con- venit, gaudeant haec dici, qui non sunt tales. Vos maculas & vibices literarum insequor. Die ihr meynet, ihr habt das Latein allein ge-
fres-
nig wahrer Gelehrſamkeit und gar keiner Weißheit geſchmuͤckten, ſondern mit lauter Ungeſchicklichkeit, Grobheit und Toͤlpeley angefuͤlleten Schul-Tuͤran- nen durchhechelt hat, entgegen ſetzen, welche alſo laulet:
Es iſt ein altes Teutſches Spruͤchwort: Wann man un- ter die Hunde wirfft, welchen man trifft, der ſchreyet. Alſo iſt es auch dem Collectori dieſes Buͤchleins ergangen. Er hat vermeynet, wann er niemand nenne, nur insgemein von dem Ubelſtand rede, und die boͤſen Mores etlicher Bachanten taxire, ſo ſeye es genug. Aber er befindet das Widerſpiel, indem ſich etliche Petanten und Schul-Fuͤchſe ſelbſt nicht verhelen koͤnnen, ſondern ſagen: Damit ſtichelt er auf mich; jenes iſt auf dich ge- machet. Iſt es auf dich, ſo ſeye es auf dich, du wirſt es am be- ſten wiſſen. Ich meyne dich nicht. Wilſt du dich ſelber nennen wird man dich deſto beſſer kennen, und jedermann ſagen, ich habe nichts als die Wahrheit geſchrieben. Kayſer Sigismundus iſt ein anderer Potentat geweſen, als ihr Schul-Potentaten. Da ihm geſaget wurde: Die Leute reden Ew. Kayſerl. Majeſtaͤt uͤbels nach, antwortete er: Was Wunder hoͤre ich? Wa- rum ſollen ſie nichts uͤbels reden; da wir doch uͤbels thun? Dieſes ſagte ein groſſer Kayſer. Aber unſere Scholaſtici, unſere Stoici, und unſere Stockheiligen, ſeynd mit ihrem groſſen Philoſo- phiſchen Witz zu dieſer Kaͤyſerlichen Geſtalt und Beſcheidenheit noch nicht gelanget.
Eine Hure, wann man ſie ſchilt, was ſie iſt, kan es am we- nigſten leiden, ſondern will ſich weit ſchoͤner und ſauberer ſtellen, als ſie an ſich ſelber iſt. Ja ſagen ſie, aber er verachtet die bonas literas. Nein, meine liebe Herren! ich verachte nicht die bonas li- teras, ſondern eure malos mores. Querels mea in bonos non con- venit, gaudeant hæc dici, qui non ſunt tales. Vos maculas & vibices literarum inſequor. Die ihr meynet, ihr habt das Latein allein ge-
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nig wahrer Gelehrſamkeit und gar keiner Weißheit geſchmuͤckten, ſondern mit
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nen durchhechelt hat, entgegen ſetzen, welche alſo laulet:
Es iſt ein altes Teutſches Spruͤchwort: Wann man un-
ter die Hunde wirfft, welchen man trifft, der ſchreyet.
Alſo iſt es auch dem Collectori dieſes Buͤchleins ergangen. Er hat
vermeynet, wann er niemand nenne, nur insgemein von dem
Ubelſtand rede, und die boͤſen Mores etlicher Bachanten taxire, ſo
ſeye es genug. Aber er befindet das Widerſpiel, indem ſich etliche
Petanten und Schul-Fuͤchſe ſelbſt nicht verhelen koͤnnen, ſondern
ſagen: Damit ſtichelt er auf mich; jenes iſt auf dich ge-
machet. Iſt es auf dich, ſo ſeye es auf dich, du wirſt es am be-
ſten wiſſen. Ich meyne dich nicht. Wilſt du dich ſelber nennen
wird man dich deſto beſſer kennen, und jedermann ſagen, ich habe
nichts als die Wahrheit geſchrieben. Kayſer Sigismundus iſt ein
anderer Potentat geweſen, als ihr Schul-Potentaten. Da ihm
geſaget wurde: Die Leute reden Ew. Kayſerl. Majeſtaͤt
uͤbels nach, antwortete er: Was Wunder hoͤre ich? Wa-
rum ſollen ſie nichts uͤbels reden; da wir doch uͤbels thun?
Dieſes ſagte ein groſſer Kayſer. Aber unſere Scholaſtici, unſere
Stoici, und unſere Stockheiligen, ſeynd mit ihrem groſſen Philoſo-
phiſchen Witz zu dieſer Kaͤyſerlichen Geſtalt und Beſcheidenheit noch
nicht gelanget.
Eine Hure, wann man ſie ſchilt, was ſie iſt, kan es am we-
nigſten leiden, ſondern will ſich weit ſchoͤner und ſauberer ſtellen,
als ſie an ſich ſelber iſt. Ja ſagen ſie, aber er verachtet die bonas
literas. Nein, meine liebe Herren! ich verachte nicht die bonas li-
teras, ſondern eure malos mores. Querels mea in bonos non con-
venit, gaudeant hæc dici, qui non ſunt tales. Vos maculas & vibices
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/59>, abgerufen am 15.08.2024.
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