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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Zu einer andern Zeitbrachte ein vertrauter Freund eben diesem Kircher ein
Stücke seiden Papier von der Art, wie es die Chineser gebrauchen, daß mit
viel wunderlichen Zügen besetzet gewesen. Da sich nun der gute Kircher viele
vergebliche Mühe gemachet, selbige zu erklären, so wurde endlich sein Freund
der unnützen Arbeit überdrüßig, und hielte daß Papier freywillig vor den
Spiegel; da dann Kircher gar leichte sehen kunte wie unglücklich er desfalls an-
gelauffen seye, weil bloß folgende Worte, mit kleinen verkehrt stehenden La-
teinischen Buchstabe[n],
darauf geschrieben waren; Noli vana sectari & tem-
pus perdere nugis nihil proficientibus;
das ist: Trachte dem nicht nach,
was eitel ist, und verderbe die Zeit nicht mit unnützen Grillen.

Was that Gronov? Diesem wiese ein sehr gehöffter Mann Monsieur Ro-
bert
von Neufville, wie ihn Gronov selbst nennet, ein höltzernes Männgen
in der Gestalt eines Sächsischen Bergmannes, dergleichen unsere Kinder
insgemein unter ihren Puppenwerck aufzuheben pflegen. Gronov, der sein
Lebtage keinen Kerl mit einer Ertz-Mulde, Arsch-Leder, und dem übrigen
Berg-Tracht gesehen hatte, freuete sich alsbald, seinem eigenen Geständniß
nach, gantz ungemein über dieses treffliche alte Monument, und hielte gleich dafür,
man müsse dessen Gedächtniß wieder erneuern; daher er dann sein Berg-Män-
gen
auf das Zierlichste in Kupffer stechen lassen, und solches vor einen alten
heydnischen Teutschen Priester, so das Schiff der Göttin
Isis trüge,
ausgegeben hat.
Die Worte, womit er diese vermeynte kleine Statue des
Alterthums, in seinem Thesauro der Griechischen Antiquitaeten beschrieben,
lauten also: Er hat ein wildes und unfreundliches Gesichte, mit einer um
das Haupt, fast biß zu denen Augbraunen gewundenen Binde
(das ist
die Mütze des Berg-Manns, diese gehet ihm auf der lincken Seite so weit
herunter, daß sie gar bequem einen dicken Wulst machet, auf welchem
das Schiffgen
(oder vielmehr die Ertz-Mulde) ruhen kan. Der Rock ist
lang, aber hoch hinauf geschürtzet, daß er desto freyer gehen könne. Das
hintere Theil aber
(hier hast du das Arsch-Leder) gehet unten spitzig aus.
Dieses ist also der berühmte Teutsche Priester, den die Lateiner
Bajulum
Ceremoniarum
genennet haben, einen Mann der das Heiligthum trägt,
nicht zwar wie die edlen
Poeten zu ihren Musen, sondern in seinen ge-
heimen und furchterlichen Wald.
Von diesem Gronov ist sonst noch be-
kannt, daß er der Tadelsucht gantz greulich ergeben, und der Universitaet
Leipzig spinnenfeind gewesen; wie er sich dann nicht gescheuet, alle unge-
reimte Schlüsse
vor Leipzig-mäßig auszugeben.

Von

Zu einer andern Zeitbrachte ein vertrauter Freund eben dieſem Kircher ein
Stuͤcke ſeiden Papier von der Art, wie es die Chineſer gebrauchen, daß mit
viel wunderlichen Zuͤgen beſetzet geweſen. Da ſich nun der gute Kircher viele
vergebliche Muͤhe gemachet, ſelbige zu erklaͤren, ſo wurde endlich ſein Freund
der unnuͤtzen Arbeit uͤberdruͤßig, und hielte daß Papier freywillig vor den
Spiegel; da dann Kircher gar leichte ſehen kunte wie ungluͤcklich er desfalls an-
gelauffen ſeye, weil bloß folgende Worte, mit kleinen verkehrt ſtehenden La-
teiniſchen Buchſtabe[n],
darauf geſchrieben waren; Noli vana ſectari & tem-
pus perdere nugis nihil proficientibus;
das iſt: Trachte dem nicht nach,
was eitel iſt, und verderbe die Zeit nicht mit unnuͤtzen Grillen.

Was that Gronov? Dieſem wieſe ein ſehr gehoͤffter Mann Monſieur Ro-
bert
von Neufville, wie ihn Gronov ſelbſt nennet, ein hoͤltzernes Maͤnngen
in der Geſtalt eines Saͤchſiſchen Bergmannes, dergleichen unſere Kinder
insgemein unter ihren Puppenwerck aufzuheben pflegen. Gronov, der ſein
Lebtage keinen Kerl mit einer Ertz-Mulde, Arſch-Leder, und dem uͤbrigen
Berg-Tracht geſehen hatte, freuete ſich alsbald, ſeinem eigenen Geſtaͤndniß
nach, gantz ungemein uͤber dieſes treffliche alte Monument, und hielte gleich dafuͤr,
man muͤſſe deſſen Gedaͤchtniß wieder erneuern; daher er dann ſein Berg-Maͤn-
gen
auf das Zierlichſte in Kupffer ſtechen laſſen, und ſolches vor einen alten
heydniſchen Teutſchen Prieſter, ſo das Schiff der Goͤttin
Iſis truͤge,
ausgegeben hat.
Die Worte, womit er dieſe vermeynte kleine Statue des
Alterthums, in ſeinem Theſauro der Griechiſchen Antiquitæten beſchrieben,
lauten alſo: Er hat ein wildes und unfreundliches Geſichte, mit einer um
das Haupt, faſt biß zu denen Augbraunen gewundenen Binde
(das iſt
die Muͤtze des Berg-Manns, dieſe gehet ihm auf der lincken Seite ſo weit
herunter, daß ſie gar bequem einen dicken Wulſt machet, auf welchem
das Schiffgen
(oder vielmehr die Ertz-Mulde) ruhen kan. Der Rock iſt
lang, aber hoch hinauf geſchuͤrtzet, daß er deſto freyer gehen koͤnne. Das
hintere Theil aber
(hier haſt du das Arſch-Leder) gehet unten ſpitzig aus.
Dieſes iſt alſo der beruͤhmte Teutſche Prieſter, den die Lateiner
Bajulum
Ceremoniarum
genennet haben, einen Mann der das Heiligthum traͤgt,
nicht zwar wie die edlen
Poëten zu ihren Muſen, ſondern in ſeinen ge-
heimen und fůrchterlichen Wald.
Von dieſem Gronov iſt ſonſt noch be-
kannt, daß er der Tadelſucht gantz greulich ergeben, und der Univerſitæt
Leipzig ſpinnenfeind geweſen; wie er ſich dann nicht geſcheuet, alle unge-
reimte Schluͤſſe
vor Leipzig-maͤßig auszugeben.

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[206/0250] Zu einer andern Zeitbrachte ein vertrauter Freund eben dieſem Kircher ein Stuͤcke ſeiden Papier von der Art, wie es die Chineſer gebrauchen, daß mit viel wunderlichen Zuͤgen beſetzet geweſen. Da ſich nun der gute Kircher viele vergebliche Muͤhe gemachet, ſelbige zu erklaͤren, ſo wurde endlich ſein Freund der unnuͤtzen Arbeit uͤberdruͤßig, und hielte daß Papier freywillig vor den Spiegel; da dann Kircher gar leichte ſehen kunte wie ungluͤcklich er desfalls an- gelauffen ſeye, weil bloß folgende Worte, mit kleinen verkehrt ſtehenden La- teiniſchen Buchſtaben, darauf geſchrieben waren; Noli vana ſectari & tem- pus perdere nugis nihil proficientibus; das iſt: Trachte dem nicht nach, was eitel iſt, und verderbe die Zeit nicht mit unnuͤtzen Grillen. Was that Gronov? Dieſem wieſe ein ſehr gehoͤffter Mann Monſieur Ro- bert von Neufville, wie ihn Gronov ſelbſt nennet, ein hoͤltzernes Maͤnngen in der Geſtalt eines Saͤchſiſchen Bergmannes, dergleichen unſere Kinder insgemein unter ihren Puppenwerck aufzuheben pflegen. Gronov, der ſein Lebtage keinen Kerl mit einer Ertz-Mulde, Arſch-Leder, und dem uͤbrigen Berg-Tracht geſehen hatte, freuete ſich alsbald, ſeinem eigenen Geſtaͤndniß nach, gantz ungemein uͤber dieſes treffliche alte Monument, und hielte gleich dafuͤr, man muͤſſe deſſen Gedaͤchtniß wieder erneuern; daher er dann ſein Berg-Maͤn- gen auf das Zierlichſte in Kupffer ſtechen laſſen, und ſolches vor einen alten heydniſchen Teutſchen Prieſter, ſo das Schiff der Goͤttin Iſis truͤge, ausgegeben hat. Die Worte, womit er dieſe vermeynte kleine Statue des Alterthums, in ſeinem Theſauro der Griechiſchen Antiquitæten beſchrieben, lauten alſo: Er hat ein wildes und unfreundliches Geſichte, mit einer um das Haupt, faſt biß zu denen Augbraunen gewundenen Binde (das iſt die Muͤtze des Berg-Manns, dieſe gehet ihm auf der lincken Seite ſo weit herunter, daß ſie gar bequem einen dicken Wulſt machet, auf welchem das Schiffgen (oder vielmehr die Ertz-Mulde) ruhen kan. Der Rock iſt lang, aber hoch hinauf geſchuͤrtzet, daß er deſto freyer gehen koͤnne. Das hintere Theil aber (hier haſt du das Arſch-Leder) gehet unten ſpitzig aus. Dieſes iſt alſo der beruͤhmte Teutſche Prieſter, den die Lateiner Bajulum Ceremoniarum genennet haben, einen Mann der das Heiligthum traͤgt, nicht zwar wie die edlen Poëten zu ihren Muſen, ſondern in ſeinen ge- heimen und fůrchterlichen Wald. Von dieſem Gronov iſt ſonſt noch be- kannt, daß er der Tadelſucht gantz greulich ergeben, und der Univerſitæt Leipzig ſpinnenfeind geweſen; wie er ſich dann nicht geſcheuet, alle unge- reimte Schluͤſſe vor Leipzig-maͤßig auszugeben. Von

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/250>, abgerufen am 22.11.2024.