Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.Wann der König mit ihm discurirte, und die Vorstellungen des Päbstlichen Wann nun Gelehrte, von der Art, grossen Potentaten vor die Augen kom- nach A 2
Wann der Koͤnig mit ihm diſcurirte, und die Vorſtellungen des Paͤbſtlichen Wann nun Gelehrte, von der Art, groſſen Potentaten vor die Augen kom- nach A 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="3"/> Wann der Koͤnig mit ihm <hi rendition="#aq">diſcurir</hi>te, und die Vorſtellungen des Paͤbſtlichen<lb/> Hofes nicht ſtatt finden laſſen wolte, <hi rendition="#aq">citir</hi>te der <hi rendition="#aq">Cardinal</hi> viele <hi rendition="#aq">Paſſagen</hi> aus<lb/> einem Griechiſchen <hi rendition="#aq">Tragœdien</hi>-Schreiber <hi rendition="#aq">Sophocle,</hi> aus dem <hi rendition="#aq">Pindaro</hi> einem<lb/> Griechiſchen <hi rendition="#aq">Pœten,</hi> und aus dem <hi rendition="#aq">Lycophron,</hi> der ebenfalls ein Griechi-<lb/> ſcher <hi rendition="#aq">Pœt</hi> und <hi rendition="#aq">Grammaticus</hi> geweſen. Zwiſchen dem Koͤnig von Franckreich<lb/><hi rendition="#aq">Ludvico XI.</hi> und dem Hertzog von Burgund, Carl dem Kuͤhnen, ſchwebete<lb/> ein Streit wegen verſchiedener an der <hi rendition="#aq">Somme</hi> gelegenen Plaͤtze, welche der<lb/> Koͤnig von Franckreich, <hi rendition="#aq">Carolus VII.</hi> als der Vater <hi rendition="#aq">Ludovici XI.</hi> dem Hertzog<lb/> von Burgund, <hi rendition="#aq">Philippo Bono,</hi> der ein Vater Carls des Kuͤhnen geweſen, ein-<lb/> geraͤumet gehabt, auf daß er ihn dadurch von ſeiner <hi rendition="#aq">Allian</hi>tz mit denen Enge-<lb/> laͤndern abziehen moͤchte; worinnen auch <hi rendition="#aq">Carolus VII. reuſſi</hi>ret hatte Sol-<lb/> che Plaͤtze wolte nunmehro <hi rendition="#aq">Ludovicus XI.</hi> eben wie heutiges Tages die Spa-<lb/> nier Gibraltar, und die Inſel <hi rendition="#aq">Minorca,</hi> in dem Mittelaͤndiſchen Meer, wie-<lb/> der haben. Weil aber der Paͤbſtliche <hi rendition="#aq">Legat, Cardinal Beſſarion,</hi> die Partey<lb/> des Hertzogs von Burgund hielte, <hi rendition="#aq">citir</hi>te er, <hi rendition="#aq">en faveur</hi> deſſen vor denen Ohren<lb/> des Koͤnigs, einige Verſe aus dem <hi rendition="#aq">Menander</hi> und <hi rendition="#aq">Calimacho.</hi> Nachdem<lb/> auch der Koͤnig von Franckreich <hi rendition="#aq">declarir</hi>te, <hi rendition="#fr">daß er mit denen Schweitzern<lb/> und dem Hertzog von Lothringen, wider den Hertzog von Burgund,<lb/> vereiniget bleiben wolte, ſo bemuͤhete ſich der</hi> <hi rendition="#aq">Cardinal-Legat,</hi> dem Koͤnig<lb/> aus dem <hi rendition="#aq">Gorgias,</hi> einem beruͤhmten Sicilianiſchen <hi rendition="#aq">Advoca</hi>ten, ingleichen aus<lb/> dem <hi rendition="#aq">Platone,</hi> zu beweiſen, daß ſolches dem wahren <hi rendition="#aq">Intereſſe</hi> des Frantzoͤſi-<lb/> ſchen Hofes nicht gemaͤß ſeye. Letzlich hielte <hi rendition="#aq">Beſſarion</hi> eine ſo lange und ver-<lb/> drießliche, auch mit vielen Lateiniſchen und Griechiſchen <hi rendition="#aq">Terminis</hi> angefuͤllete,<lb/> Rede gegen den Koͤnig, daß dieſer in den groͤſten Zorn daruͤber geriethe, dem<lb/><hi rendition="#aq">Cardinal</hi> in ſeinen <hi rendition="#aq">venerablen,</hi> biß auf den Nabel herab hangenden, Bart fiele,<lb/> und ihm eine Hand voll Haare aus demſelben rauffte; womit ſich die <hi rendition="#aq">Nego-<lb/> ciationes</hi> dieſes <hi rendition="#aq">Cardinal-Legaten</hi> endigten.</p><lb/> <p>Wann nun Gelehrte, von der Art, groſſen Potentaten vor die Augen kom-<lb/> men, ſo, daß dieſe dergleichen <hi rendition="#aq">Pedantereyen</hi> ſelber hoͤren und ſehen, ſo muß man<lb/> ſich nicht wundern, im Fall Koͤnige und Fuͤrſten, bißweilen, eine ſehr ſchlech-<lb/> te Meynung von Gelehrten hegen. Denn, was dem Koͤnig von Franckreich,<lb/><hi rendition="#aq">Ludovico XI.</hi> mit dem <hi rendition="#aq">Cardinal Beſſarion</hi> begegnet iſt, das wiederfaͤhret noch<lb/> heut zu Tage manchem Koͤnig und Fuͤrſten, daß ihm nehmlich gelehrte Leute zu<lb/> Handen ſtoſſen, welche der Gnade genieſſen, vor ihm zu <hi rendition="#aq">diſcuri</hi>ren und zu <hi rendition="#aq">raiſo-<lb/> ni</hi>ren. Ja es laͤſſet ſich dann und wann, ein Potentat ſelber mit ihnen in einen<lb/><hi rendition="#aq">Diſcurs</hi> ein Allein an ſtatt, daß dergleichen Gelehrte, zu ſolchen Zeiten, nur<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0047]
Wann der Koͤnig mit ihm diſcurirte, und die Vorſtellungen des Paͤbſtlichen
Hofes nicht ſtatt finden laſſen wolte, citirte der Cardinal viele Paſſagen aus
einem Griechiſchen Tragœdien-Schreiber Sophocle, aus dem Pindaro einem
Griechiſchen Pœten, und aus dem Lycophron, der ebenfalls ein Griechi-
ſcher Pœt und Grammaticus geweſen. Zwiſchen dem Koͤnig von Franckreich
Ludvico XI. und dem Hertzog von Burgund, Carl dem Kuͤhnen, ſchwebete
ein Streit wegen verſchiedener an der Somme gelegenen Plaͤtze, welche der
Koͤnig von Franckreich, Carolus VII. als der Vater Ludovici XI. dem Hertzog
von Burgund, Philippo Bono, der ein Vater Carls des Kuͤhnen geweſen, ein-
geraͤumet gehabt, auf daß er ihn dadurch von ſeiner Alliantz mit denen Enge-
laͤndern abziehen moͤchte; worinnen auch Carolus VII. reuſſiret hatte Sol-
che Plaͤtze wolte nunmehro Ludovicus XI. eben wie heutiges Tages die Spa-
nier Gibraltar, und die Inſel Minorca, in dem Mittelaͤndiſchen Meer, wie-
der haben. Weil aber der Paͤbſtliche Legat, Cardinal Beſſarion, die Partey
des Hertzogs von Burgund hielte, citirte er, en faveur deſſen vor denen Ohren
des Koͤnigs, einige Verſe aus dem Menander und Calimacho. Nachdem
auch der Koͤnig von Franckreich declarirte, daß er mit denen Schweitzern
und dem Hertzog von Lothringen, wider den Hertzog von Burgund,
vereiniget bleiben wolte, ſo bemuͤhete ſich der Cardinal-Legat, dem Koͤnig
aus dem Gorgias, einem beruͤhmten Sicilianiſchen Advocaten, ingleichen aus
dem Platone, zu beweiſen, daß ſolches dem wahren Intereſſe des Frantzoͤſi-
ſchen Hofes nicht gemaͤß ſeye. Letzlich hielte Beſſarion eine ſo lange und ver-
drießliche, auch mit vielen Lateiniſchen und Griechiſchen Terminis angefuͤllete,
Rede gegen den Koͤnig, daß dieſer in den groͤſten Zorn daruͤber geriethe, dem
Cardinal in ſeinen venerablen, biß auf den Nabel herab hangenden, Bart fiele,
und ihm eine Hand voll Haare aus demſelben rauffte; womit ſich die Nego-
ciationes dieſes Cardinal-Legaten endigten.
Wann nun Gelehrte, von der Art, groſſen Potentaten vor die Augen kom-
men, ſo, daß dieſe dergleichen Pedantereyen ſelber hoͤren und ſehen, ſo muß man
ſich nicht wundern, im Fall Koͤnige und Fuͤrſten, bißweilen, eine ſehr ſchlech-
te Meynung von Gelehrten hegen. Denn, was dem Koͤnig von Franckreich,
Ludovico XI. mit dem Cardinal Beſſarion begegnet iſt, das wiederfaͤhret noch
heut zu Tage manchem Koͤnig und Fuͤrſten, daß ihm nehmlich gelehrte Leute zu
Handen ſtoſſen, welche der Gnade genieſſen, vor ihm zu diſcuriren und zu raiſo-
niren. Ja es laͤſſet ſich dann und wann, ein Potentat ſelber mit ihnen in einen
Diſcurs ein Allein an ſtatt, daß dergleichen Gelehrte, zu ſolchen Zeiten, nur
nach
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